Vertreter-Kombi? Von wegen! Diesen Audi A4 Avant 3.0 TDI hat Tuner Oettinger für den Ampelstart optimiert - ohne seine anderen Stärken über Bord zu werfen.
Okay, so ganz unscheinbar sieht dieses Auto nicht mehr aus. Trotzdem ist und bleibt dieser Audi A4 Avant, veredelt im Hause Oettinger, ein Mittelklasse-Kombi (noch dazu ein Diesel, wenn auch der gute Dreiliter), den auch Kenner seine Fähigkeiten kaum zutrauen würden. Genauer: Dieses Auto ist gemacht für Ampelduelle oder die Viertelmeile! Man sehnt jede rote Ampel herbei, platziert sich möglichst in der ersten Startreihe. Noch mal tief Luft holen, Blickkontakt zum Nebenmann aufnehmen, der sich an derartig halbstarken Aktionen kein Stück interessiert zeigt. Aber egal! Das gelbe Licht geht an, man hält die Luft an, steigt auf´s Gas und schießt nach vorne, als nur noch die grüne Lampe leuchtet. Der Automatik-Wählhebel steht auf Stellung ,,S", das Getriebe dreht die Gänge voll aus. Und bleibt trotzdem nur ganz kurz in einer Fahrstufe. Kein Wunder, der rote Bereich beginnt schon bei 4.500 Umdrehungen. Stimmt, das ist ja ein Diesel.
Der Blick geht in den Rückspiegel, in dem die ,,Konkurrenten" nur noch schemenhaft zu erkennen sind. Und schweift dann kurz über den Tacho - akute Führerscheingefahr! Also den rechten Fuß entspannen, den Cruising-Modus aktivieren und über Oettingers technische Veränderungen nachsinnen. Die Mannen aus dem hessischen Friedrichsdorf optimieren das Motormanagement per ,,Direct-Port- Tuning" und kitzeln aus dem ab Werk 233 PS starken Dreiliter-Turbodiesel satte 270 PS. Noch beeindruckender ist der Sprung beim maximalen Drehmoment: Mit 550 Newtonmetern stellt das Triebwerk ganze 100 Nm mehr bereit als das Serien-Pendant. Damit wäre die Erklärung für die exzellenten Sprintwerte (offiziell benötigt Oettingers A4 Avant 6,4 statt 7,1 Sekunden für den Null-auf-Hundert-Sprint) gefunden. Lässt man das Gas stehen, soll der Kombi einen Topspeed von 252 km/h erreichen. Wir glauben es gern.
[strong]Sportler mit komfortabler Note[/strong]
Auch bei gemächlicher Gangart hat der Audi seine Qualitäten. Obwohl Oettinger ein Sportfahrwerk installiert hat, federt der hessische Ingolstädter erstaunlich komfortabel. Bequeme Alcantara-Leder- Sportsitze (bereits ab Werk an Bord) unterstützen den Wohlfühlfaktor zusätzlich, könnten aber noch mehr Seitenhalt bieten. Daneben verwöhnt die Bose-Anlage mit exzellentem Sound. Aus den Boxen klingen sowohl heißerer Rock als auch hämmernder HipHop oder entspannte Popklänge, als säße man mitten im Konzertsaal. Apropos entspannt: Beim sanften Dahingleiten über die Landstraße hält sich der Motor akustisch dezent im Hintergrund - keine Spur eines dieseltypischen Nagelns.
Mit der akustischen Zurückhaltung ist es aber vorbei, wenn man die volle Power abfragt. Allerdings gibt sich das Triebwerk auch beim Krafttraining nicht als Selbstzünder zu erkennen. Dumpf grummelnd und mit einem Monsterbass untermalt der Motorsound das ekstatische Zucken der Drehzahlmesser-Nadel. Kein Zweifel: Oettingers Sounddesigner haben tolle Arbeit geleistet! Ein Kompliment haben sich auch Audis Getriebebauer verdient. Die Tiptronic schaltet sanft, aber sauschnell - ganz egal, ob der Fahrer den Automaten arbeiten lässt oder die Schaltwippen am Lenkrad bemüht. So lässt sich sogar ein Automatik- Kombi sportlich bewegen, ohne dass man beim Schaltkomfort Abstriche machen muss.
[strong]Das Handling: Satt, präzise, neutral[/strong]
Zum sportlichen Anspruch trägt auch das Fahrwerk bei. Dank seiner breiten Spur liegt der Oettinger A4 satt auf der Straße, folgt präzise der Spur und bleibt dabei absolut neutral. Nur wer es wirklich drauf anlegt, erntet Untersteuern. Ansonsten folgt der Allradler willig den Befehlen der etwas zu leichtgängigen Lenkung und ist weit davon entfernt, den Fahrer mit Zicken jedweder Art vor Probleme zu stellen. Beim Herausbeschleunigen hilft die enorme Traktion des Quattro-Antriebs, die Fuhre schnell wieder in Fahrt zu bringen. Und dank standfester Bremsen kommt der Audi früh genug wieder runter vom Highspeed-Trip.
Nach der ausgiebigen Testfahrt steht der Oettinger Avant prominent unter der Straßenlaterne und gibt die Blicke auf die optischen Veränderungen frei. Die Front mit ihren Spoilerecken und dem verbindenden Carbon-Splitter präsentiert sich im Stile des RS4. Die Schwellerleisten strecken die Statur des Mittelklässlers ein wenig in die Länge. Von hinten gibt sich der Oettinger A4 durch vier Endrohre, eingebettet in die hauseigene Heckschürze, als nicht ganz serienmäßiger Avant zu erkennen. Und dann die 19-Zoll-RXX-Felgen mit Reifen im Format 235/35 R 19, welche die Radkästen optimal ausfüllen. So gibt der hessische Athlet zwar eine durchaus aggressive, aber keine übertrieben schroffe Visitenkarte ab.
Doch allzu lange bleibt der Audi nicht stehen, und da ist dieses unerklärliche Jucken im rechten Fuß. Denn die nächste Ampel wartet schon...