Wer über Toyota und dessen Motorsport-Engagement sinniert, denkt automatisch an die Einsätze eines eigenen Werksteams bis 2009 in der Formel 1 zurück. Damals versuchten die Japaner, mit einem in Deutschland ansässigen Werksteam die Königsklasse des Motorsports zu erobern. Trotz einiger guter Ergebnisse musste Toyota diese Zeit leider als fehlgeleitet abschreiben. Doch heute wird in den heiligen Hallen im Geheimen weiter gearbeitet.
© Foto: Toyota
Beeindruckend: Die neuen Aktivitäten
Seit dem Ende des Engagements in der Formel 1 geriet für die Allgemeinheit das Label TMG (Toyota Motorsport GmbH) mehr oder minder in Vergessenheit. Dabei ist der besagte Zweig des Riesen Toyota alles andere als verschwunden. Damals noch unter TTE (Team Toyota Europe) bekannt und vor allem im Rallye-Sport erfolgreich, avancierte TMG im Laufe der Zeit zu einem sehr exklusiven Dienstleister.
Die Formel 1 hinterließ nicht nur Narben am eigenen Image, sondern auch eine moderne Firmenanlage in Köln, die so gut ausgestattet wohl nur ein einziges Mal auf dieser Welt existiert. Wo sonst können andere Fahrzeughersteller oder Teams sich in eine Anlage einmieten, die mit Highlights wie zwei großen Windkanälen oder Kohlefaser-Backöfen - groß genug für ganze Chassis‘ - aufwarten?
TMG fand ein neues Betätigungsfeld - seien es Tests und der Prototypen-Bau für den Mutterkonzern Toyota oder die technische Unterstützung und die Bereitstellung von Equipment für andere Hersteller oder sogar Formel 1-Teams. Die Anlage bietet beste Voraussetzungen, um von Kleinstteilen im Motor bis hin zum Gesamtfahrzeug allem auf den Zahn zu fühlen.
Auch TMG selbst nutzt das Gelände für interessante Projekte. So schreit uns auf dem Motorenprüfstand fröhlich der 1,6-Liter-Vierzylinder in der Rallye-Version entgegen, während auf dem Getriebeprüfstand die Komponenten des LMP1-Fahrzeugs für das 24-Stunden-Rennen von Le Mans ihre Stärke beweisen müssen. Überall lässt sich das Motorsport-Feeling aufsaugen, sowohl durch die Soundkulisse als auch durch die teilweise verstreut stehenden Formel 1-Fahrzeuge, die abgedeckt in diversen Ecken untergebracht sind.
© Foto: Toyota
Eine Besonderheit jagt die nächste
Doch das ist bei Weitem nicht alles: Auf einem Fahrwerksprüfstand sehen wir das momentane VLN-Cup-Fahrzeug, den GT86. Eine Besonderheit an diesem Prüfstand stellt die Tatsache dar, dass das ganze Fahrzeug darin verankert wird und sich jede beliebige Rennstrecke der Welt simulieren lässt. So besteht bereits in Köln die Möglichkeit, eine Vorababstimmung für die jeweilige Rennstrecke ermitteln. Diese Art von Prüfstand findet sich in Deutschland sonst nur beim Fahrwerkshersteller KW.
Abseits des Motorsports ist TMG ebenfalls tätig, wie zum Beispiel bei der Entwicklung von Tuning-Paketen für Toyota-Fahrzeuge oder die Weiterentwicklung der Hybrid-Technik, die momentan vor allem in diversen Radical-Modellen für Furore sorgt. Trotz all dieser wirklich spannenden Projekte wirkt das Gelände der Toyota Motorsport GmbH häufig etwas verlassen. Nach dem Ausstieg aus der Formel 1 schrumpfte die Belegschaft von ca. 800 Mitarbeitern auf aktuell nur noch 150 Angestellte.
Zahlreiche Veränderungen - doch die Siege sprechen für sich
TMG schuf sich ein neues Einsatzfeld. Eine erfreuliche Feststellung gerade für die Mitarbeiter, die noch immer von den Zeiten träumen, an denen die ganze Anlage lediglich zur Verfügung stand, um in der Formel 1 voranzukommen. Obwohl noch immer im Motorsport tätig, veränderte sich viel für die Mitarbeiter. Der technische Leiter des LMP1-Projektes verriet uns zum Beispiel, dass er es heute mit dem LMP1-Rennwagen bei weitem nicht so leicht hat wie mit dem Formel-1-Renner. Damals war es möglich, den Windkanal für eine neue Idee 24 Stunden am Tag zu nutzen oder den Machern stand permanent eines der Formel-1-Fahrzeuge für Tests im Werk zur Verfügung.
Heute steht die Belegung der Windkanäle durch externe „Mieter“ über den Belangen des Motorsport-Teams. So lässt sich nicht alles ausprobieren, was man sich vielleicht vorstellte. Sogar die effektive Arbeitszeit erfuhr eine Veränderung, nachdem TMG auf einen Standard-Arbeitstag umstellte und nicht wie früher im 3-Schichten-System Tag und Nacht an den Rennboliden schraubte.
Die jüngsten Siege in der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC World Endurance Championship) zeigen jedoch, dass die Spezialisten in Köln trotz der verschlechterten Umstände einen hervorragenden Job erledigen. Vielleicht darf man im TMG-Werk in den nächsten Jahren einen Sieg in Le Mans oder den Gesamtgewinn der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft feiern und damit die Narben der Formel 1 endlich verheilen lassen.