Der Lamborghini Miura, eines der berühmtesten Hochleistungsautos, das je in Italien hergestellt wurde, steht kurz vor seinem vierzigsten Geburtstag. Das revolutionäre Konzept des Supersportwagens mit quer eingebautem Mittelmotor, erblickte im Herbst des Jahres 1965 auf dem Turiner Automobilsalon zum ersten Mal das Licht der Öffentlichkeit und untermalte weltweit den spektakulären Klang des Namens „Lamborghini“.
© Foto: Speed Heads
In Turin wurde dem Publikum das komplette Fahrwerk mit allen mechanischen Teilen vorgestellt - das technische Herzstück eines Fahrzeuges, das später einmal zum Supercar par excellence avancieren sollte. Die Entwickler dieses Konzepts, die Ingenieure Gianpaolo Stanzani und Gianpaolo Dallara, erhielten trotz ihres jungen Alters von unter 30 Jahren freie Hand und stellten in diesem Fahrwerk einen Großteil der bisher beim Bau von Spitzensportwagen zu Grunde gelegten Konzepte auf den Kopf.
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Der Miura war damals der Sportwagen schlechthin und bereitete Ferrari schlaflose Nächte. Lamborghini individualisierte das Modell und die begeisterten Kunden warteten bis zu einem Jahr auf ihren Miura, darunter Prominente wie z. B. das Mager-Modell Twiggy, Rod Stewart, König Fahd von Saudi-Arabien, der aus den 60er und 70er Jahren bekannte Formel-1-Rennfahrer Jean-Pierre Beltoise. Angeblich schickte Frank Sinatra damals sogar Leopardenfelle zum italienischen Lamborghini-Werk in Sant'Agata Bolognese, um die Sitze seines Miuras damit beziehen zu lassen.
Radikale Innovationen für den Erfolg
Das Fahrwerk „TP400“ (die Abkürzung steht für ‘quer eingebauter Vier-Liter-Heckmotor’) bestand aus einem Gestell aus gebogenem, geschnittenem, geschweißten und gelochtem Stahlblech, dessen Stil eher an die Luftfahrt als an ein Automobil erinnerte. Dies war eine radikale Innovation im Vergleich zu den runden oder ovalen Rohren, auf denen die Technik der großen Designer der Branche bis zu diesem Zeitpunkt beruhte.
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Die komplizierte Stahlblechkonstruktion bildete das Chassis des Fahrzeugs mit den Aufhängungspunkten für die Federung, dem Cockpit und dem kompletten Antrieb, der mindestens ebenso revolutionär war. Der bereits bekannte und hoch geschätzte V12-Motor aus Bologna mit einem Hubraum von 3.929 ccm und einer angegebenen Leistung von 350 PS und 378 Nm, die bei 5.000 U/min zur Verfügung standen, hatte einen neuen Block erhalten, in dem die jungen Ingenieure Getriebe und Kupplung integrierten.
Einer der ersten Mittelmotorsportwagen
Dank dieser einzigartigen Leichtmetallskulptur wurden die wichtigsten mechanischen Teile des TP400 in einem einzigen leichten sowie steifen Element mit geringen Abmessungen zusammengefasst - ideal für einen Spitzensportwagen. Der Einbau direkt hinter dem Cockpit und vor den Hinterrädern, also ganz in der Nähe des Schwerpunkts des Automobils, ergab besonders vorteilhafte Werte für die Gewichtsverteilung und das Trägheitsmoment .
Dieses Fahrwerk erzielte auf dem Turiner Automobilsalon einen spektakulären Erfolg. Das Interesse der renommierten internationalen Designer, die alle von der Möglichkeit fasziniert waren, eine für dieses neue und aufregende Fahrwerk geeignete Karosserie zu bauen, führte zu einer Reihe von vertraulichen Gesprächen mit Ferruccio Lamborghini.
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Nach wenigen Wochen konnte Bertone im Februar 1966 offiziell erklären, dass er von Lamborghini den Auftrag erhalten habe, eine Karosserie für das Fahrwerk zu entwerfen. Der Designchef des Turiner Hauses, Marcello Gandini, hatte bereits direkt nach dem Ende des Turiner Automobilsalons Ende 1965 begonnen, an dem Projekt zu arbeiten und ließ sich vom Ford GT40 inspirieren, der damals in Le Mans als unschlagbar galt. Die Präsentation des kompletten Automobils erfolgte in Rekordzeit, nur fünf Monate nach der Vorstellung des Fahrwerks, auf dem Genfer Autosalon im März 1966. Die erste Auslieferung erfolgte bereits am 29.12.1966.
