Die Macher spielen für Ford eine große Rolle: M-Sport zeichnet für die Rallye-Erfolge von Ford verantwortlich - vom Aufbau der Fahrzeuge über die technische Entwicklung bis hin zur Betreuung der Teams und Fahrer sowie die weltweite Logistik für die zahlreichen Veranstaltungen rund um den Globus. Neben dem offiziellen Werksteam betreut M-Sport auch ein eigenes Team in der Rallye-Weltmeisterschaft. Dazu kommen Ford-Teams bei nationalen Rallyes, die ebenfalls eifrig Titel sammeln und für die Nachwuchsförderung stehen. Alle fünf Rallye-Varianten des Fiestas sind Entwicklungen von M-Sport.
© Foto: C. Brinkmann, Speed Heads
Hinter M-Sport steht kein Geringerer als Malcolm Wilson, der von 1977 bis 1995 aktiv in der Rallye-Weltmeisterschaft mitfuhr und unter anderem mit Ford die britische Rallye-Meisterschaft gewinnen konnte. Wilson gründete 1979 M-Sport und agiert heute darüber hinaus als Teamchef des Ford-Werksteams. Heute arbeiten bei M-Sport in Cockermouth über 200 feste Mitarbeiter.
Riesig, genau genommen 5.575 Quadratmeter, sind alleine die Werkstatt und der finale Bereitstellungsraum für die Rallye-Fahrzeuge. Dazu kommen ein großes Lager mit Millionenwerten und etliche Entwicklungsabteilungen, die auf zwei Etagen verteilt sind. Ein Vergleich soll die Dimensionen der Werkstatt verdeutlichen: Ein Spielfeld im American Football misst 5.400 Quadratmeter, ein normaler Fußballplatz 7.350 Quadratmeter. Nicht weniger als 22 Rallye-Fahrzeuge lassen sich bei M-Sport unterbringen. Diese Einrichtung ist größer als die mehrerer Formel-1-Teams. Wilson, der auf dem Boden geblieben ist und sehr sympathisch auftritt, baute all das mit eigenen finanziellen Mitteln auf.
Für das Training und die Tests seiner Fahrer besitzt Malcom Wilson in der Nähe von Cockermouth mit dem „Greystoke Forest“ außerdem ein riesiges Waldgebiet, das sechs verschiedene Streckenvarianten ermöglicht und bereits bei der britischen Rallye für eine Wertungsprüfung genutzt wurde. Allerdings darf M-Sport gemäß der Lärmschutzbestimmungen nur 26 Tage im Jahr hier fahren. Ansonsten erfolgen Fahrten abseits der Wettbewerbe auf abgesperrten Straßen oder im Vorfeld von WRC-Rallyes, wo sich diverse Strecken anmieten lassen.
Extreme Härtetests bis ins Blut
Bei jedem Rennen werden die Kompetenz von M-Sport und die technischen Bauteile einem extremen Härtetest unterzogen. Nicht nur die Fahrer müssen kontinuierlich ihre Professionalität abrufen, sondern ebenfalls die Mitarbeiter im Hintergrund. Es ist kaum vorstellbar, wie akribisch und aufwändig M-Sport hier vorangeht, um als offizielles Rallye-Team von Ford die Erfolge einzufahren.
© Foto: C. Brinkmann, Speed Heads
Nach jeder Rallye werden die Autos auseinandergebaut und penibel überprüft. Sollte eine Komponente, selbst eine Schraube, einen Defekt aufweisen, kann M-Sport zu jedem Bauteil das Produktionsdatum und den Fabrikationsort abrufen. Neue Bauteile von Zulieferern testen die Macher im Zusammenspiel mit bewährten Komponenten vorab ausgiebig. Sollte irgendeine Komponente an einem zugelieferten Produkt nicht den gewünschten Effekt erzielen, verbesserungswürdig oder zu schwer sein, nimmt M-Sport die Entwicklung einer Ersatzkomponente selbst in die Hand - egal, ob aus Carbon, Titan oder Aluminium.
Die Zuverlässigkeit und Funktionalität spielt bei Rallyes eine besonders wichtige Rolle. Daher werden beispielsweise an die Elektronik angebundene Komponenten vor jeder Rallye mindestens drei Mal in intensiven Prüfverfahren ausgiebig getestet. Bei den weltweiten Rallyes kommen Einsätze mit hohen Außentemperaturen vor, denen die Kabel standhalten müssen, ohne zu schmelzen.
