Audi RS7 rast ohne Fahrer über Hockenheimring

, 20.10.2014


Das ist wirklich beeindruckend: Beim Saisonfinale der DTM (Deutsche Tourenwagen Masters) fuhr ein Audi RS7 Piloted Driving Concept am 19. Oktober 2014 vor den Augen Tausender Zuschauer im Renntempo ganz ohne Fahrer über den Hockenheimring. Damit zeigt Audi, wie weit sie bereits die technischen Lösungen zum pilotierten bzw. autonomen Fahren vorantreiben konnten. Selbstredend, dass wir zusätzlich einen Ausblick auf die künftigen Serientechnologien werfen. Spannend wird es jedoch, wenn sich jemand in das System hackt und das Auto woanders hinsteuert.

So funktioniert das sportlichste pilotiert fahrende Auto der Welt

Eine Rundenzeit von nur knapp über zwei Minuten und eine Querbeschleunigung von bis zu 1,1 g sprechen für sich. Rennfahrer fahren mit einem Audi RS7 noch einen Tick schneller auf der Strecke, aber das 560 PS starke und bis zu 305 km/h schnelle Konzeptfahrzeug geht auf Nummer sicher und nimmt beispielsweise die Curbs nicht mit. Dennoch: der Audi RS7 Piloted Driving Concept sollte schneller als nahezu jeder Amateurfahrer sein.

Auf dem Hockenheimring fuhr der Audi RS7 Piloted Driving Concept zur Demonstration der Fähigkeiten eine saubere Rennlinie - mit Vollgas auf den Geraden, mit Vollbremsungen vor den Kurven, mit präzisem Einlenken und mit perfekt dosiertem Gaseinsatz am Kurvenausgang. Beim Abbremsen lagen die Kräfte über 1,3 g, in den Kurven kann die Querbeschleunigung bis zu 1,1 g betragen.

Das große fünftürige Coupé entspricht weitgehend dem Serienstand. Die elektromechanische Servolenkung, die Bremsen, die Drosselklappe und die Achtstufen-Tiptronic, welche die Kräfte auf den mechanischen Allradantrieb leitet, werden automatisiert angesteuert. Technologisch müssen beim pilotierten Fahren am physikalischen Limit zwei Schwerpunkte berücksichtigt werden: zum einen die hochpräzise Orientierung des Autos auf der Strecke und zum anderen die exakte Fahrzeugbeherrschung im Grenzbereich.

Für die Orientierung auf der Piste nutzt der Technikträger speziell korrigierte GPS-Signale. Diese zentimetergenauen Differenzial-GPS-Daten werden per WLAN nach dem Automotive-Standard und redundant per Hochfrequenzfunk ins Auto übertragen. Parallel dazu gleicht das System in Echtzeit 3D-Kamerabilder mit onboard-hinterlegten Bildinformationen ab. Dabei sucht das System in jedem der zahllosen Einzelbilder nach mehreren hundert bekannten Merkmalen, etwa nach Bebauungsmustern hinter der Strecke, die diese dann als zusätzliche Ortungsinformation nutzt.

Die Fahrzeugbeherrschung im Grenzbereich stellt eine weitere herausragende Eigenschaft des Audi RS7 Piloted Driving Concept dar. Die umfassende Onboard-Vernetzung, gekoppelt mit einer hochpräzisen Steuerung aller fahrrelevanten Aktoren, ermöglicht es, dass der Technikträger am physikalischen Grenzbereich fährt. Das pilotierte Fahren am Limit untersuchten die Audi-Ingenieure mit den Technikträgern auf mehreren tausend Testkilometern und auf verschiedenen Strecken intensiv.

Auch beim pilotierten Fahren erweist sich die Rennstrecke als härtestes Testfeld für die Serie. Die künftigen Systeme für die Serie müssen in kritischen Situationen hochpräzise und fehlerfrei arbeiten und deshalb in der Lage sein, die aktuelle Situation auch am physikalischen Limit richtig einzuschätzen. Die Audi-Ingenieure leiten aus diesem Testfeld verschiedene Erkenntnisse für die Serienentwicklung ab, wie zum Beispiel bei der Entwicklung von automatischen Ausweichfunktionen in kritischen Fahrsituationen.

Pilotiertes Fahren: Die künftigen Serientechnologien

Die Serien-Technologien zum pilotierten Fahren, die Audi gerade entwickelt, sollen noch in diesem Jahrzehnt in Autos zum Einsatz gelangen. Die neuen Systeme übernehmen dann das Fahren in bestimmten Situationen, wie zum Beispiel im Stau oder beim Einparken, um die Fahrt im Auto noch komfortabler und sicherer zu gestalten.

