Jetzt geht es los: Volkswagen will sie alle putzen und mit dem VW ID. R auf der legendären Nürburgring-Nordschleife einen wichtigen Rundenrekord holen. Die aktuelle Rekordzeit ist bereits ziemlich beeindruckend. Doch genau diese Zeit will Volkswagen mit nur der Hälfte der Motorenleistung knacken und dazu sogar ein Statement setzen. Wir sahen den modifizierten VW ID. R bereits live und konnten einen Blick auf die Besonderheiten an Bord werfen. Mehr noch: Wer den VW ID. R bei Performance-Testfahrten in Action sehen möchte: Am 10. Mai 2019 hat Volkswagen dafür die Nordschleife exklusiv gebucht.
VW ID. R soll Rundenrekord auf Nordschleife mit 50 % weniger Leistung holen
Volkswagen will es wissen und sich auf der 20,832 Kilometer langen Nürburgring-Nordschleife den Rundenrekord für das schnellste Elektroauto holen. Wer auf dieser Rennstrecke eine Bestzeit setzt, genießt weltweit höchste Anerkennung, gilt die Nordschleife schließlich als schwierigste Rennstrecke der Welt und als extremer Test für Mensch und Maschine.
© Foto: Bodo Kräling, Volkswagen
Es versuchen sich immer wieder Autohersteller aus der ganzen Welt an den Rundenzeiten auf der Nordschleife - sei es für das schnellste straßenzugelassene Fahrzeug, dem schnellsten Fronttriebler, dem schnellsten SUV etc. Die Zeitnahme erfolgt in der Regel auf einer 20,6 Kilometer langen Distanz der Nürburgring-Nordschleife, da bei Rekordfahrten der Teil zwischen den beiden Anschlusstücken zur Grand Prix-Strecke entfällt; denn von dort aus beginnen die Hersteller.
Die Maschine von Volkswagen: der VW ID. R mit einer Systemleistung von 500 kW/680 PS. Der Fahrer: Romain Dumas aus Frankreich, der bereits vier Gesamtsiege beim berühmten 24-Stunden-Rennen auf der Nürburgring-Nordschleife holen konnte. Doch der aktuelle Rundenrekord für Elektroautos hat bereits länger Bestand: Der Brite Peter Dumbreck brauchte am 12. Mai 2017 mit dem NIO EP9 nur 6:45,900 Minuten für eine Runde. Allerdings besitzt der chinesische Elektro-Supersportwagen eine Systemleistung von 1000 kW/1360 PS, ergo doppelt so viel Power wie der VW ID. R. Volkswagen möchte nicht nur den Rundenrekord der Chinesen brechen, sondern auch zeigen, dass dies mit einer deutlich kleineren Antriebseinheit möglich ist.
Allzeit-Rekord von Pikes Peak auch auf der Nordschleife möglich?
Es war der pure Wahnsinn, als Romain Dumas mit dem VW I.D. R am 24. Juni 2018 beim legendären „Pikes Peak International Hill Climb“ in den USA den Berg auf der 19,99 Kilometer langen Renndistanz in nur 7.57,148 Minuten hochpreschte. Volkswagen wollte lediglich den Rekord für das schnellste Elektroauto brechen. Doch dann holte Romain Dumas die mit Abstand schnellste gemessene Zeit in der Geschichte von Pikes Peak, der als „Heiliger Gral“ unter den Bergrennen gilt.
Bei der Nürburgring-Nordschleife spricht Volkswagen auch nur vom Rekord für das schnellste Elektroauto, was eine starke Leistung wäre. Doch hat der VW ID. R eine Chance auf die schnellste, jemals gemessene Zeit auf der Nordschleife? Der Rekord liegt, losgelöst von einer Straßenzulassung und technischen Regularien, bei nur 5:19,546 Minuten, die der deutsche Timo Bernhard am 29. Juni 2018 in einem Porsche 919 Hybrid Evo aufstellte. Der für diesen Einsatz modifizierte Hybrid-Racer generierte eine Systemleistung von 853 kW/1160 PS.
© Foto: Bodo Kräling, Volkswagen
Ich vermute, dass der VW ID. R nicht an die Zeit von Porsche herankommen wird; denn Timo Bernhard und der Porsche gingen bei ihrer Rekordfahrt an die physikalischen Grenzen. Vorstellbar ist eine Zeit zwischen dem noch aktuellen Elektro-Rekord von NIO und dem Allzeit-Rekord von Porsche. Aber auch Romain Dumas und der extra auf seine Wünsche zugeschnittene VW ID. R sind für eine Überraschung gut.
