Bei der Mille Miglia des Jahres 1940 konnte sich BMW siegreich in die Analen des Straßenrennens eintragen. Alle BMW-Rennsportkarosserien, die bei der Mille Miglia in jenem Jahr teilnahmen, begeistern noch heute die Autoenthusiasten. Nur einer aus der silbernen BMW-Rennsportflotte fehlte: Das BMW 328 Kamm Coupé - benannt nach dem deutschen Aerodynamik-Pionier Wunibald Kamm. Die Spur des Wagens, der damals bereits während des Rennens ausschied, verliert sich im Jahr 1953. Jetzt ließ „BMW Classic“ den Rennwagen neu aufbauen, der bei der heutigen Mille Miglia im Mai 2010 startet.
© Foto: Speed Heads
Bei BMW war man sich der Einmaligkeit der Mille Miglia-Fahrzeuge schon bald nach dem Sieg 1940 bewusst und so schaffte man die Rennwagen schnellstens aus München weg, um sie - auf dem Land versteckt - vor der Zerstörung im Krieg zu schützen. Das gelang auch; denn alle fünf Fahrzeuge überlebten nahezu unversehrt. Es waren allerdings die Wirren der frühen Nachkriegszeit, die dazu führten, dass BMW die Wagen verlor.
Einige der alliierten Soldaten waren bereits in ganz Deutschland auf der Suche nach seltenen Rennfahrzeugen. Und so kam es, dass die drei Mille Miglia Roadster nach Russland, England und in die USA verschwanden. Das siegreiche Touring-Coupé, zunächst in der Hand der Amerikaner, konnte ein leitender BMW-Mitarbeiter retten, nahm es aber bei seiner Auswanderung ebenfalls mit über den großen Teich.
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Lediglich das Kamm-Coupé blieb in Deutschland. Ernst Loof, der frühere BMW-Rennleiter, hatte es für sich gesichert und nutzte es als Privatwagen. Mittlerweile war Loof selbst Autohersteller und versorgte das aufstrebende Nachkriegsdeutschland mit den schnellen Veritas-Rennsportwagen. Immer in finanziellen Nöten, musste er sich nach einigen Jahren von dem Schmuckstück trennen. Ein langes Leben unter seinem neuen Besitzer war dem Kamm-Coupé allerdings nicht beschieden, da es schon Anfang der 1950er-Jahre nach einem Unfall verschrottet wurde.
Die Pläne zur Wiederherstellung des BMW 328 Kamm Coupés wurden bereits Mitte der 1990er-Jahre geboren. Doch dies gestaltete sich äußerst schwierig, weil es keinerlei Konstruktionsunterlagen des Kamm-Coupés gab, auch der Bestand an historischen Fotos war gering. Unter tatkräftiger Mithilfe eines Münchner Privatsammlers gelang es jedoch, nicht nur einen größeren Bestand an Fotos zusammenzutragen, die das Fahrzeug in verschiedensten Perspektiven zeigten, auch standen nun wieder genügend Aufnahmen der eigentlichen Rohrrahmen-Konstruktion zur Verfügung.
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Nun ging es an die schwierige Aufgabe, aus den vorhanden Informationen das Abbild eines Gesamtfahrzeugs zu formen. Zunächst scannten die Macher die aussagekräftigsten Fotos, um als Basis in einem 3D-Geometrieprogramm zu dienen. Dann wurden die einzigen sicheren Konstanten wie Felgendurchmesser, Einpresstiefe, Größe der Scheinwerfer, Türgriffe, Flügelmuttern, Winker und BMW-Embleme eingearbeitet, bis sie in jeder Projektion am gleichen Platz standen.
Jedes Bild ergab dann weitere Bezugspunkte für Radausschnitte, Fenster und andere Teile in Bezug auf die festgelegten Konstanten. Nach und nach verdichtete sich die Information, bis sich ein virtuelles Volumenmodell ergab, in dem jedes Detail mit jeder Ansicht des Fahrzeuges übereinstimmte. Daraus wurde für eine spezielle Maschine ein Fräsprogramm generiert, das aus einem riesigen hochverdichteten Schaumblock ein Modell in Originalgröße erstellte.
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Ein Restaurator wurde damit beauftragt, ein originales BMW-Chassis um 20 Zentimeter zu verlängern und einen Stahl-Gitterrohrrahmen nach den Fotovorlagen zu bauen. Im Rahmen der Konzeption für das neue BMW-Museum kam allerdings die Idee auf, den filigranen Elektron-Gitterrohrrahmen des Kamm-Coupés als Demonstrationsobjekt für den Bereich „Leichtbau“ wieder herzustellen. Mit Hilfe eines Spezialisten gelang es, eine genaue Kopie des ursprünglichen Gitterrohrrahmens zu bauen. Als Material wählte man Aluminium anstelle des ursprünglichen Elektrons und kam damit gewichtmäßig dem Original sehr nahe.
Der Restaurator René Große aus Wusterwitz in Brandenburg nahm das Schaummodell als Basis für einen Abdruck in GFK, in das die Rohre für den Gitterrohrrahmen eingepasst wurden. Für die Außenhaut verwendete man Teile eines zweiten Satzes Karosseriebleche aus Reinaluminium, welche die Meisterschule fertigte. Dazu kamen noch alle neuanzufertigenden Bleche im Innenbereich, wie innere Kotflügel, Spritzwand, der doppelte Karosserieboden, Armaturenbrett und Tank.
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Als interessantes konstruktives Detail erwiesen sich die 40 Millimeter breiten Aluminiumstreifen, die an den Außenkanten der Blechhaut auf dem Rohrrahmen verschweißt waren. Um diese wurde die Außenhaut auf wenigen Millimetern Breite nach innen umgebörtelt, um so optisch filigrane Kanten an der Motorhaube, den Fenstern, Türen und Radkästen zu erhalten. Dieses Detail, ebenso wie die Konstruktion des Haubenscharniers und der Türscharniere, ließ sich BMW einst patentieren, so dass es dafür Zeichnungen gab, nach denen man die Teile so originalgetreu wie nur möglich nachbauen konnte.
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Weitere Herausforderungen stellten die technischen Veränderungen dar, die das Kamm-Coupé von seinen Brüdern aus der Serie unterschied, wie nach hinten versetzter Kühler, Motor und Getriebe, eine modifizierte Hinterachse, sowie eine Vielzahl weiterer Veränderungen, die eine aufwändige Kleinarbeit nach sich zogen.