Miura, der Start eines legendären Meisterwerks
Eines der größten Meisterwerke des Automobildesigns, das seinen Namen von der wildesten und gefürchtetsten Kampfstierrasse Spaniens erhielt, war entstanden: der 274 km/h schnelle Lamborghini Miura. Leider war die erste Generation des Miuras etwas „biegsam“, so dass sich das Chassis bei schellen Kurvenfahrten verbiegen konnte.
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Im Jahr 1968 zeigte Lamborghini auf der Autoshow in Brüssel einen von Bertone gebauten Miura Roadster, der allerdings aufgrund der niedrigen Belastbarkeit der Frontscheibe nicht in Serie ging. Zusammen mit dem Roadster wurden bis dato 475 Miura produziert.
Miura S, die Evolution einer Schönheit
Im Dezember 1968 wurde der Miura vom Miura S, der bereits 370 PS leistete und Optimierungen an Fahrwerk, Karosserie und Bremsen erhielt, abgelöst. Ferner ersetzte man die schwarzen Teile der Karosserie durch chromfarbene. Gegen Aufpreis waren elektrische Fensterheber, eine Klimaanlage und ein Radio erhältlich. Reiner Luxus, denn die Klimaanlage konnte kaum gegen den hinter den Passagieren verbauten Motor, Kühlwasserleitungen im Fußboden und eine riesige Windschutzscheibe ankämpfen. Vom Radio hatten die Insassen nur etwas im Stand; denn der nicht gedämmte Motor war schon fast zu laut. Das Aggregat verhalf dem Miura S zu einem Top-Speed von 278 km/h und den Spurt von 0 auf 100 km/h meisterte er in 5,7 Sekunden. 140 Exemplare verließen bis 1971 die Werkshallen.
Miura SV, die ultimative Weiterentwicklung
Im März 1971 erschien der Miura SV (Super Veloce) mit einer breiteren Spur, neuer Bereifung, einem nochmals verbesserten Fahrwerk und belüfteten Bremsscheiben. Der Miura SV leistete satte 385 PS, erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von fast 290 km/h und wurde 150 Mal gebaut. Dank seiner Höchstgeschwindigkeit, war der Miura SV zu jener Zeit sogar der schnellste Straßensportwagen der Welt. Bei diesem Modell gab es allerdings plötzlich keine Klappscheinwerfer mehr. Der Grund: Lamborghini gingen die Leitflügel für die Klappscheinwerfer aus. Der letzte Miura wurde am 15.Januar 1973 an den Sohn des italienischen Fabrikanten Ferdinando Innocenti übergeben.
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Miura Jota, der spektakulärste Stier
Einer der seltensten und auch schönsten Lamborghinis war der Jota, den die Rennsport begeisterte Lamborghini-Legende Bob Wallace in seiner Freizeit selbst baute. Er wollte zeigen, dass man den Miura auch leichter bauen kann. Jota steht im Griechischen für den Buchstaben "J", der wiederum für den Appendix J des FIA Regelwerk steht. Die Rennsemmel wog nur ca. 900 kg (der normale Miura brachte 1.305 kg auf die Waage) und wurde von einem bis zu 440 PS starken V12-Motor angetrieben. Möglich war die gewaltige Gewichtseinsparung durch die Verwendung von Aluminium aus der Flugzeugindustrie (Avional) und Seitenscheiben aus Plexiglas. Mit diesem Kampfgewicht brauchte der Jota nur 3,5 Sekunden, um aus dem Stand die 100 km/h-Marke zu erreichen. Die Höchstgeschwindigkeit soll bei ca. 320 km/h gelegen haben. Statt eines Tanks im Bug verfügte der Jota über zwei 60-Liter-Tanks in den Türen. Am 08.02.1972 kaufte ein Industrieller aus Italien den Jota. Der Original-Jota existiert leider nicht mehr, weil der Sportwagen später an einer Brücke die Tanks aufriss und Feuer fing. Der Jota brannte völlig aus - nicht einmal das Chassis war zu retten.
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Miura SVJ, der Jota lebt weiter
Schon zu diesem Zeitpunkt eine Legende, sollte der Jota weiterleben. Lamborghini baute fünf Miura zum Jota um und bezeichnete diese Modelle als Miura SVJ. Rein technisch zeigte sich der Jota dem Miura SVJ um ein Vielfaches überlegen. Der Miura SVJ war z. B. mit Bremskühlrohr-Attrappen ausgestattet, während der Jota über echte verfügte. Darüber hinaus erhielt der Miura SVJ einen kleinen Kinn-Spoiler, Ölkühler, verglaste Frontscheinwerfer einen einzelnen Scheibenwischer und eine spezielle Auspuffanlage. Entwicklungen am Motor lassen sich heute nur noch schwer nachvollziehen.
