Zwei Weltpremieren von Bertone und Jaguar ließen auf dem Genfer Autosalon 2011 die Herzen der Besucher höher schlagen: Die Luxus-Sportlimousine B99 mit Hybrid-Antrieb und die daraus abgeleitete Rennversion B99 GT mit nahezu 1.000 PS. „Nah an der Marke bleiben“ heißt die Devise bei Bertone, mit 99 Jahren einer der ältesten Auto-Designer der Welt. Das sieht man auch dem B99 an; denn in der Limousine blitzen Zitate verschiedener historischer Jaguar-Modelle auf.
© Foto: Bertone
Außerdem ist der B99 nicht die erste, sondern bereits fünfte Kreation von Bertone auf britischer Jaguar-Basis. Die Bezeichnung des Show Cars bezieht sich auf das Alter der berühmten italienischen Design-Schmiede kurz vor dem 100jährigen Jubiläum im Jahre 2012.
Die Bertone-Designer arbeiteten ganz im Stile traditioneller Karossiers; denn der B99 entstand in Handarbeit aus Aluminium-Elementen. Dabei versuchten die Macher stets, den Charakter der Marke Jaguar im Auge zu behalten: Understatement, das gleichzeitig Exklusivität verkörpert. Dies ist beim B99 durchaus gelungen und wirkt nicht so, als ob es davon unbedingt eine Version für den Motorsport geben müsste.
Dennoch präsentierte Bertone in Genf auch gleich die GT2-Variante B99 GT, die sich vor allem durch einen mächtigen, kastenförmigen Heckspoiler und weitere Aerodynamik-Elemente vom Original abhebt. Was zunächst wie ein Widerspruch wirken mag, entspricht jedoch exakt der „Double Soul“-Tradition von Jaguar: Luxus und Rennsport. Diese gleicht dem Wesen des Markentiers. Schließlich zeichnet sich die Raubkatze durch Eleganz und Erhabenheit aus, ist aber gleichzeitig blitzschnell und tötet seine Beute mit nur einem Prankenschlag.
Fortschrittlich und auf der Höhe der Zeit präsentiert sich der B99 alleine schon durch seinen Hybrid-Antrieb, den die neue Firmendivision „Bertone Energy“ entwickelt hat. Mit an Bord: Ein 1,4 Liter großer Verbrennungsmotor als Range Extender und zwei Elektro-Motoren, die - sympathisch aus der Sicht leidenschaftlicher Querfahrer - die Heckräder antreiben. Insgesamt produziert der Hybrid-Antrieb eine kombinierte Leistung von 570 PS und ermöglicht eine theoretische Reichweite von ca. 700 Kilometern. Der CO2-Ausstoß soll nur 30 g/km betragen. Im rein elektrischen Modus sind rund 100 Kilometer möglich.
Untypisch für aktuelle Sportlimousinen mit meist deutlich nach hinten ansteigender Linienführung: Beim B99 liegen Front- und Heckscheinwerfer nahezu auf einer Höhe. „Dynamic Imbalance“ heißt die Design-Philosophie, die dazu führt, dass die Limousine trotzdem nicht statisch, sondern dynamisch wirkt. Und dies könnte laut Bertone durchaus ein Vorgriff auf die künftige Design-Sprache von Jaguar sein.
Auffallend am B99: Der traditionell nach vorne geneigte Frontgrill, darüber die Raubkatze als Kühlerfigur, die sich dank Sensoren rechtzeitig vor einem Unfall in Sekundenbruchteilen unter die Haube zurückzieht. An historische Vorgänger erinnert der extrem lange Radstand: 2,80 Meter bei insgesamt 4,50 Meter Fahrzeuglänge in Kombination mit kurzem Überhang vorn und langem hinten. Dazu kommen eine Breite von 1,95 Metern und die Höhe mit 1,35 Metern.
© Foto: Bertone
Als Außenspiegel dienen zierliche Videokameras, welche die Linie nicht so beeinträchtigen wie konventionelle Lösungen. Aerodynamische Finesse am Heck der Limousine: Ein Spoiler fährt erst bei hohen Geschwindigkeiten aus. Ebenso markant ist das breite wie schmale und mittig positionierte Auspuffendrohr.
Im Innenraum des Bertone Jaguar B99 herrscht Minimalismus, der Weg dorthin führt über gegenläufig sich öffnende Türen. Das Interieur ist in dunkelbraunem Leder gehalten, Akzente setzen gebürstetes Aluminium und hochglänzendes Holz. So besteht das breite Armaturenbrett aus edel lackiertem Holz, das von einem Aluminium-Rahmen ummantelt wird.
Nahezu „unsichtbar“, befindet sich der zentrale Infotainment-Bildschirm bei Nichtgebrauch hinter einer Holzabdeckung, die sich per Fingertipp öffnen lässt. Die vier klassischen Rundinstrumente mit analogen Zahlen fasste Bertone in Aluminium ein. Wird der Start-Knopf des Motors gedrückt, erscheinen die Ziffernblätter der Instrumente nicht mehr zweidimensional, sondern als dreidimensionale Skulpturen. Verstecktes Feature: Die multifunktionellen Armlehnen im Fond eröffnen den Zugang zu einem Kühlfach für zwei Champagner-Flaschen.
Der für 24-Stunden-Rennen geeignete GT2-Racer B99 GT ist um sage und schreibe 55 Zentimeter breiter als der B99. Außerdem ist die Karosserie um 10 Zentimeter tiefer gelegt, so dass bescheidene 5 Zentimeter Bodenfreiheit übrig bleiben. Die sich daraus ergebenden Proportionen und aerodynamische Hilfen rundum machen den B99 GT zu einem ausgesprochenen Rennstrecken-Monster, so Bertone selbstbewusst.
Die Rennbereifung des B99 GT fällt in der Dimension 325/30/19 ebenfalls imposant aus. Um die gewünschte Performance zu realisieren, verpassten die Techniker von Bertone Energy dem Rennwagen zwei weitere Elektro-Motoren vorn und damit einen Allradantrieb. Die Gesamtleistung soll bei 725 kW liegen. Mit diesen 986 PS dürfte dem Bertone Jaguar B99 GT ein Platz in der Ruhmeshalle von Jaguar sicher sein.