Mit einem neuen Konzeptfahrzeug untersucht DaimlerChrysler das große Potenzial der Bionik für die Automobilentwicklung und erzielt im Zusammenspiel mit zukunftsweisender Dieselmotorentechnik und einer neuartigen Abgasreinigung Bestleistungen beim Kraftstoffverbrauch und bei den Emissionen. Die Studie Mercedes-Benz Bionic Car feierte gestern anlässlich des diesjährigen DaimlerChrysler-Innovationssymposiums in Washington ihre Weltpremiere.
© Foto: Speed Heads
Erstmals suchten die Ingenieure des Mercedes-Benz Technology Centers und der DaimlerChrysler-Forschung beim Bionic Car in der Natur gezielt nach einem Vorbild, das nicht nur durch Details, sondern ganzheitlich in Form und Struktur den Vorstellungen von einem aerodynamischen, sicheren, komfortablen und umweltverträglichen Auto nahe kommt. Dieses Vorbild fanden sie im Kofferfisch.
Dieser Fisch, der in tropischen Gewässern lebt, hat trotz seines kantigen, würfelförmigen Rumpfes hervorragende Strömungseigenschaften und stellt deshalb ein aerodynamisches Ideal dar. Mit einem originalgetreuen Modellnachbau des Kofferfisches erzielten die Stuttgarter Ingenieure im Windkanal einen Luftwiderstandsbeiwert von nur cW 0,06.
Um dieses große Potenzial für die Automobilentwicklung zu nutzen, entwickelten die Fachleute von DaimlerChrysler zunächst ein Automodell im Maßstab 1:4, dessen Form weitgehend der des Kofferfisches entsprach. Mit diesem Tonmodell wurde bei Tests im Windkanal ein für die Automobiltechnik bislang einzigartiger Luftwiderstandsbeiwert von cW 0,095 gemessen. Das entspricht den Werten, die mit so genannten Stromlinienkörpern (cW 0,09) und anderen aerodynamischen Idealformen erzielt werden.
Die Erkenntnisse dieser Untersuchungen nutzte DaimlerChrysler bei der Entwicklung des Bionic Car, eines voll funktionstüchtigen, fahrbereiten Kompaktwagens von 4,24 Metern Länge. Er bietet Platz für vier Passagiere plus Gepäck. Mit einem cW-Wert von überragenden 0,19 zählt das Konzeptfahrzeug zu den strömungsgünstigsten Automobilen dieser Größenklasse.
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20 Prozent Kraftstoffersparnis und bis zu 80 Prozent weniger Stickoxide
Neben der perfekten Aerodynamik und einem aus der Natur abgeleiteten Leichtbaukonzept tragen auch der moderne Dieselmotor mit 103 kW/140 PS und die neuartige SCR-Technologie (Selective Catalytic Reduction) maßgeblich zur Kraftstoffeinsparung und zur weiteren Verringerung der Abgas-Emissionen bei. Im EU-Fahrzyklus verbraucht das Konzeptfahrzeug 4,3 Liter Kraftstoff je 100 Kilometer - das sind 20 Prozent weniger als ein vergleichbares Serienmodell. Nach US-Messverfahren (FTP 75) beträgt die Reichweite rund 70 Meilen pro Gallone (mpg, combined) und liegt um 30 Prozent über dem Wert eines Serienautomobils. Bei Konstantfahrt mit 90 km/h konsumiert der Direkteinspritzer 2,8 Liter Dieselkraftstoff je 100 Kilometer - das entspricht einer Reichweite von 84 Meilen pro Gallone im US-Testzyklus.
Die SCR-Technik erprobt DaimlerChrysler derzeit weltweit. Mit ihrer Hilfe und dem zusätzlichen Betriebsstoff „AdBlue“ lassen sich die Stickoxid-Emissionen des modernen Diesel-Direkteinspritzers um bis zu 80 Prozent verringern. Ziel der Erprobung ist es, Nachteile beim Kraftstoffverbrauch durch eine Optimierung der innermotorischen Verbrennungsprozesse zu vermeiden. Dabei profitieren die Mercedes-Pkw-Ingenieure von den Erfahrungen ihrer Kollegen aus dem Nutzfahrzeugbereich, wo die SCR-Technologie bereits erfolgreich eingesetzt wird. DaimlerChrysler will das große Potenzial dieses Verfahrens künftig auch für Diesel-Personenwagen nutzbar machen und strebt nach Abschluss der Erprobung an, die SCR-Technik zunächst in den USA anzubieten.
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„AdBlue“ ist eine wässrige Harnstofflösung, die je nach Motorbetrieb genau dosiert in die Abgasanlage eingespritzt wird. Sie ermöglicht die Umwandlung der Stickoxide in unschädlichen Stickstoff und Wasser. Der Vorratsbehälter für diesen Betriebsstoff befindet sich in der Reserveradmulde des Konzeptfahrzeugs. Seine Füllung reicht für eine Fahrstrecke, die dem Wartungsintervall eines modernen Mercedes-Dieselmodells entspricht. Zusätzlich ist die Auto-Studie Bionic Car mit einem wartungsfreien Diesel-Partikelfilter ausgestattet.
Hohe Steifigkeit und geringes Gewicht nach dem Wachstumsprinzip der Natur
Der Kofferfisch, das aerodynamische Vorbild des Konzeptfahrzeugs, ist auch ein Musterbeispiel für Steifigkeit und Leichtbau. Seine Außenhaut besteht aus einer Vielzahl sechseckiger Knochenplatten, die so gewachsen sind, dass sie bei minimalem Gewicht ein Höchstmaß an Festigkeit bieten und das Lebewesen wirksam vor Verletzungen schützen.
DaimlerChrysler-Forscher untersuchten diese bionische Struktur untersucht und übertrugen ihr Prinzip mithilfe einer speziellen Berechnungsmethode auf das Konzeptfahrzeug Mercedes-Benz Bionic Car. Dieses Verfahren basiert auf den Grundsätzen des Knochenwachstums. So lässt sich beispielsweise an der Außenhaut der Türen eine bis zu 40 Prozent höhere Steifigkeit als bei herkömmlichen Konstruktionen erzielen. Berechnet man die gesamte Rohbaustruktur nach dem bionischen Muster, sinkt das Gewicht bei unverändert guter Stabilität und Crashsicherheit um rund ein Drittel.