Die geheimen Pläne der Autoindustrie: Ein Blick hinter die Kulissen

, 09.06.2010

Wir alle sind neugierig und immer wieder gespannt darauf, welche neuen Modelle die Autoindustrie plant und wie diese aussehen könnten. Eine Handvoll Designer setzt die geheimen Pläne mit Hilfe von heißen Insiderinformationen vorab in spannende und detailgetreue Bilder um, die deutlich vor den ersten Präsentationen erscheinen. Beeindruckend, dass die bekanntesten Designer, wie z. B. Bernhard Reichel oder Christian Schulte, so früh schon derart genaue Bilder erstellen, wohingegen der Laie oft noch gar nichts von dem Automodell oder einem Facelift hörte und dann später das Fahrzeug tatsächlich fast wie auf dem frühen Entwurf aussieht.

Lamborghini Gallardo Spider

Viele fragen sich daher: Wie machen das die Designer? Wie kommen sie an die Informationen heran? Willkommen in einer Welt, die mit ein paar Geheimnissen lebt, die von der Branche geteilt, aber wohl behütet werden. Wir durften dem Österreicher Bernhard Reichel etwas über die Schulter gucken und können so den Lesern von Speed Heads einen exklusiven Blick hinter die Kulissen gewähren.

Das Kapital der Arbeit besteht aus geheimen Informationsquellen und dem Können am virtuellen Zeichenbrett. So machte sich Bernhard Reichel in der Branche mit qualitativ hochwertigen und detailgetreuen Arbeiten einen Namen. Die Autos werden von ihm nicht so illustriert wie man sie selbst am liebsten sehen würde, sondern so, wie sie vom Hersteller geplant sind. Und genau dazu bedarf es einiges Fingerspitzengefühl.

Jaguar XK Coupé

Mittlerweile beschäftigt sich der junge Grafiker seit 10 Jahren mit Design und seit fast vier Jahren ist dies seine hauptberufliche Tätigkeit. Eines der Schlüsselerlebnisse zum heutigen Beruf war sicherlich das Porsche 944 S2 Cabrio der Nachbarn, das mit seinen Linien Reichels starkes Interesse für Autos schon in jungen Jahren weckte. Durch sein Insiderwissen und die Passion hinsichtlich fotoechter, digitaler Bildbearbeitung sehen wir bereits heute die zukünftigen Automodelle, bevor sie auf einer Messe oder als Erlkönig auf der Straße zu sehen sind. Die Leidenschaft Reichels beim Design und der Erstellung von Details lassen die Illustrationen geradezu lebhaft wirken. Damit erarbeitete sich Bernhard Reichel auch die Anerkennung seiner zufriedenen Kunden, zu denen u. a. Speed Heads, AOL, die Autobild, Auto-News, Auto Express aus Großbritannien und weitere namhafte Magazine gehören, welche die Illustrationen des jungen Designers verwenden.

Was viele Autoenthusiasten vermuten und auch klar auf der Hand liegt, ist wahr: Die Designer erhalten ihr Insider-Wissen von Informanten aus der ganzen Welt. Da kann durchaus mal ein Anruf aus Japan kommen und mitteilen, dass ein Hersteller aus Fernost ein neues Modell plant und er dazu erste Details liefert. Durch diese Informanten und zusätzliche zeitaufwendige Recherchen erhalten die Designer ein nahezu genaues Bild des zukünftigen Modells. Es ist also nicht nur das Zeichnen; auch mit intensiven und kostenpflichtigen Nachforschungen muss sich ein Illustrator von zukünftigen Autos beschäftigen. So setzt sich Stück für Stück des Puzzles zusammen, besonders schwer, wenn noch kein Erlkönig auf der Straße gesichtet wurde.

Porsche 997 Turbo Cabrio

Liegen alle Informationen vor, beginnt Bernhard Reichel mit seiner Arbeit am Computer (derzeit Intel Pentium IV, 200 GB große Festplatte und für den professionellen Einsatz mit schnellster Technik eine leistungsstarke Radeon-Grafikarte von API). Um das gewünschte Ergebnis bei seinen Illustrationen zu erzielen, nutzt Reichel als Software das Grafikprogramm Corel Paint Shop Pro in der aktuellen Version.

Anhand eines sehr einfachen Beispiels möchte wir die Vorgehensweise grob erläutern, wie aus der Mercedes-Benz R-Klasse der Mercedes-Benz R 55 AMG wird. Dieses simple Beispiel zeigt einige Arbeitsschritte auf und eignet sich daher als erklärende Darstellung. Bei den meisten Illustrationen ist dazu allerdings deutlich mehr Feinarbeit notwendig.