Den ersten Miura SVJ kaufte der Schah von Persien. Den Wagen erhielt der Schah 1971 während seines Winterurlaubs in St. Moritz pünktlich zu Weihnachten. Ferruccio Lamborghini selbst lieferte dieses Modell aus. Nach der Revolution im Jahr 1979 fand man diesen Miura später in einem erbärmlichen Zustand und restaurierte ihn. Der ehemalige Sportwagen des Schahs wurde im März 1997 für fast 500.000 US-Dollar von Hollywood-Star Nicolas Cage ersteigert und im Jahr 2004 nach Großbritannien an einen Sammler verkauft.
Im Jahr 1972 ging der zweite Miura SVJ an den auf Korsika lebenden Paul Ferrandi, nachdem dieses Modell von Voitures Paris Monceau bestellt wurde. Nach einer Veräußerung im Jahr 1982 erwarb der aktuelle Besitzer diesen Miura SVJ im Jahr 1984.
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Der Miura SVJ, der dem Jota technisch am nächsten kommt, verließ das italienische Werk am 31.08.1972. Diesen erhielt der in Paris lebende Harry Landsberg als Ausgleich für seinen Miura SV, den ein Lamborghini-Techniker bei einer Fahrt zerlegte. Landsberg gefiel allerdings der aggressive Look und die lautstarke Auspuffanlage nicht und so gab er den Miura SVJ zurück an Lamborghini, wo man für dieses Exemplar ein SV-Bodykit verbaute. Nach genau 3.907 km verkaufte Landsberg den Miura im Mai 1979 an den Pariser Fabrice Auxietre, der das Modell wieder zum SVJ umbauen ließ und es noch heute besitzt.
Ende 1972 ging der letzte Miura SVJ mit über 400 PS Leistung an den deutschen Hubert Hahne aus Düsseldorf. Als einziger Miura war dieses Modell mit einem 110 Liter großen Tank ausgestattet. Ursprünglich in Schwarz ausgeliefert, erhielt dieser Miura 1977 bei Lamborghini eine Lackierung in Silber Metallic. Im Laufe der Zeit wechselte dieser Miura seine Inhaber und soll heute in Japan stehen. Auch der fünfte Miura SVJ fand zwischenzeitlich seinen Weg zu einem Sammler nach Japan, nachdem der Wagen ursprünglich von Alberto Silvera aus Haiti erworben wurde.
Countach, der kantige Nachfolger
1971 kam der Prototyp des auf extreme Fahrleistungen ausgelegten Lamborghini Countach - kantig, zukunftsweisend und technisch perfekter. Die ersten Vorserienmodelle wurden 1973 gebaut, der Countach war der Star auf dem Genfer Automobilsalon im Jahr 1974. Aber allein dem Miura bleiben die tolle Linienführung, italienische Eleganz, gepaart mit wilder Angriffslust, vorbehalten.
Christoph
15.04.2005
Erstmal herzlichen Glückwunsch Muira ;) . Der Miura ist einfach ein spitzen Auto. Die Leistung war für damalige verhältnisse grandios und ist heute noch beachtlich . Das Design gefällt sowohl früher wie heute, einfach Zeitlos. :applaus:
Landy
30.04.2005
Vor diesem tollen Fahrzeug kann man einfach nur den Hut ziehen. Beeindruckende Leistung der Entwickler. Schade nur dass so wenige davon gebaut wurden... @Christian [QUOTE]Gianpaolo Dallara[/QUOTE] Hat der Name etwas mit dem amerikanischen Rennstall zu tun? Oder verwechsle ich da wieder was? ;)
speedheads
01.05.2005
Dallara ist ein italienischer Rennstall, der unweit von Parma sitzt; also gar nicht so weit weg von Modena, ist aber mit den in den USA sehr erfolgreichen Rennwagen in Verbindung zu bringen. ;) Gian Paolo Dallara zeichnete sich neben dem Miura auch für den Espada verantwortlich und wechselte Ende der 60er zu De Tomaso, wo er für das Design von Rennwagen verantwortlich war, die im Team von Frank Williams zum Einsatz kamen. Vor seiner Tätigkeit bei Lamborghini ab 1963 arbeitete er übrigens bei Ferrari und Maserati. Sein Studium schloss er 1959 erfolgreich ab. Nach de Tomaso gründete Dallara sein eigenes Unternehmen und entwarf 1978 seinen ersten Formel-3-Rennwagen, von 1988 bis 1992 entstanden die Ferrari-Renwagen in der Formel 1 aus seiner Feder. Seit 1997 entwirft und baut Dallara für diverse Teams die Chassis der Rennwagen in der Indy Racing League oder für die Indianapolis 500. Dallara gewann u. a. in der Indy Racing League die Konstrukteurswertung folgender Jahre: 1998, 1999, 2000, 2001, 2002 und 2003.
Landy
01.05.2005
Ahh, da lag ich also richtig. Danke für die Aufklärung