Alles kam anders, als erwartet: Die 82. Auflage des berühmten 24-Stunden-Rennens von Le Mans hätte nicht spannender sein können. Nicht die schnellen Toyotas gewannen, auch nicht Porsche bei seiner starken Rückkehr, sondern erneut Audi mit einem Doppelsieg, obwohl Audi nur von den Startplätzen 5, 6 und 7 ins Rennen ging. Für den 13. Le-Mans-Erfolg für die Marke mit den vier Ringen bei nur 16 Starts sorgten Marcel Fässler (Schweiz), André Lotterer (Deutschland) und Benoît Tréluyer (Frankreich) vor einer imposanten Kulisse von 263.300 Zuschauern - so viel wie seit 20 Jahren nicht mehr.
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LMP1: Der Beginn einer packenden Jagd
Die LMP1-Prototypen von Toyota und Porsche teilten sich die ersten beiden Startreihen. Nach turbulenten ersten Runden konnte sich der zunächst von Alexander Wurz gesteuerte Toyota TS040 Hybrid leicht absetzen. Dahinter kämpften die beiden Porsche 919 Hybrid und die drei Audi R18 e-tron quattro, als gälte es, ein Sprintrennen zu gewinnen, das die Zuschauer in Atem hielt.
Dann rollte einer der Porsche plötzlich langsam an die Box. Die Porsche-Mechaniker reparierten einen Defekt im Kraftstoffsystem. Kurz darauf gingen kurz hintereinander zwei derart heftige Regenschauer über etliche Teile der 13,629 Kilometer langen Strecke nieder, dass die Rennleitung die Safety Cars auf die Reise schickte. Zu spät für zwei Favoriten: Bei einer Kollision, in die auch ein Ferrari der „LMGTE Am“-Kategorie verwickelt war, wurde der Audi mit der Startnummer 3 aus dem Rennen gerissen und der Toyota mit der Nummer 8 so schwer beschädigt, dass er mehrere Runden an der Box verbrachte. Audi verlor ein Auto, konnte aber einen Gegner weniger verbuchen.
Gegen Abend schienen die Positionen bezogen und die Werksrennställe der LMP1-H-Klasse setzten nun immer öfter auf eine Reifenstrategie mit vier Stints. Das heißt, sie wechselten nur noch bei jedem vierten Tankstopp die Rennreifen von Michelin. Obwohl die Michelin-Pneus seit dieser Saison reglementbedingt schmaler ausfielen als im Vorjahr, ermöglichten sie auch über diese lange Distanz konstant schnelle Rundenzeiten. Möglichst wenige Reifenwechsel zu absolvieren, gilt gerade in Le Mans als wichtiger strategischer Vorteil, da nur jeweils zwei Mechaniker diese Arbeit vornehmen dürfen.
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Turbulent: Das Wechselspiel an der Spitze
Am frühen Morgen änderte sich die Situation an der Spitze mehrfach sensationell. Fast genau 14 Stunden lang lag der Toyota TS040 Hybrid von Alexander Wurz, Stéphane Sarrazin und Kazuki Nakajima an der Spitze. Gegen 5 Uhr rollte plötzlich der bis dahin souverän führende Toyota auf offener Strecke aus - das Motorsteuergerät geriet vermutlich durch einen Kurzschluss in der Elektrik in Brand. Die Führung erbten zwei Audis, die jedoch im Laufe des Morgens beide wegen eines Wechsels des Turboladers erst einmal zurückfielen.
Die Spitze übernahm nun völlig überraschend der Porsche mit der Nummer 20 von Timo Bernhard, Brendon Hartley und Mark Webber, während der später siegreiche Audi mit der Nummer 2 mit Riesenschritten aufholte. Kurz nach dem letzten Fahrerwechsel wurde Mark Webber im Porsche auf der Hunaudières-Geraden jedoch unerwartet langsamer und meldete aus dem Cockpit seltsame Motorgeräusche und lenkte den Hybrid-Prototypen an die Box, wo die Besatzung der Startnummer 20 mit Motorschaden aufgeben musste. Porsche war raus, zeigte dennoch eine starke Performance an der Spitze.
Audi erst nach 21 Stunden an der Spitze etabliert
Zwischenzeitlich gelang Audi die sehenswerte Aufholjagd zurück an die Spitze. Dabei fuhr André Lotterer mit 3.22,567 Minuten die schnellste Rennrunde. Mit dem im Feld zuverlässigsten Auto und den Missgeschicken der Gegner erzielte Audi schließlich einen Doppelsieg ein. Den zweiten Platz hinter den Siegern Marcel Fässler (Schweiz), André Lotterer (Deutschland) und Benoît Tréluyer (Frankreich) belegten die Audi-Piloten Lucas di Grassi (Brasilien), Marc Gené (Spanien) und Tom Kristensen (Dänemark). Das Podium komplettierte auf dem dritten Platz der schnelle Toyota mit den Fahrern Anthony Davidson (Großbritannien), Nicolas Lapierre (Frankreich) und Sébastien Buemi (Schweiz).
LMGTE Pro: Ferrari gewinnt den Thriller
Die Akteure der werksunterstützten „LMGTE Pro“-Kategorie produzierten erneut einen echten Thriller. Über die gesamte Renndauer lagen Porsche, Corvette, Aston Martin und Ferrari alle einmal in Führung und lieferten sich teilweise Duelle auf Biegen und Brechen. Den Sieg sicherte sich letztlich zum dritten Mal in Folge der Michelin bereifte AF Corse Ferrari 458 Italia GT2 von Gianmaria Bruni (Italien), Toni Vilander (Finnland) und Giancarlo Fisichella (Italien), der im Gesamtranking den 13. Platz belegte. Chevrolet feierte mit den Plätzen zwei und vier eine gelungene Wiederauferstehung mit der neuen Corvette C7. Dazwischen gelang dem Werks-Porsche 911 RSR mit der Nr. 92 noch der Sprung auf das Podest.