Drehzahl ist durch nichts zu ersetzten: Das konnte man jedenfalls angesichts der ersten vier Generationen des BMW M5 meinen. Bei der M GmbH gaben bislang Hochdrehzahlkonzepte den röhrenden Auspuffton an. Das Geheimnis hinter den üppigen Leistungsreserven der sportlichen Limousinen ließ sich in Umdrehungen pro Minute messen. Doch damit ist jetzt Schluss: „Druck statt Drehzahl“ lautet das Motto, unter dem der neue M5 auf den Markt losstürmt.
Den V10-Saugmotor des Vorgängermodells löst ein V8-Biturbo ab. Besondere Kennzeichen: Kein Turboloch, stattdessen die unbändige Kraft von 680 Nm Drehmoment konstant schon ab 1.500 U/min, dazu 560 PS/412 kW - und all das bei 30 Prozent geringerem Verbrauch. Außen in bester M5-Tradition ausgesprochen dezent, innen bei Bedarf brachialer denn je, jedoch dank umfangreicher Einstellmöglichkeiten zähmbar für den bisweilen komfortablen Limousinen-Modus. Die fünfte Generation des BMW M5 vereint schier unvereinbare Extreme noch besser als alle Vorgängermodelle.
Spanischer Asphalt gezeichnet von stummen Zeugen der V8-Gewalt
Der neue BMW M5 hinterlässt überall seine Spuren. Sie heben sich in tiefem Schwarz deutlich hervor auf dem dunkel- bis hellgrauen Asphalt der Landstraßen rund um Sevilla, Ronda, Utrera und La Puebla oder auf dem griffigen Fahrbahnbelag der Rennstrecke des legendären „Ascari Race Resort“ nördlich von Marbella. Die markanten Spuren von Gummiabrieb sind Folge der Vernichtung von Reifenprofil und werden noch wochenlang von den ersten Testfahrten mit dem neuen BMW M5 in Andalusien berichten.
Stille Zeugen eines für kurze Zeit lautstarken Prozesses, der geprägt ist vom sonoren V8-Gebrüll aus mächtigen Auspuffrohren, begleitet vom quietschenden Winseln der Reifen. Danach bleiben nur die stummen Muster im grauen Asphalt. Und die Erkenntnis: Der neue M5 ist mehr als seine sämtlichen Ahnen, das Beste aus zwei Welten - und das gleich in doppelter Hinsicht.
Zum einen gebärdet sich der M5 je nach Einstellung durch den Fahrer als böse Fahrmaschine oder als komfortable Familienlimo. Zum anderen schafften es die Ingenieure des M5-Teams, die im Lastenheft verlangte Leistungssteigerung von 507 PS auf immerhin 560 PS zu realisieren, und dem neuen V8-Biturbo dennoch Trinkmanieren mit auf den Weg zu geben.
Mit einem Normverbrauch von 9,9 l/100 km ist der neue M5 mehr als 30 Prozent genügsamer als der Vorgänger. Die Forderung nach deutlich weniger Verbrauch bei deutlich mehr Leistung muss den Verantwortlichen zunächst vorgekommen sein wie die Quadratur des Kreises oder das Perpetuum Mobile - praktisch nicht machbar. Doch am Ende meisterte das 4,4 Liter große Triebwerk sämtliche Hürden auf dem Weg zur Serienreife.
V10-Kreischen ist einem sonoren V8-Brüllen gewichen
Besonders beeindruckend: Das unverändert makellose Ansprechverhalten des Motors und sein enormes Drehmoment von 680 Nm, das bereits ab 1.500 U/min komplett und konstant anliegt. Das sorgt bei deaktiviertem DSC (dynamische Stabilitätskontrolle) für Quietschen, Qualm und Gummiabrieb, wobei sich der M5 sehr direkt und berechenbar mit dem Gaspedal dirigieren lässt.
Die Soundkulisse büßte gegenüber dem V10 des Vorgängers ein wenig ein. So ging das kreischende Brüllen in hohen Drehzahlregionen verloren, ist allerdings einem ebenfalls beeindruckenden V8-Klang gewichen. Der fällt nicht ganz so dezent aus wie das Außendesign der potenziellen Fahrmaschine, die man in Vorbeifahrt eher am Klang der zweifachen Doppelauspuffanlage erkennt als an den zurückhaltenden optischen Merkmalen.
Der Normverbrauch des V8-Biturbos ist mit 9,9 l/100 km absolut erstaunlich. Zusammen mit einem auf 80 Liter vergrößerten Tank verhindert dies lästiges Tankstellen-Hopping. Stattdessen kommt man selbst bei forscher Gangart wenigstens gute 400 Kilometer weit. Im Landstraßenbetrieb samt oftmalig beherztem Leistungsabruf ergab sich bei unseren Testfahrten ein Verbrauch von 14,6 l/100 km, der sich allerdings auf der Rennstrecke noch deutlich steigern lässt.