Leistung VW ID. R: Mit 680 PS schneller als ein Formel-1-Rennwagen
Der Antrieb des modifizierten VW ID. R besitzt die gleichen Leistungsdaten wie in Pikes Peak: zwei separate Elektromotoren an Vorder- und Hinterachse ermöglichen einen Allradantrieb und generieren zusammen eine Systemleistung von 500 kW/680 PS. Die tatsächliche Leistungsabgabe wird je nach Situation auf der Rennstrecke elektronisch gesteuert, damit der Rennwagen ein ideales, neutrales Fahrverhalten erreicht.
Das maximale Drehmoment von 650 Nm liegt, wie bei Elektromotoren üblich, aus dem Stand an und sorgt für eine atemberaubende Beschleunigung. In nur 2,25 Sekunden sprintet der VW I.D. R von 0 auf 100 km/h. Das ist schneller als ein Formel-1-Rennwagen, der ca. 2,6 Sekunden benötigt. Die Rennwagen in der Formel E kommen auf etwa 2,9 Sekunden. Inklusive Fahrer wiegt der VW ID. R weniger als 1.100 Kilogramm
Doch es gibt auch Unterschiede beim Elektroantrieb: Die Macher steigerten die Effizienz für den E-Rundenrekord auf der Nordschleife deutlich. Dafür entwickelte Volkswagen ein speziell angepasstes Energie-Management.
© Foto: Bodo Kräling, Volkswagen
VW ID. R konsequent weiterentwickelt: Wie Kurven zu einer Geraden werden
Die Nordschleife besitzt zwar eine nahezu identische Länge wie die Bergrennstrecke am Pikes Peak, stellt jedoch mit ihrer Streckencharakteristik eine ganz andere Herausforderung dar: mehr und größere Bodenwellen als andere Rennstrecken, der schnelle Wechsel von Kurven und Vollgaspassagen etc. Auch Romain Dumas muss sich neu einstellen, da sich mit dem VW ID. R durch den hohen Abtrieb etliche Kurven fast so schnell wie eine Gerade fahren lassen. In der Folge gibt es mit dem ID. R neue Bremspunkte und eine andere Linie als bei einem herkömmlichen GT-Rennwagen.
Allerdings kommt es auf der Nordschleife nicht primär auf den Anpressdruck an, sondern noch stärker auf einen geringen Luftwiderstand für eine möglichst effiziente Nutzung der Batterieladung. Neben einem geänderten Unterboden, neuen Spoilern an der Fahrzeugfront und einem größeren Diffusor erhielt der VW ID. R daher einen neu gestalteten Heckflügel. Um dem Fahrtwind weniger Angriffsfläche zu bieten, fällt der Heckflügel deutlich niedriger als die am Pikes Peak verwendete Variante aus - und erzeugt dennoch in mittelschnellen Kurven einen immens hohen Anpressdruck. Selbstverständlich müssen die Macher ebenfalls die Stoßdämpfer und die Bodenfreiheit an die Eigenheiten der Nordschleife anpassen.
Technologie aus der Formel 1 sorgt für mehr Speed und spart Energie
Um den Luftwiderstand abschnittsweise weiter zu reduzieren, weist der Heckflügel eine aus der Formel 1 bekannte Technologie auf: das sogenannte Drag-Reduction-System (DRS), bei dem eine Hydraulik auf Knopfdruck den Flügel so verstellt, dass der Luftwiderstand um 20 Prozent sinkt. In der Formel 1 wird DRS genutzt, um mit höherer Endgeschwindigkeit das Überholen zu erleichtern. Bei der Solo-Fahrt des VW ID. R wird das umklappbare Element des Heckflügels dagegen ausschließlich dafür genutzt, die vorhandenen Energiereserven zu schonen.
Auf der Nordschleife gelangt DRS 10 Mal zum Einsatz. Besondere Bedeutung hat DRS, wenn der VW ID. R die „Döttinger Höhe“ erreicht, die knapp drei Kilometer lange Gerade am Ende einer Runde auf der Nordschleife. Mit aktiviertem DRS wird weniger Energie benötigt, um das Maximaltempo über die gesamte „Döttinger Höhe“ zu halten. Zudem erreicht der ID. R mit DRS seine Höchstgeschwindigkeit schneller und mit geringerem Energieaufwand.
© Foto: Niclas von Glahn, Volkswagen
Romain Dumas kann ferner nicht überall so schnell fahren wie der VW ID. R könnte, um mit den vorhandenen Energiereserven hauszuhalten. In der Spitze soll der Elektro-Rennwagen daher nur 270 km/h erreichen. Zum Vergleich: Der Porsche 919 Hybrid Evo erzielte bei seiner Rekordrunde auf der „Döttinger Höhe“ eine Spitze von 369,4 km/h. Wer jetzt an größere Akkus für den VW ID. R denkt: Daraus würde mehr Gewicht und in der Folge weniger Tempo resultieren.
Der Countdown läuft! Es wird spannend, welche Zeit der VW ID. R in die Nordschleife brennen wird.