Aus einer Standaufnahme der R-Klasse soll ein fahrendes Modell erstellt werden. Dazu wird die Hand eines Fahrers eingefügt:

Die sich drehenden Felgen sowie Teile des Unterbodens und Auspuffs erhält der R 55 AMG vom Mercedes SLK 55 AMG, da das AMG-Styling in der Regel von Modell zu Modell nur geringe Unterschiede aufweist, beim SLK am auffälligsten hervorsticht und sich somit sehr gut einarbeiten lässt:

Der blaue Hintergrund der Original-Vorlage mit der herkömmlichen Mercedes-Benz R-Klasse wird gelöscht und zuerst bei den Scheiben ein neuer Hintergrund eingefügt:

Im nächsten Schritt ersetzt Bernhard Reichel den gesamten Original-Hintergrund schrittweise durch eine neue Szenerie:

Zuletzt bearbeitet Reichel den Kontrast der Scheiben, um diesen einen „natürlichen“ Eindruck zu verleihen:

Am Ende sieht der Mercedes-Benz R 55 AMG - entstanden aus einem Bild der „normalen“ R-Klasse und nach mehreren Entwicklungsschritten – in unserem Beispiel wie folgt aus:

Das Auto für eine aussagekräftige Illustration zeichnet ein Designer selbstverständlich nicht komplett neu, sondern bedient sich dabei einiger Tricks. Deutlich wird dies bei einer Vorher-Nachher-Version vom Seat Toledo, aus dem die zukünftige Version des Seat Leon CC entstand.

Warum der Toledo? Dieses Fahrzeug besitzt eine fast identische Designlinie wie der Leon; beide basieren ferner auf der Golf-/Altea-Basis. Darüber hinaus gewährt die „gläserne“ Querschnittsversion ideale Einblicke in das Interieur-Design, die der Desginer ebenfalls für das Cabrio heranzieht.

Trotz dieser Vorlage ist es mit dem einfachen Wegschneiden des Daches nicht getan. Nach intensiven Recherchen erfährt Reichel, wie der Leon CC inklusiver Linienführungen etc. aussehen soll und fügt die Details ein, um die zukünftig offene Version des Leons zu vollenden. Da das Verdeck eines CC (Coupé-Cabrio) mehr Platz benötigt, erstellt der Designer am Heck einen größeren Überhang mit der entsprechenden Linie des Deckels. In weiteren Schritten wird aus den zwei Türen an der Seite eine längere Vordertür geschaffen und die Windschutzscheibe flacher gestellt. Um das Gesamtbild korrekt darzustellen, erhält das Fahrzeug die typischen Heckleuchten, den Frontspoiler und die Seitenspiegel vom Seat Leon.

Fahrzeuginsassen, ein natürlicher Hintergrund sowie Licht- und Schatteneffekte hauchen der Grafik letztlich Leben und Dynamik ein. Ohne Zeit und Kosten für Recherchen zu berücksichtigen, benötigte Bernhard Reichel für das Zeichnen des Seat Leon CC ca. 5 Stunden.

Durch ausgiebige Nachforschungen, die richtigen Informanten und sein Können am virtuellen Zeichenbrett, schafft es Bernhard Reichel immer wieder, deutlich vor dem offiziellen Erscheinen eines Autos die zukünftigen Modelle zu enttarnen und zur Freude der Betrachter oftmals detailgetreu zu illustrieren.

Zum Abschluss einige Arbeiten Reichels und darunter im Vergleich Fotos, welche die späteren Originale zeigen:

Alfa Romeo Brera

Mitsubishi Colt CC

BMW 3er

Ford Focus ST

Lancia Ypsilon Zagato

Weiterführende Links:

Offizielle Webseite von Reichel CarDesign

Galerie Auto-Zukunft bei Speed Heads mit weiteren Bildern

6 Kommentare > Kommentar schreiben

09.06.2005

Sehr interessant! Gute Reportage! :applaus:

09.06.2005

Ein dickes Lob von mir !! :applaus: Ihr habt echt super Arbeit geleistet, das Special ist absolut lesenswert und man erfährt interessante Sachen über die Arbeit der Designer (speziell Bernhard Reichel), z.B. hat mich persönlich doch sehr gewundert das Corel Paint Shop Pro benutzt wird und nicht der so bekannte Photoshop von Adobe. :D. :applaus:

09.06.2005

Ich denke da steckt ne Menge wissen und Arbeit drinne. Eine sehr gelungener Beitrag.

09.06.2005

Meine Anerkennung! Hier wurde ein wirklich tolles topic ausführlich erläutert und erklärt! :applaus: :applaus: :applaus:

12.06.2005

:applaus: Sehr nette Bericht! Tolle Sache, dem Herrn Reichel mal ein wenig über die Schulter zu schauen, auch wenn für mich jetzt kein grosser Aha-effekt aufkam, da ich mir die meisten Schritte doch schon denken konnte. Mich würde immer noch mehr die kleine Detailarbeit interessieren. Die Schatten- und Lichteffekte und sowas. Auch mich wunderte auch ein wenig der Einsatz von PaintShop und nicht Photoshop.

12.06.2005

Erst einmal vielen Dank für das große Lob für dieses Special, in das wir sehr viel Zeit investierten. Warum Bernhard Reichel Corel Paint Shop Pro einsetzt und nicht den Photo Shop? Grundsätzlich ist Reichel die Programmoberfläche bei Paint Shop Pro "sympatischer". Man muss bei Paint Shop Pro zwar einige Dinge selbst machen, die bei Photo Shop mit einem Klick erledigt wären, aber Bernhard Reichel hat sehr viel Spaß an seiner Arbeit und macht es dann auch gerne manuell.


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