Jetzt betrifft es die Reifen mehr denn je: die Elektromobilität. Selbstverständlich lassen sich Elektroautos und Plug-in-Hybride mit herkömmlichen Reifen bestücken. Doch speziell für elektrifizierte Autos entwickelte Reifen bieten große Vorteile, sind unter anderem leiser und erhöhen die Reichweite. Bei Pirelli befinden sich sogar Performance-Reifen für E-Sportwagen in der Entwicklung, die nochmals höhere Anforderungen erfüllen müssen. Was genau zu beachten ist, zeigt ein Blick in die Forschung & Entwicklung von Pirelli im italienischen Mailand.
Der Simulator von Pirelli: So funktioniert die beschleunigte Entwicklung von Reifen
In einem großen, abgedunkelten Raum sitzt ein Pirelli-Mitarbeiter in einem echten Sportwagen und fährt diesen auf einer virtuellen Rennstrecke durch eine von Computern generierten Landschaft. Der Bildschirm ist gewaltig, zieht sich vom Boden hoch Richtung Decke und in einem riesigen Bogen weit um das Auto herum. Genau genommen handelt es sich um einen umlaufenden 210-Grad-Panoramaschirm mit einem Durchmesser von 7,5 Metern. Für einen Gamer dürfte dies der absolute Traum sein.
© Foto: Pirelli
Im Vergleich zu herkömmlichen Entwicklungsmethoden ermöglicht es der Simulator von Pirelli, ein virtuelles Modell eines beliebigen Autos mit verschiedenen technischen Spezifikationen schnell in das System einzuprogrammieren. Sodann lassen sich Reifen-Prototypen auf verschiedenen Straßen und Rennstrecken bei unterschiedlichen Fahrbedingungen und vielem mehr genauestens auf ihre maßgeblichen Eigenschaften testen. Laut Pirelli weicht der Simulator nur 3 Prozent von der Realität ab. Erst die letzten 5 bis 10 Prozent der Reifenentwicklung finden auf einer echten Versuchsstrecke statt.
Diese Merkmale besitzen gute Reifen
Der von Pirelli betriebene Aufwand ist groß, aber für einen hochwertigen Reifen ausschlaggebend. In hohem Maß hängen Bremsweg, Traktion und Stabilität von der richtigen Gummimischung ab, während die Karkasse, quasi das stützende Skelett und das zentrale Gerüst des Reifens, für Stabilität, eine gleichmäßige Abnutzung der Laufflächen und für verbesserte Lenkreaktionen sorgt.
Von grundlegender Bedeutung ist außerdem ein ausgeklügeltes Laufflächendesign mit den Rillen und Lamellen im Reifen, die insbesondere die Brems- und Traktionsleistung optimieren, eine schnellere Wasserabführung ermöglichen und damit bei Nässe für Sicherheit und Kontrolle sorgen. Darüber hinaus reduziert das Laufflächendesign die Geräusche im Innenraum, um den Fahrkomfort zu erhöhen.
© Foto: Pirelli
Reifen für Elektroautos: Komplexe Herausforderung - die Erfolgsformel von Pirelli
Für die Reifen von Elektroautos und Plug-in-Hybride sind umfangreiche Anpassungen erforderlich; denn diese Fahrzeuge wiegen durch den Akku deutlich mehr, so dass mit herkömmlichen Reifen der Bremsweg länger ausfällt und die Reifen stärker beansprucht werden, was in einem höheren Verschleiß mündet. Das hohe Gewicht belastet zudem die Reifen beim Beschleunigen und in Kurven derart enorm, dass die Reifenstruktur für E-Autos noch belastbarer sein muss. In der Folge ist es zudem erforderlich, die Karkasse zu verstärken sowie die Größe, die Anzahl und die Position der inneren Stahlgürtel neu auszurichten.
Mehr noch: Elektromotoren besitzen ein hohes und vor allen Dingen sofort anliegendes Drehmoment, was in einer plötzlichen, starken Beschleunigung mündet. Ein spezieller Reifen für Elektroautos muss daher maximal haften und sich sofort im Asphalt festkrallen, ohne frühzeitig zu verschleißen.
Einer der wichtigsten Faktoren bei Reifen für Elektroautos und Plug-in-Hybride stellt ein geringer Rollwiderstand dar, der dazu beiträgt, die Reichweite zu maximieren und gleichzeitig die Geräusche zu reduzieren. Da die rein elektrische Fahrt angenehm leise ist, dürfen Reifen nicht durch ein lautes Abrollgeräusch stören. Um das zu bewerkstelligen, werden Reifen-Prototypen bei Pirelli in einem schalldichten Sound-Labor intensiv unter die Fittiche genommen, um die Abrollgeräusche in einem Simulator unter verschiedensten Kriterien zu minimieren. Das reicht von unterschiedlichen Straßenoberflächen bis hin zu sich differenzierenden Fahrzeuggewichten. Zahlreiche Mikrofone sorgen im Sound-Labor dafür, dass den Pirelli-Entwicklern das kleinste Geräusch nicht entgeht. Pirelli simuliert darüber hinaus alle möglichen Fahrmanöver mit verschiedenen Reifendrücken.
© Foto: Hendryk Meyer, Speed Heads
Qualitativ hochwertige Reifen wie die von Pirelli werden zudem bei der Entwicklung aufwändigen Sicherheitstests unterzogen. Schließlich stellen bei einem Auto die Reifen die einzige Verbindung zum Asphalt her und müssen, zum Beispiel bei einem Elektroauto, rund 2 Tonnen oder mehr schnell zum Stehen bringen. So kann eine Maschine bei Pirelli die Reifen bis zu 500 km/h beschleunigen, die anschließend selbst auf kleinste, mit dem bloßen Auge nicht zu sehende Schäden untersucht werden.
Pirelli Elect: Reifen für Elektroautos sind erst der Anfang - es kommt noch mehr
Zu erkennen sind bei Pirelli die Reifen für Elektroautos und Plug-in-Hybride an der Markierung „Elect“. Pirelli geht noch einen entscheidenden Schritt weiter: Während herkömmliche Elektroautos im Alltag primär in der Stadt gefahren werden, sind folglich das Handling und der Grip wie bei einem Sportwagen nicht erforderlich, dafür jedoch eine hohe Reichweite, die ein guter Reifen verbessern kann. Doch es kommen immer mehr elektrische Performance-Fahrzeuge auf den Markt, für die Pirelli extra neue Reifen entwickelt, um für den Fahrspaß ein Plus an Handling und eine sportliche Fahrweise mit durchgedrücktem Fahrpedal zu bieten.