Das ist eine Kampfansage, die ihres gleichen sucht: Nahezu unbemerkt für die breite Masse, arbeitet Ford bereits seit rund einem Jahrzehnt an autonomen Fahrzeugen. 2015 eröffnete Ford das größte „Research and Innovation Center“ eines Autoherstellers in Palo Alto direkt im berühmten Silicon Valley, Kalifornien. Diese Einrichtung zählt zu den größten überhaupt im Silicon Valley. Die Ziele sind hochgesteckt und wegweisend: Ford will neue Maßstäbe setzen und seine Technologien mit hochintelligenten Nerds vorantreiben. Wir waren vor Ort, um uns über die neuesten Entwicklungen zu informieren, die interessanter nicht sein könnten.
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The Big Bang Theory in echt - von hier stammen die Nerds
Es ist kein Gerücht: Zahlreiche Mitarbeiter des Forschungs- und Entwicklungszentrums von Ford erinnern an hochintelligente Nerds, wie sie vielen aus der beliebten TV-Sitcom „The Big Bang Theory“ bekannt sind - einige versuchen, sich ein wenig zu stylen, andere lassen es gleich sein. Es sind junge, hochmotivierte Talente, die begeistert von ihrer Arbeit berichten.
Ford rekrutiert die neuen, oftmals jungen Mitarbeiter in der ganzen Welt, insbesondere bei namhaften Hochschulen in den USA, aber auch von Technologie-Unternehmen aus dem Silicon Valley. Über 100 Personen arbeiten mittlerweile in dem Forschungs- und Entwicklungszentrum. Rund 80 Prozent der Team-Mitglieder konnte Ford direkt aus dem boomenden Technologie-Sektor holen. Die restlichen 20 Prozent sind Ingenieure und weitere Ford-Mitarbeiter aus den USA, China, Deutschland und Australien.
Keiner hat eine größere Testflotte - jetzt geht es raus aus MCity
Mit einer kleinen Anzahl autonom fahrender Fahrzeuge gab sich Ford nicht zufrieden. Ford betreibt mit über 30 Ford Fusion Hybrid-Testträgern die größte Flotte autonomer Fahrzeuge in der gesamten Automobilindustrie. Herunter vom Testgelände: Noch in diesem Jahr beginnen in den USA die Praxistests auf öffentlichen Straßen in Kalifornien. Ferner sind die autonomen Fahrzeuge von Ford auf den Straßen Arizonas und Michigans unterwegs. Zugleich erhalten die Entwicklungsfahrzeuge eine ganz neue Generation von Sensoren, mit denen Ford die Reichweite deutlich erhöht.
Darüber hinaus testet Ford seine autonomen Autos in der MCity, einem knapp 13 Hektar großen Testgelände an der Universität von Michigan in Ann Arbor, auf dem Macher eine Stadt nachbauten. Ein- und mehrspurige Straßen, Ampeln, Kreisverkehre, Gehwege, Tunnel und vieles mehr - alle Komponenten einer echten Stadt sind dort zu finden. Dazu kommen unterschiedliche Straßenbeläge wie Beton, Asphalt, Pflaster und unbefestigte Wege. Die Häuser stellen allerdings Kulissen dar.
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Wie Eishockey-Pucks - das können die neuesten Sensoren
Ford verwendet die neuesten LiDAR-Sensoren (Light Detection And Ranging) von Velodyne. Wegen ihrer Größe und Form erinnern diese Sensoren an Eishockey-Pucks - und heißen deshalb „Solid-State Hybrid Ultra Puck Auto“. LiDAR nutzt Infrarot-Laserlicht und erstellt aus den ermittelten Daten eine virtuelle 3D-Karte zur digitalen Darstellung der Fahrzeugumgebung. Die neuesten Sensoren weisen mit 200 Metern eine größere Reichweite auf und sind die ersten spezifisch für den Einsatz in Pkw konstruierten LiDAR-Sensoren, die mit verschiedenen Szenarien gleichzeitig umgehen können.
