Jaguar XKR 75 Test - Der Jag, den es gar nicht geben dürfte

, 14.09.2011


Mike Cross hasst Dienst nach Vorschrift. So gab es für den Chef-Tester und Chef-Ingenieur „Vehicle Integrity“ von Jaguar und seine Mitarbeiter auch gar keinen Zweifel: An einem ganz besonderen Jag zum 75sten Jubiläum der Raubkatzen-Marke wird nach Feierabend in Abend- und Nachtschichten gearbeitet. Wo kein offizieller Auftrag, da ist dank eisernen Willens trotzdem ein Weg. Als der Jaguar XKR 75 dann in seinen Grundzügen fertig war, konnte Cross die Vorstände des Unternehmens im Eiltempo überzeugen: Diese Jubelkatze entlassen wir in die freie Wildbahn. 75 weltweit an der Zahl. 30 davon kamen nach Deutschland und ich durfte im Mekka des Motorsports mit dem XKR 75 neun schnelle Runden lang über den heiligen Eifel-Asphalt kacheln - auf dem Grand Prix-Kurs am Nürburgring.

Ultimativer Jaguar für Langstrecke und Rennstrecke

Schade eigentlich, dass ich im Range Rover zum Nürburgring gefahren bin. Das macht zwar auch jede Menge Spaß mit dem mächtigen neuen 4.4-Liter-TDV8 unter der Haube und somit 313 PS und 700 Nm Drehmoment im Antriebsstrang. Aber die Hatz über kurvige Eifel-Landstraßen im Sport-Coupé wäre sicher noch reizvoller gewesen; denn wie formulierte Mike Cross die Idee zu seinem Jubiläums-Baby?

„Wir haben den XKR 75 als einen Sportwagen abgestimmt, mit dem man quer durch Europa zum Nürburgring fahren, dort ein paar sehr schnelle Runden auf der Nordschleife drehen und danach wieder entspannt zurückreisen kann“, so Cross. Der glückliche Bändiger dieser Raubkatze muss übrigens entspannt sein können, obwohl er gerade von seinen Festgeldkonten 124.900 Euro abgehoben hat.

Der Grand Prix-Kurs ist zwar nicht die 22,8 Kilometer lange, legendäre Nordschleife, aber auch die 5,148 Kilometer der Formel-1-Strecke macht mit einem Sportwagen vom Kaliber des Jaguar XKR 75 mächtig Spaß - selbst wenn der Instruktor, der hier vermutlich schon mehr Kilometer herunterspulte als ich in meinem ganzen Leben auf Parkplatzsuche durch Schwabing, manchmal ungehalten wird und ins Funkgerät brüllt: „Das war Scheiße!“

Eine klare Ansage, nachdem ich zu schnell ins Mercedes-Omega kurz nach der Zielgerade eingefahren bin und deshalb an Schwung verlor. Am Ende, sieben Runden später, grinst er mich breit an, drückt mir anerkennend die Hand und sagt: „Sehr gut, mit Euch hat es Spaß gemacht!“

Offenbar hatten sich Runde um Runde nicht ohne guten Grund die Mundwinkel meines Beifahrers und mir immer mehr zum glücklichen Grinsen gehoben. Mit jeder weiteren Fahrt durch die Schlüsselstellen machte sich Zuversicht breit, sich wieder ein Stück dem Grenzbereich genähert zu haben: Veedol-S, Coca Cola-Kurve, Dunlop-Kehre und ganz besonders unter dem Motto „Pobacken-Zusammenzwicken-und-ohne-Gaslupfen-voll-Durchgasen“ im dafür berüchtigten Michael Schumacher-S.

Nach Feierabend die ultimative Raubkatze kreiert

Kein Wunder, dass man in so einem Auto auf seine Kosten kommt: 530 PS verpassten die Jaguar-Techniker dem XKR 75 - ergo PS 20 mehr als dem serienmäßigen XKR. Mit ausgefeilter Feinarbeit - wie gesagt, immer schön nach Feierabend – kitzelten die Briten die Extra-Power aus dem Kompressor-V8 heraus. Dadurch stieg das Drehmoment des Kraftpaketes von mächtigen 625 Nm auf exorbitante 655 Nm. Die Sprintdauer von 0 auf 100 km/h schrumpfte gleichzeitig von 4,8 auf 4,6 Sekunden zusammen.

Mitverantwortlich für den Leistungszuwachs, vor allem aber für Gänsehaut bei Insassen und Passanten: Ein semi-aktiver Sportauspuff mit größeren Endrohren sorgt für ein standesgemäßes Raubkatzen-Grollen, so als hätte man den Urahn aller Jaguare nach einem mehrmonatigen Winterschlaf geweckt und bis auf das adrenalinsatte Blut gereizt.

Den Urtrieben seines Jubiläums-Raubtieres lässt Jaguar ein wenig mehr freien Lauf als dem XKR: Während dieser bei 250 km/h eingebremst wird, darf sich der XKR75 immerhin bis 280 km/h austoben - immer noch nicht ganz verständlich und im Vergleich zur Konkurrenz vom Schlage Corvette oder Neunelfer ein herber Rückschlag für das stolze Herrchen der Jubel-Katze.

Der Fahrer freut sich dafür umso mehr über das straffere Fahrwerk des XKR 75, dessen Federraten vorne wie hinten um rund 30 Prozent steifer ausfallen. Dazu kommen eine leicht verringerte Bodenfreiheit, schärfere Bremsen mit Sätteln in knalligem Signal-Rot, nochmals breitere Reifen, ein aerodynamisch optimierter Karosserie-Kit, verbreiterte Türschweller, ein Heckdiffusor, ein vergrößerter Heckspoiler und eine Sonderlackierung - fertig ist der Jaguar für die extraschnelle Jagd in freier Wildbahn.

Trac DSC agiert wie ein Lasso, das erst im allerletzten Moment zupackt

Diese Jagd macht mit dem Jubiläums-Jag deshalb so viel Spaß, weil die Performance hält, was die imposante V8-Soundkulisse bereits im Leerlauf verspricht und mit steigender Drehzahl in die weite Eifel-Landschaft hinausbrüllt. Agil, aggressiv und doch nicht überhart, dazu wendig und doch spurstabil auch bei hohem Tempo. Der Jaguar XKR 75 dreht einerseits äußerst schnell seine Runden, verzeiht aber auch den einen oder anderen Fahrfehler beim Herantasten an den Grenzbereich.

Die dynamische Stabilitätskontrolle DSC samt Trac DSC sorgt dafür, dass man sich wie mit einem Lasso gesichert bewegt: Immer hängt das Seil locker durch. Erst ganz kurz vor dem Absturz zieht sich das Seil kurz straff, um dann ohne unnötig heftigen Eingriff wieder locker zu lassen. Was daran nicht perfekt ist, ließe sich höchstens im direkten Vergleich mit Konkurrenten herausfinden. Hier und jetzt wirkt es perfekt. Ungetrübt ist der Genuss des allmählich immer schnelleren Fahrens. Aus tiefstem Herzen kommt das Lob: Vielen Dank für die vielen Überstunden, Mike Cross!

Technische Daten Jaguar XKR 75:

Antriebsart: Heckantrieb | Hubraum: 5.000 cm³ | Leistung: 390 kW (530 PS) | Drehmoment: 655 Nm | Vmax: 280 km/h | CO2 Emission: 292 g/km | Beschleunigung 0-100 km/h: 4,6 Sekunden | Durchschnittsverbrauch: 12,3 l/100 km | Preis: etwa 124.900 EUR

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