Dennoch: Der neue M5-Motor bietet gewohnt rassige Sportlichkeit, ohne etwa durch ungezügelten Durst die Zeichen der Zeit zu missachten. Das würde auch schlecht zur zweiten Submarke von BMW passen; denn neben der sportlichen M GmbH steht neuerdings „i“ für die visionäre Mobilität. Und der neue M5 macht deutlich: „M hat die Gründung von i überstanden“, wie BMW-Produktionsvorstand Frank-Peter Arndt bei der M5-Premiere nahe Sevilla betonte. Die Marke bekennt sich offenbar trotz Elektromobilität und ähnlicher Alternativen weiterhin zur ausgeprägten Sportlichkeit.
Viele Einstellmöglichkeiten machen den M5 zur Limousine für jeden Zweck
Um den Spagat zwischen Sport und Komfort in der Praxis leisten zu können, stellt sich der neue BMW M5 vielfach auf die aktuellen Bedürfnisse des Fahrers ein. Die Lenkung etwa agiert in drei Stufen zunehmend direkter, bleibt jedoch auch im komfortablen Modus so präzise, wie es ein M-Kunde erwartet. Sich selbst am nächsten ist die fünfte Generation des M5 eindeutig im jeweils sportlichsten Modus. Dann fordern rote Lämpchen im Headup-Display zum Griff an die Schaltwippen auf, fliegt das Doppelkupplungsgetriebe rasant durch die sieben Gangstufen, werden Gasbefehle ohne Verzögerung umgesetzt und glänzt der 1.945 Kilogramm schwere Familien-Bolide mit einem hervorragenden Einlenkverhalten.
Die Mittelkonsole des BMW M5 haben die Ingenieure für die vielen Gesichter der sportlichen Familienlimousine maßgeschneidert. Rund um den Gangwahlschalter kann der M5-Pilot per Tastendruck verschiedene Einstellungen für Antrieb und Fahrwerk wählen - darunter der exakte Modus des Fahrstabilitätsprogramms DSC oder die Schaltprogramme des Doppelkupplungsgetriebes. Auf diese Weise kann sich der Besitzer seinen individuellen M5 zusammenstellen - ganz nach persönlichen Vorlieben oder der momentanen Situation angepasst.
Erstmals besteht die Möglichkeit, zwei Konfigurationen abzuspeichern und mit all ihren Detail-Einstellungen per Druck auf zwei verschiedene Tasten abzurufen. „M1“ und „M2“ sitzen links am Multifunktionslenkrad und erlauben zum Beispiel den sofortigen Abruf einer besonders komfortablen und einer sehr sportlichen Gesamteinstellung - etwa zum Familienausflug oder zum Single-Trip entlang der kurvigen Hausstrecke.
Suche nach Detailfehlern ist nur auf allerhöchstem Niveau möglich
Was an der fünften Generation des BMW M5 fehlt oder stört? Die Antwort fällt schwerer als bei den meisten Autos, die man nach einem zweitägigen Fahreindruck bewertet. Sehr sportlich orientierte Fahrer könnten je nach Fahrzeugeinstellungen das Gefühl haben, gar keine 560 PS mit dem Gaspedal zu dirigieren, ebenso erscheint manch einem Krawall-Fanatiker der Motorklang möglicherweise zu dezent sound-designed.
Doch solche vermeintlichen Schwächen haben wiederum mit der eigentlichen Stärke des wandlungsfähigen M5 zu tun: Man kann - und muss sogar - sich den neuen M5 so konfigurieren, wie man ihn gerade haben möchte. Dann stören keinerlei Kompromisse bei unterschiedlichsten Fahrsituationen, etwa vom Großstadtverkehr Sevillas zur Rennstrecke: Durch die 26 Kurven des 5,425 Kilometer langen Ascari Race Tracks mit weltberühmten Strecken-Zitaten wie der „Korkenzieher“-Kombination aus Laguna Seca, wedelt, brüllt, beschleunigt und bremst sich der neue M5 auf unglaubliche Art und Weise.
Kaum vorstellbar, dass dies derselbe Viertürer ist, mit dem man auf dem Weg zum Ascari Race Resort souverän und entspannt über spanische Autobahnen und durch belebte Ortschaften fuhr. Und immer wieder dieser Motor mit seinem überwältigenden Drehmoment-Plateau: Dem Hochdrehzahlkonzept früherer Tage muss niemand nachweinen, der hohe Druck dürfte stattdessen die Zukunft der M-Motoren bestimmen.
Technische Daten BMW M5 F10:
Antriebsart: Heckantrieb | Leistung: 412 kW/560 PS bei 6.000 U/min | Drehmoment: 680 Nm bei 1.500 U/min | Vmax: 250 km/h (305 km/h mit optionalem M Drive Package) | Beschleunigung 0-100 km/h: 4,4 Sekunden | Leergewicht: 1.945 Kilogramm | Normverbrauch 9,9 l/100 km | Preis: 102.700 Euro
VirusM54B30
23.10.2011
Habe den Bericht in das F10 Forum verlinkt
speedheads
23.10.2011
Besten Dank! :applaus: