Wofür andere Autohersteller 100 Jahre Zeit benötigten, das schaffte Hyundai in nur knapp 50 Jahren: der rasante, aber auch clevere Aufstieg zu einem der größten Automobilhersteller der Welt, der mächtiger ist, als viele sich vorstellen. Umso interessanter, die Schlüsselaspekte für den Erfolg zu durchleuchten, die von einer extremen Autonomie bis zur geheimen Forschung und Entwicklung reichen. Alle Zeichen stehen auf Expansion; denn Hyundai hat noch viel vor und fordert unter anderem Volkswagen heraus.
© Foto: Hyundai
Mystisch wie der Turbo-Aufstieg wirkt das Hyundai-Stahlwerk
Alles im Zeichen der Unabhängigkeit
1967 gegründet, baute die Hyundai Motor Company anfangs nur einen Lizenzbau des Ford Cortina, der britischen Variante des Ford Taunus. Schnell begannen die Südkoreaner mit der Entwicklung des ersten eigenen Autos, dem Hyundai Pony, der 1975 seine Weltpremiere auf dem Turiner Autosalon feierte. Bereits in den 1980er-Jahren folgten weitere Modelle sowie der Eintritt in den US-Markt und 1991 der erste eigene Motor. Möglichst alles packt Hyundai selbst an, investiert viel in Forschung, Entwicklung und Produktion - ist dafür aber unabhängig, flexibel und kann schnell auf Marktänderungen reagieren. Hyundai schaute sich genau an, was andere Unternehmen erfolgreich machte und tat es dann besser.
Wir befinden uns vor Ort in Südkorea, dem Herzen von Hyundai. Auffallend: Die Produktionsstätte „Asan“ in Chungnam, wo unter anderem der Sonata hergestellt wird, wirkt so sauber, als ob für den Besuch alles frisch gebohnert wurde. Doch es handelt sich nicht um eine Edel-Manufaktur, sondern um eine Großserienproduktion, eine Fabrik. Derweil liegt der Geruch von Schweißarbeiten in der Luft, während überall ein emsiges Treiben von Arbeit zu hören ist. Die Roboter arbeiten eifrig und mühsam, um die einzelnen Komponenten zu einem kompletten Auto zusammenzusetzen.
Während sich ein Roboter eine Motorhaube greift, der andere diese befestigt, hebt der nächste Roboter diese bereits für die folgenden Arbeitsschritte an. Nur noch wenige Vorgänge werden von Menschen ausgeführt. Für die Kontrolle sorgen Roboter, die alles penibel überprüfen. Sollte etwas nicht stimmen, greifen nach einem „Alarm“ sofort Ingenieure ein.
Hier wird etwas deutlich: Sämtliche Roboter stammen von Hyundai, das heißt hier betrieben die Macher sogar außerhalb der Autos einen immensen Aufwand in Forschung und Entwicklung, um unabhängig zu sein. Während europäische Hersteller zahlreiche Komponenten von Zulieferern erwerben, produziert Hyundai die meisten Teile selbst. Auf der Suche nach Fremdprodukten, fällt eine Batterie von einem Drittanbieter auf, die sich gerade ein Hyundai-Roboter schnappt, um diese in einem Auto auf der Produktionsstraße einzubauen.
Da scheppert nix: Vom Konkurrenten geadelt
Am Ende der Produktionsstraße, die Sitze in Folie eingepackt, wartet bereits ein Hyundai-Mitarbeiter auf das Auto, steigt ein, startet das Fahrzeug und fährt direkt auf die hauseigene 3,2 Kilometer lange Teststrecke mit unterschiedlichen Fahrbahnbelägen, um das Auto zu prüfen und gegebenenfalls nachbessern zu lassen. Wenn das Fahrzeug ein Werk verlässt, muss es perfekt sein.
© Foto: Hyundai
Von der Produktion direkt auf die Testtrecke
Wie sagte verblüfft der detailverliebte Volkswagen-Boss Prof. Dr. Martin Winterkorn, begleitet von einem Tross hochrangiger Mitarbeiter, beim Inspizieren des Golf-Gegners Hyundai i30 auf der Frankfurter IAA 2011, was durch ein YouTube-Video bekannt wurde: „Da scheppert nix!“ Als die Lenkradverstellung perfekt und besonders leise einrastet, kommentierte es Winterkorn fast frustriert: „Warum kann‘s der? BMW kann‘s nicht, wir können‘s nicht! Warum können’s die?“ Das war ganz großes Autokino vom direkten Konkurrenten - für Hyundai eine unbezahlbare Werbung.
Diese Details zeigen, wie hoch der Qualitätsstandard von Hyundai bei der Verarbeitung ist und sich auf dem Level von deutschen Herstellern befindet. Noch in den 1990er-Jahren zeigte Hyundai große Qualitätsmängel, da die Asiaten ihren Focus auf Volumen setzten und ihre Autos über den Preis verkauften. Doch das Problem des Mangels erkannten die Macher schnell und es folgte eine strikte, auf den jeweiligen Markt zugeschnittene Qualitätsoffensive, um den Umbruch einzuleiten.
Armaturenbrett, Konsole, Kunststoffe, Sitze und Polster - dies befindet sich heute bei Hyundai bis ins Detail auf einem hohen Niveau, sieht gut aus und fühlt sich dank der durchdachten Marerialauswahl ebenso beim Anfassen gut an. Dazu gelangen selbst entwickelte, moderne wie auch sparsame Motoren zum Einsatz - all das zu einem attraktiven Preis.
Sogar den Stahl produziert Hyundai über seine Tochter „Hysco“ selbst - nicht weniger als rund 20 Millionen Tonnen jährlich, die nicht nur für die eigenen Autos, sondern ebenso für Nutzfahrzeuge und Schiffe aus eigener Produktion benötigt werden. Da Hyundai als weltweit einziger Autohersteller seinen Stahl selbst produziert, können die Südkoreaner nach eigenen Bedürfnissen und Anforderungen den Stahl auslegen, aber gleichzeitig die Entwicklung entsprechend vorantreiben, wie zum Beispiel im Automobilbau eine möglichst hohe Festigkeit und zugleich ein geringes Gewicht für einen geringen Spritverbrauch erzielen.
Mit Ehrgeiz und Bildung zu Höchstleistungen
Die disziplinierten Mitarbeiter unterwerfen sich dem Wohl des Unternehmens und treiben sich mit ihrer Mentalität und eisernem Ehrgeiz zu Höchstleistungen an. Eine 60-Stunden-Woche gilt in Südkorea als Normalfall. Auffällig ist bei Hyundai, dass in den Büros augenscheinlich alle Mitarbeiter höchstqualifiziert sind und ein sehr gutes Englisch sprechen. Nicht ohne Grund: Hyundai möchte die Weltmärkte weiter erobern. Oftmals geben die Eltern daher ein Vermögen aus, damit ihre Kinder in den USA an einer bekannten Universität studieren können; denn Bildung stellt einen entscheidenden Baustein bei Südkoreas Aufstieg und ebenfalls dem von Hyundai dar. Bereits im Kindergarten- und Schulalter wird von morgens bis abends gelernt.