Fahrspaß mit Allrad: Traktionsgewinn und kontrolliertes Driften

, 20.12.2011


Längst ist der Allradantrieb der Fahrzeugklasse hochbeiniger Gelände-Ungetüme entwachsen; denn immer mehr Pkw bis hin zu Kleinwagen bieten ihren Besitzern mehr Traktion und Sicherheit dank vier angetriebener Räder. Bereits 2,4 Millionen Pkw fielen 2010 in dieses Segment, der Anteil am gesamten Fahrzeugbestand liegt bei sechs Prozent.



Suzuki Swift

Beispiel Suzuki: Stattliche 41 Prozent aller Autos der japanischen Marke verfügen inzwischen in Deutschland über einen Allradantrieb und das sind nicht nur Modelle wie der SUV Grand Vitara und der puristische Kompakt-Offroader Jimney, sondern auch die 4x4-Varianten des kompakten Swifts und SX4 sowie die Familien-Limousine Kizashi.

Wichtig für die Popularität von vier angetriebenen Rädern: Aufpreis und Mehrverbrauch halten sich immer mehr in erträglichen Grenzen, so etwa beim brandneuen SUV-Coupé Range Rover Evoque, der mit Allrad nur 1.800 Euro mehr kostet und gerade mal 0,8 Liter Sprit je 100 Kilometer mehr verbraucht als der gleich motorisierte Fronttriebler. Wie eine Vergleichsfahrt mit unterschiedlichen Allradmodellen von Suzuki im österreichischen Tweng bei Obertauern zeigte: Der Fahrspaß mit kontrolliert ausbrechendem Heck ist einen Aufpreis ebenso wert wie der Sicherheitsgewinn dank zusätzlicher Traktion.

Am Anfang steht der Kamm'sche Kreis: Der Kraftfahrzeugtechniker und Aerodynamiker Wunibald Kamm (1893 - 1966) brachte damit zum Ausdruck, was ein Reifen maximal leisten kann, nämlich eine bestimmte Summe von Kräften übertragen, verursacht durch Bremsen, Beschleunigen, Lenken und Fliehkraft bei Kurvenfahrt. Wenn ein einzelner Reifen das Maximum an Seitenführungskraft und zum Beispiel Beschleunigungskraft überträgt, ist darüber hinaus Schluss und er dreht durch.

Verteilt sich die Motorkraft beim Beschleunigen auf nur zwei angetriebene Räder, muss jeder einzelne Reifen die Hälfte der gesamten Antriebskraft auf den Asphalt bringen. Logischerweise halbiert sich der Wert pro Reifen bei vier angetriebenen Rädern. Oder anders gesagt: Es bleibt pro Reifen mehr Spielraum zum gleichzeitigen Übertragen von Seitenführungskraft. Deshalb kann man schneller mit Allrad durch den selben Kurvenradius fahren als mit Front- oder Heckantrieb.



Suzuki Jimny

Soweit die physikalische Theorie. Die Praxis sieht so aus, dass Allrad nicht nur bei Eis und Schnee unweit des Polarkreises erheblich mehr Traktion und somit Sicherheit bringt, sondern deutlich spürbar auch auf nasser Fahrbahn oder plötzlich auftauchendem, rutschigen Untergrund wie Rollsplit in einer Kurve. Die naheliegenden Vorteile im Winter kommen noch hinzu. Deshalb ist Allrad allgemein auf dem Vormarsch und erobert immer mehr Fahrzeugklassen.

Besonders durch die „Speed Heads“-Brille betrachtet, kommt beim Allradantrieb ein entscheidender Vorteil ins Spiel: Gegenüber einem reinen Frontantrieb steigert sich der Fahrspaß mit kontrolliert ausbrechendem Heck - auch Driften genannt - immens. Zu spüren war dies in Tweng besonders mit dem Suzuki Jimny. Der sehr kurze Radstand und der mit wenig Aufwand realisierte, manuell zuschaltbare Allradantrieb machen ihn auf rutschigem Untergrund und mit großen Auslaufzonen zum wahren Spaßmobil. Das ist beim Jimny ganz ohne ESP-Eingriffe der Fall, bei anderen Modellen lässt sich der Schleuderschutz unter solchen Bedingungen für zusätzliche Freude am Schneefahren deaktivieren.

Wichtig bei all dem Fahrspaß, den ein Allrad-Auto vermitteln kann: Beim Bremsen sind sie alle gleich. Sprich: Die Verzögerungskräfte übertragen sich bei 4x4- wie auch bei Front- oder Heckantrieb über alle vier Räder; es gibt keinen Vorteil für die Allradfraktion. Das sollten Allrad-Fahrer unbedingt bedenken; denn das mit 4x4-Antrieb mögliche, besonders rasante Hochbeschleunigen verleitet eher zu überhöhter Geschwindigkeit als mit nur zwei angetriebenen Rädern.

Auch mit dem im Vergleich zum einfacheren Jimny-System aufwändigeren Allradantrieb in der modernen Mittelklasse-Limousine Kizashi kommt Fahrspaß auf. Derselbe intelligente 4x4-Antrieb wie im kompakten SX4 namens i-AWD sorgt hier standardmäßig für Frontantrieb. Die Antriebskraft verteilt sich automatisch durch eine elektromagnetische Lamellenkupplung. Der Spielraum der automatischen Kraftverteilung reicht von reinem Frontantrieb bis zur 50:50-Verteilung zwischen Vorder- und Hinterachse. Das System kann Fahrsituationen mit möglichem Schlupf sogar vorausahnen und deshalb die Hinterachse bereits im Voraus zuschalten, zum Beispiel bei starkem Beschleunigen.



Suzuki Kizashi

Nochmals anders geht die Rennsemmel Swift 4x4 ran. Hier regelt ein permanenter Allradantrieb das Vorwärtskommen, die Kraft verteilt sich über eine Visco-Kupplung zwischen Vorder- und Hinterachse. Dabei rotieren die Lamellen in einem Ölbad. Das System ist genial einfach und übernimmt auch die Aufgaben eines Mittendifferenzials, bei Allrad-Kurvenfahrt Spannungen im Antriebsstrang zu vermeiden.

Weil er besonders leicht und nicht viel größer als eine Konservendose ist, eignet sich das Allradsystem mit Visco-Kupplung besonders gut für kompakte Flitzer wie den Swift, der als 4x4 mit 94 PS (69 kW) 14.490 Euro kostet. Mit solch erschwinglichen Modellen setzt sich die zunehmende Zahl an Allrad-Fahrzeugen weiter fort. Suzuki stellt für das aktuelle Jahr fest: „Auch 2011 deutet nichts darauf hin, dass dieser Trend stagnieren könnte.“

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