Die „Ultra Puck Auto“-Sensoren sind so leicht und kompakt, dass Ford diese zum Beispiel in den Seitenspiegeln verbauen kann. Ein weiterer Vorteil des schlanken Designs: Ford reduzierte die Anzahl der LiDAR-Sensoren an den neuen Fusion Hybrid-Modellen von vier auf zwei und erzielt dennoch dieselbe Datenqualität sowie ein zielgenaueres Sichtfeld. LiDAR sendet pro Sekunde mehrere Millionen kurze Laserlicht-Impulse aus und erfasst darüber hinaus exakt die Beschaffenheit der Umgebung und die Distanz zu Objekten. Anhand dieser Daten erstellt der Fahrzeugrechner in Echtzeit hochauflösende dreidimensionale Bilder des Fahrzeugumfelds.
Jetzt gelöst: Autonomes Fahren im Schnee - so funktioniert es
Schon aufgefallen? Fotos und Filme von autonomen Testfahrzeugen gibt es in der Regel nicht im Schnee. Aus diesem Grund: Bei schneebedeckter Straße oder hohem Verkehrsaufkommen können weder LiDAR noch andere Sensoren, wie zum Beispiel Kameras, die Fahrbahn erkennen. Gleiches gilt, wenn die Sensoren von Schnee oder einer Schmutzschicht bedeckt sind. In Anbetracht dieser Herausforderung entwickelte Ford in Zusammenarbeit mit Experten der Universität Michigan ein System, mit dessen Hilfe ein autonom fahrendes Fahrzeug auch bei schneebedeckter Straße die Fahrspur erkennt.
Konventionelle GPS-Signale reichen für autonom fahrende Autos nicht aus; denn sie sind lediglich bis auf einige Meter genau - zu wenig, um die exakte Position des Fahrzeugs zu bestimmen. Dies ist jedoch unerlässlich, da ein autonom fahrender Wagen jederzeit seine exakte Position bestimmen können muss. Dabei spielt nicht nur die jeweilige Stadt oder Straße eine entscheidende Rolle, in der sich das Fahrzeug aktuell befindet, sondern auch auf welcher Fahrspur das Auto gerade unterwegs ist. Bereits eine Abweichung von wenigen Zentimetern könnte von entscheidender Bedeutung sein.
Die Ford Fusion Hybrid-Testwagen verfügen über virtuelle 3D-Karten, die eine digitale Darstellung der Fahrzeugumgebung ermöglichen, inklusive sämtlicher Informationen zu Straße, Fahrbahnmarkierungen, Verkehrszeichen, Geographie, Orientierungspunkten und Topographie. Dieses Kartenmaterial basiert auf Daten, die ein autonom fahrendes Auto von Ford in der Testumgebung bei idealen äußeren Bedingungen erfasst. Dabei analysiert das System automatisch wichtige Umgebungspunkte wie etwa Verkehrszeichen, Bäume und Gebäude.
Sobald das Auto die Fahrbahn aufgrund von widrigen Witterungsbedingungen nicht mehr erkennen kann, bestimmt es seinen exakten Standort anhand typischer Umgebungspunkte. Dank des speziellen Kartenmaterials vermag es die Fahrt sogar bei schwierigen äußeren Bedingungen sicher fortsetzen.
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Autonomes Fahren: Kleine Kinder - eine der größten Herausforderungen
Menschen machen immer das, was man nicht erwartet, insbesondere Fußgänger, Radfahrer und Kinder. Aber Ford ist dabei, genau darauf mit seinen autonomen Fahrzeugen zu reagieren. Diese Entwicklung findet verständlicherweise nicht auf öffentlichen Straßen statt. Dazu führt Ford virtuelle Testfahrten mit autonomen Fahrzeugen auf Computern durch, die von Städten über Landstraßen mit vielen und wenigen anderen Autos und Fußgängern die unterschiedlichsten Szenarien bieten.
Es geht dabei um die Erprobung der Interaktion zwischen Fahrzeugen und Fußgängern, um unerwartete Ereignisse, die im Straßenverkehr jederzeit passieren können, besser vorherzusagen und durch Ausweichen oder Bremsen darauf reagieren zu können. Dafür entwickelte Ford bereits eine Kamera basierte Fußgängererkennung - mit Computern verbundene Kameras wurden zu den Augen des Fahrzeugs und erkannten sicher Fußgänger. Darüber hinaus identifizieren Sensoren der autonomen Fahrzeuge in einer 360-Grad-Rundumansicht Objekte, Straßenschilder, Fahrzeuge und sogar Fußgänger.