Pilotiertes Fahren im Stau: Der sogenannte „Staupilot“ entlastet Audi-Fahrer künftig im zäh fließenden Verkehr, indem er im Geschwindigkeitsbereich zwischen 0 und 60 km/h die Lenkarbeit abnimmt und darüber hinaus selbstständig beschleunigt und verzögert. Wenn der Staupilot seine Grenzen erreicht - etwa beim Auflösen des Staus oder beim Erreichen einer autobahnähnlichen Straße - fordert das System den Fahrer auf, erneut das Lenkrad zu übernehmen.

Eine wichtige Komponente der Sensorik stellt das Radarsystem dar, welches das Vorfeld des Autos in einem Bereich von 35 Grad und bis zu 250 Metern Entfernung erfasst. Eine Videokamera mit breitem Öffnungswinkel erkennt die Fahrbahnmarkierungen ebenso wie Fußgänger und Objekte, beispielsweise andere Fahrzeuge und Leitplanken. Bis zu 12 Ultraschall-Sensoren überwachen den Nahbereich rund um das Auto.

Neu im Portfolio der Sensoren ist der Laserscanner, der hochpräzise Daten bis zu 80 Metern Entfernung liefert. Seine Laserdiode sendet pro Sekunde fast 100.000 Infrarot-Lichtimpulse aus, die für das menschliche Auge unsichtbar sind. Auf sechs Ebenen deckt der Laserscanner einen Bereich von 145 Grad ab. Aus den Lichtreflexionen errechnet das Steuergerät ein Umgebungsprofil, das sowohl andere Fahrzeuge als auch Leitplanken abbildet.

Aufgrund seines breiten Öffnungswinkels erkennt der Laserscanner einscherende Fahrzeuge sehr früh und arbeitet sogar im Dunkeln ohne Einschränkung. Dabei kann der Scanner beliebige Objekte erkennen - auch solche, die ein gleichmäßiges Muster aufweisen, etwa Zäune, oder die keine sichtbare Struktur aufweisen, wie beispielsweise weiße Wände.

Pilotiertes Fahren für Parkvorgänge: Parkvorgänge in beengten Situationen sind unkomfortabel - in engen Parklücken oder Garagen kann der Fahrer oft nur noch mühsam ein- oder aussteigen. Mit dem System „Parkpilot“ von Audi lässt sich das Auto künftig bequem von außen mit dem Funkschlüssel oder Smartphone fernsteuern. Das System nutzt die selbe Sensorik wie der Staupilot und generiert darüber hinaus mit seinen vier Umgebungskameras weitere wichtige Umfeldinformationen.

Sobald die Umfeldsensorik eine geeignete Parklücke oder Garage erkennt, bietet der Parkpilot dem Fahrer die pilotierte Parkfunktion an. Wenn er jetzt aussteigt, muss er nur den Funkschlüssel oder den entsprechenden Button auf dem Smartphone gedrückt halten, um den Vorgang zu starten.

Das System stellt sicher, dass sich der Schlüssel in der Umgebung des Autos befindet. Sollte die Onboard-Sensorik während des pilotierten Parkens Hindernisse im Fahrkorridor erkennen, hält das Auto unvermittelt an. An seiner Parkposition angekommen, stellt es den Motor ab und verriegelt die Türen; der Fahrer erhält eine Bestätigungsmeldung. Das Ausparken aus der Garage oder der Parklücke erfolgt ebenso auf Tastendruck.

Das zentrale Fahrerassistenzsteuergerät (zFAS): Das Management der Fahrerassistenzsysteme von heute findet bislang meist in räumlich voneinander getrennten Steuergeräten statt. Im Gegensatz dazu verfolgt Audi den neuartigen Ansatz einer zentralen Domänenarchitektur. Alle verfügbaren Sensorinformationen kommen künftig in einem zentralen Steuergerät (zFAS) zusammen; es errechnet ein vollständiges Modell der Fahrzeugumgebung, das von allen Assistenzsystemen genutzt wird. Die künftigen Systeme für das pilotierte Fahren werden gleichermaßen auf diese redundant berechneten Informationen zurückgreifen.

Das zFAS-Board nutzt modernste Mehrkern-Prozessoren. In der Summe erzielen sie eine Rechenleistung, die der kompletten Elektronik-Architektur eines heutigen Audi A4 entspricht. Derzeit nimmt das neue Board etwa die Fläche eines Tablet-PC ein, doch der Platzbedarf wird weiter schrumpfen.

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