M-Sport vermag unterschiedlichste Renneinsätze, Klimabedingungen etc. simulieren und besitzt 250 Kanäle zur Auswertung, die ebenso die Öltemperatur, den Bremsdruck und vieles mehr umfasst, damit alle Teile harmonisch miteinander funktionieren und damit ein Auto noch schneller machen. Nach jeder Rallye nimmt M-Sport die Turbolader auseinander und prüft, welcher am besten funktioniert, um diesen dann für den nächsten Renneinsatz zu wählen. Eine wesentliche Rolle bei den Tests nimmt ebenfalls das Getriebe ein: Es muss nicht nur leicht und schnell sein, sondern gleichzeitig standhaft, da das Reglement nur ein einziges Ersatzgetriebe pro Rallye erlaubt.
Motoröl ist wie Blut und wird daher ebenfalls nach jeder Rallye genauen Prüfungen unterzogen. So lässt sich aus den Ergebnissen ablesen, ob beispielsweise der Motor reibungslos funktionierte. Aus dem Motoröl lässt sich vieles erkennen wie bei einem kranken Menschen der Bluttest. Schließlich soll bei M-Sport der aufgeladene Vierzylinder-Motor trotz der extremen Einsätze 1.600 Kilometer halten.
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Mit bis zu 22 Trucks und 200 Mitarbeitern auf Tour
Das gesamte Team von M-Sport - immerhin rund 230 Mitarbeiter - muss für den Erfolg einwandfrei funktionieren. Jeder Mitarbeiter trägt dazu seinen Teil bei. Bei einem Weltmeisterschaftslauf, wie zum Beispiel der Rallye Deutschland, sind bis zu 22 Trucks und etwa 200 Mitarbeiter vor Ort im Einsatz. Nicht nur Material und Equipment für die Fahrzeuge, der Kommandostand, das Zubehör für das Erscheinungsbild der Boxen und des Servicebereiches werden transportiert, sondern auch Aggregate, Zelte, Verpflegung und vieles mehr
Ist eine Rallye abgeschlossen, beginnen ohne Verzögerung die Vorbereitungen für den nächsten Wettkampf. Um so viel Ausrüstung zu planen, zu verladen und zu transportieren, bedarf es einer hohen logistischen Leistung. Jedes Teil muss sich vor Ort mit nur einem Griff finden lassen. Von jedem Ersatzteil bringt M-Sport darüber hinaus immer mindestens zwei Exemplare mit auf die Tour, um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein und seine Fahrer bestens zu unterstützen. Damit besitzt jedes Mitglied des Teams seinen Anteil an den Siegen und dem Ruhm des Rallye-Teams von Ford. Und in einem Raum des Anwesens stehen sie: zahlreiche blitzende Pokale zeugen von den vielen Erfolgen.
Emotionale Überraschung für den fliegenden Finnen
Emotional berührt ist Jari-Matti Latvala am Abend: Im kleinen Privatmuseum von M-Sport, das selbst der erfolgreiche Finne anscheinend selten zu Gesicht bekommt, steht der Ford Focus RS WRC, mit dem er und sein Co-Pilot Miikka Anttila die Vize-Weltmeisterschaft 2010 holten. Ein großes Lachen im Gesicht und sichtlich stolz, wusste Jari-Matti Latvala nicht, dass sein ehemaliger Rennwagen diesen Ehrenplatz bei M-Sport in einer achtungsgebietenden Gesellschaft erhielt, darunter der Ford Escort RS1800 des Schweden Björn Waldegård, der 1979 die Rallye-Weltmeisterschaft gewann, und der Ford Escort RS Cosworth, mit dem der Franzose François Delecour 1993 die Vize-Weltmeisterschaft in der Königsklasse des Rallye-Sports gewann.
Jetzt liegt es unter anderem am sympathischen Jari-Matti Latvala und seinem Team-Kollegen Petter Solberg, dem Rallye-Team von Ford in der Königsklasse weitere glorreiche Erfolge hinzuzufügen. Mir persönlich gab der Blick hinter die Kulissen von M-Sport und die atemberaubende Mitfahrt im Renntempo bei Jari-Matti Latvala einen beeindruckenden Einblick in die Welt des Rallye-Sports. Was die Fahrer und Teams im Hintergrund leisten, verdient hohen Respekt - und der gilt jedem Rallye-Fahrer und jedem Team.
Speed0r
20.08.2012
Durfte auch mal in nem Rallyauto mitfahren. Zwar nicht gleich mit nem WRC-Fahrer, aber die Eindrücke waren ähnlich. Hut ab!