So einfach das klingt, sind die Herausforderungen groß: Die Systeme müssen kleine Kinder, die plötzlich alleine loslaufen könnten - und auch dann, wenn die Kleinen in der Menge von Erwachsenen umringt sind. Aber auch große Passanten können sich blitzartig umdrehen und ihre Laufrichtung ändern. Schatten und Lichtwechsel beeinflussen wiederum die Kamerasensoren.
Sogar Fitness-Armbänder unterstützen das autonome Fahren
Immer mehr Menschen benutzen sogenannte Wearables wie Smartwatches, Fitness-Armbänder und Datenbrillen. Sogar diese Geräte werden das autonome Fahren beeinflussen und die Sicherheit erhöhen. Ford untersucht daher, wie Passagiere eines autonom fahrenden Autos benachrichtigt werden sollen, falls sie kurzfristig selbst das Steuer übernehmen müssen. Die Bandbreite möglicher Signale reicht vom Vibrations-Alarm am Handgelenk über Signaltöne bis hin zu Leuchtsignalen im Armaturenträger.
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Mehr noch: Die Integration von Wearables in Autos ist weitaus vielfältiger. Durch das Erfassen der Aufmerksamkeit des Fahrers sowie von Blutdruck, Blutzuckerspiegel, Puls und anderer Werte über ein tragbares Gerät kann der Fahrspurhalte-Assistent beispielsweise empfindlicher auf Abweichungen von der korrekten Fahrtrichtung reagieren, sobald die Smartwatch des Fahrers meldet, dass dieser in der vorigen Nacht nicht genügend Schlaf hatte.
Ein anderes Beispiel: Falls sich der Puls des Fahrers in dichtem Verkehr beschleunigt und ein Wearable dies erfasst, könnte ein System wie die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage automatisch eine größere Mindestdistanz zum vorausfahrenden Auto halten. Da klingt es nüchtern und selbstverständlich, dass Autofahrer künftig ihren Ford auf Wunsch per Smartphone oder Smartwatch-App starten, ver- und entriegeln sowie zuverlässig lokalisieren können.
Dazu entwickelt Ford zahlreiche neue Apps, die das automobile Leben deutlich erleichtern. Die App „Painless Parking“ (zu Deutsch schmerzfreies Parken) zeigt an, ob das Auto legal geparkt wurde und nicht in einem Parkverbot steht. Sollte das Fahrzeug falsch geparkt sein, führt die App den nächsten freien Parkplatz beim Ziel auf. Das macht auch die App „Parking Spotter“, bei der bereits heute in Ford-Modellen verbaute Sensoren freie Parkplätze beim Vorbefahren an eine Cloud übermitteln, auf die Parkplatzsuchende beziehungsweise deren Apps zurückgreifen können. Darüber hinaus finden Versuche statt, wie sich über die App beziehungsweise ein Smartphone Parkuhren bezahlen lassen. Eine Vielzahl weiterer Apps befindet sich bereits in der Entwicklung.
Denn sie wissen, was sie tun: Beschaffung neuester Technologien
Um die Entwicklungen neuester Technologien so intensiv wie möglich zu forcieren und sich extern innovative Ideen zu beschaffen, vertiefte Ford einerseits seine Beziehungen mit berühmten Top-Universitäten in Kalifornien, wie zum Beispiel in Berkeley, Carnegie Mellon, Santa Clara und San Jose State. Darüber hinaus weitet Ford seine strategische Zusammenarbeit mit der University of Stanford aus. Alleine für das kommende Jahr sind 13 Forschungsprojekte geplant.
Zusätzlich unterstützt Ford vielversprechende Start-ups, die zukunftsfähige Mobilitätslösungen entwickeln, um in den Bereichen Konnektivität, Mobilität, autonome Fahrzeuge, Kundenerlebnis sowie Daten und Analyse neue Maßstäbe zu setzen.