Er wurde hart herangenommen, steht für große Triumphe und ist jetzt der mit Abstand teuerste Alfa Romeo: Im Rahmen des Goodwood Revival Meetings erzielte der weltweit einzig noch erhaltende Alfa Romeo Tipo 8C-35 Grand Prix-Monoposto, Baujahr 1935, am 14. September 2013 während einer Auktion einen Preis von 5.937.500 Britischen Pfund, aktuell umgerechnet 7,06 Millionen Euro. Damit wurde der bisherige Rekord deutlich überboten: 2010 kam ein Alfa Romeo Monza 2300, Baujahr 1933, im kalifornischen Pebble Beach für umgerechnet gut fünf Millionen Euro unter den Hammer.
© Foto: Alfa Romeo
Den auch als „Tipo C" bekannten Grand Prix-Renner entwickelte 1935 der berühmte Konstrukteur Vittorio Jano, um gegen die Kompressor-Mercedes W25 und die V16-befeuerten Auto Union-Rennwagen mithalten zu können. Der von der Scuderia Ferrari als damaligem Alfa Romeo-Werksteam eingesetzte Einsitzer mit der Chassisnummer 50013 brachte es dank seines per Kompressor aufgeladenen Reihenachtzylinders auf 330 PS bei 5.500/min.
Analog zur deutschen Konkurrenz erhielt der rote Renner von Alfa Romeo vorne wie hinten Einzelradaufhängungen, hydraulische Bremsen und eine strömungsgünstigere Karosserie. Der Motor stellte die auf 3,8 Liter aufgebohrte und finale Entwicklungsstufe des bereits im Monza und Tipo B einsetzten Triebwerkes dar.
Der Tipo 8C-35 feierte im September 1935 beim Grand Prix von Italien in Monza seine Premiere. Danach gelangte der Rennwagen von Alfa Romeo noch bis weit in die Saison 1936 hinein bei Rennen in Modena, San Sebastian, Brünn, Tunis, Tripolis, Monaco, Budapest sowie beim Eifel-Rennen und GP von Deutschland auf dem Nürburgring zum Einsatz. Nach und nach löste der Zwölfzylinder-Typ 12C-36 den Vorgänger ab, doch noch 1937 gewann Carlo Pintacuda mit einem Alfa Romeo 8C-35 den Grand Prix von Rio de Janeiro - mit acht Sekunden Vorsprung auf Hans Stuck im favorisierten Auto Union.
Im Ziel lagen Stuck/Rosemeyer drei Minuten zurück
Der größte Erfolg des jetzt in Goodwood versteigerten Alfa Romeo 8C-35 geht jedoch auf die Coppa Ciano des Jahres 1936 zurück. Kein Geringerer als der berühmte Rennfahrer Tazio Nuvolari bestritt auf dem gefährlichen Straßenkurs bei Livorno eines seiner größten Rennen. Nuvolaris eigener Wagen, ein neuer Alfa Romeo 12 C-36, blieb gleich nach dem Start mit einem Antriebsschaden liegen, woraufhin „Nivola" nach drei Runden den von Pintacuda „eingefahrenen" 8C-35 übernahm.
© Foto: Alfa Romeo
Von Platz 6 kommend, schob sich Nuvolari meisterlich nach vorn und sicherte Alfa Romeo nach dem Ausfall des führenden Varzi (Auto Union) einen Dreifach-Sieg. Der viertplatzierte Auto Union von Stuck/Rosemeyer lag im Ziel drei Minuten zurück.
Kurz nach diesem Triumph verkaufte Alfa Romeo den 8C-35 im September 1936 an den jungen Schweizer Privatfahrer Hans Ruesch. Nur einen Monat später gewann der 23 Jahre alte Züricher zusammen mit dem späteren Mercedes-Werksfahrer „Dick" Seaman den Donington Grand Prix. Zuvor errang Ruesch beim berühmten Bergrennen in Shelsley Walsh den zweiten Platz. Danach trat Ruesch mit dem Alfa Romeo 8C-35 eine lange Reise nach Südafrika an. In drei Handikap-Rennen in East London, Kapstadt und Johannesburg errang der Schweizer Anfang 1937 zwei vierte und einen fünften Platz und fuhr zweimal die schnellste Runde.
Eidgenosse Ruesch gab dem Ex-Werkswagen eifrig die Sporen
Im weiteren Verlauf der Saison setzte der Eidgenosse den Alfa Romeo in 15 weiteren Rennen ein. Sieben davon gewann Ruesch - darunter den finnischen Grand Prix in Helsinki, den Grand Prix des Frontières in Chimay, den Grand Prix von Rumänien in Bukarest sowie Rennen in Montlhéry bei Paris und auf der berühmten Brooklands-Bahn in England. Beim Grand Prix von Monaco im Jahr 1937, an dem auch die Werksteams von Mercedes und Auto Union teilnahmen. erkämpfte der Privatier im „50013" einen respektablen achten Platz.
Nachdem 1938 die Hubraumgrenze für Grand Prix-Rennwagen mit Kompressor auf 3,0 Liter herabgesetzt wurde, blieb der 3.8-Liter-Bolide in England stationiert. Nach einem Unfall in Donington mit dem rennfahrenden Jazzmusiker Buddy Featherstonehaugh am Steuer, musste der Alfa Romeo zu einer Rundumerneuerung zurück in die Heimat. Erst 1939 kehrte der Alfa - nun wieder mit Ruesch am Volant - auf die Insel zurück. Nach einem Rennen in Crystal Palace und der Teilnahme am Shelsley Walsh Bergrennen verkaufte Ruesch den Alfa Romeo an den britischen Rennfahrer und Autohändler Robert Arbuthnot.
© Foto: Alfa Romeo
Mit Dennis Poore Stammgast bei den ersten Nachkriegsrennen
Während des Zweiten Weltkrieges verkaufte Arbuthnot den Alfa Romeo Tipo 8C-35 mit der Chassis-Nummer 50013 an den Sammler Reg Parnell, der den Alfa wiederum 1946 an den britischen Industrie-Magnaten Dennis Poore veräußerte. Poore, als Chef der Manganese-Bronze Ltd. auch verantwortlich für den Bau von Motorrädern der Marken AJS und Norton-Villiers, war ab den späten 1940er-Jahren mit dem Alfa Romeo Stammgast auf britischen Rennstrecken.
1947 siegte Poore beim ersten britischen Nachkriegsrennen auf dem Gransden Lodge Flugplatz. Im September 1948 nahm der Brite am ersten Rennen auf dem neuen Goodwood-Kurs teil und holte 1950 als Krönung die britische Bergmeisterschaft. Noch bis 1955 dauerte die aktive Karriere des berühmten Alfa Romeos bei Formula Libre und Vintage Sports Car Club-Events, ehe er in einen über zwei Jahrzehnte langen Dornröschenschlaf verfiel.
Nach 20 Jahren in den Originalzustand zurückversetzt
Nach dem Tod Poores wurde der 8C-35 im Jahre 1987 aus seinem Scheunenversteck befreit und bei einer Auktion in Monaco für 2,85 Millionen US-Dollar versteigert. Auf Veranlassung des in Amerika lebenden britischen Oldtimerenthusiasten Peter Giddings versetzte der Restaurator Paul Gist den Alfa Romeo in England in den Originalzustand der Saison 1937 zurück. Seitdem ist der Alfa Romeo Tipo 8C-35 ein aktives Mitglied der Classic Car-Rennszene, gewann unter anderem 2000 den Preis „Best of Show" beim Louis Vuitton Concours in New York und glänzte 2006 als einer der Stars beim Goodwood Festival of Speed.