In einer Villa in Kalifornien begann alles. Hier beherbergte Toyota Ende der 1980er-Jahre Techniker, Designer und Marketing-Experten, um den Weltmarkt der Luxusklasse aus den Angeln zu heben. Das herrschaftliche Anwesen sollte die Fachleute inspirieren, um zunächst den US-amerikanischen, später den Kunden in aller Welt etwas Unvergleichliches zu bieten. Die authentische Kulisse sollte den Entwicklern stets vor Augen führen: Was wollen reiche Amerikaner? Die Antwort 1989: Lexus. Ein Jahr später und vor nunmehr 25 Jahren wagte sich Toyotas High Class-Marke in das automobile Haifischbecken schlechthin und betrat den heiß umkämpften Premium-Markt in Deutschland. Zeit für einen Rück- und Ausblick - und zwar vor allem in Fahrt.
Über 1 Million Kilometer oder fast 25 Erdumrundungen: Diese unvorstellbare Distanz hat der Lexus LS 400 hinter sich, den wir anlässlich von 25 Jahren Lexus in Deutschland fahren dürfen. Dieses Auto überstand die schier endlose Strecke praktisch schadlos, abgesehen von sympathischer und authentischer Patina außen und innen. Unfassbar: Motor und Getriebe sind original.
Besonders groß ist deshalb unsere Verwunderung über den seidenweich laufenden 4,0-Liter-V8 unter der langen Motorhaube. Obwohl die sechsstellige Kilometeranzeige bereits einmal umsprang und mittlerweile schon wieder bei knapp 9.000 Kilometern anlangte, werkelt der 32-Ventiler so kraftvoll und dennoch kultiviert wie kurz nach der ersten Inspektion.
Lexus-Europa-Chef Alain Uyttenhoven erinnert sich gerne: Nach der Premiere 1990 bewarb die japanische Luxusmarke ihr Flaggschiff LS 400 und dessen Laufruhe mit einem extrem anschaulichen Bild. Nicht etwa wie gewohnt eine hochkant stehende Münze, sondern eine Pyramide aus gefüllten Champagner-Kelchen blieb ruhig auf dem Fünf-Meter-Riesen mit laufendem V8 stehen.
Genau diese Laufruhe imponiert ein Vierteljahrhundert und über 1 Million Kilometer später umso mehr, als wir auf der L3272 nördlich von Geisenheim am Rhein kräftig auf das Gaspedal drücken. Die Nadeln von Tacho und Drehzahlmesser eilen beide gen Anschlag, während der V8 seine 245 PS und 350 Nm Drehmoment so gleichmäßig und sanft wie ein hochmodernes Triebwerk entfaltet. Ebenso agiert die Viergang-Automatik.
Das war damals ein Paukenschlag
Aktuell freut sich Alain Uyttenhoven über ein sattes Plus für die Marke Lexus von 34 Prozent im ersten Quartal 2015 in Deutschland und über den wachsenden Erfolg „unseres Volumenbringers NX“, des ersten Kompakt-SUV der japanischen Premium-Marke Lexus. Doch zurück zur Vergangenheit, die ab 1990 den Grundstein für heutige Verkaufserfolge legte. Ferry Franz, Deutschland-Chef von Lexus, zeigt sich vom exakt 22 Jahre alten Exemplar eines LS 400 beeindruckt, das für die Historie seiner Marke in Deutschland steht: „Eine elektrische Gurthöhenverstellung, Sitzheizung vorne und hinten, ein RDS-Radio mit Anzeige der Sendernamen - das war damals ein Paukenschlag.“
Aus dem Stand verkaufte Lexus damals 192 Exemplare des LS 400 über 20 Standorte. Nach zwischenzeitlich knapp 70 Stützpunkten in Deutschland und einer bewussten Bereinigung im Händlernetz sind es heute neun sogenannte „Luxusforen“, über die Lexus seine hochwertigen Fahrzeuge vertreibt. Samt weiteren Stützpunkten kommen landesweit 21 Lexus-Standorte zusammen - Klasse statt Masse heißt die Devise, nach der Ferry Franz und sein Team auch in naher Zukunft vorgehen wollen.
Darum gibt der neue Lexus 600h keine extrem bessere Figur ab
Ein Zeitzeuge der sprichwörtlichen Lexus-Qualität ist der 1 Million-Kilometer-Lexus LS 400, den wir von Geisenheim aus in Richtung Sauerthal steuern. Klar, das Dickschiff besitzt eher den Charakter einer Sänfte als eines dynamischen Luxusgerätes. Aber der extrem hohe Komfort beim Dahingleiten muss nicht etwa mit schwammigem Fahrverhalten in Kurven bezahlt werden.
Erstaunlich flink schlängelt sich der angegraute LS durch das Kurvengewirr einer ehemaligen Bergrennstrecke. Schon damals passte der Kompromiss aus Komfort und Agilität. Im Vergleich macht der aktuelle Lexus 5.0 V8 600h mit seinen 445 Hybrid-PS Systemleistung eine spürbar bessere, aber keine extrem bessere Figur. Das liegt nicht etwa am neuen, sondern vor allem an der erstaunlichen Performance des alten Lexus.
Der LS 400 konnte zwar noch nicht rein elektrisch und flüsterleise vom Parkplatz der Burg Schwarzenstein rollen wie sein Nachfahre von heute. Aber auf den kurvigen Landstraßen rundum gibt er insgesamt eine beeindruckende Figur ab. Auch schon im Stand: Seinen neugierigen Betrachter umgarnt der 22jährige Charmeur, der 1993 seine Erstzulassung feierte, mit seinen authentischen Spuren der Zeit. Feine Risse im Leder der Sitze oder des Automatik-Wählhebels, angewetzte Stellen am Armaturenbrett, Kratzer und Schrammen im Lack - all das zeugt davon, dass hier nichts künstlich aufgehübscht wurde, sondern dass Lexus den Youngtimer im beeindruckenden Originalzustand beließ.
Genau das macht Lexus so begehrlich
Optisch steht der Lexus LS 400 zu seinen mehr als 1 Million Kilometer Laufleistung, technisch straft er jede Skepsis Lügen. Der V8 läuft wie ein Schweizer Uhrwerk, macht ordentlich Druck. Die vier Gänge wechseln mit sanften Übergängen, alles geschieht sehr leise. Nur die zierlichen Außenspiegel entwickeln für heutige Verhältnisse eine deutliche Geräuschkulisse.
Da gibt sich der Lexus LS 600h noch kultivierter, dezenter und luxuriöser - angesichts 22 Jahren Altersunterschied kein Wunder. Ansonsten weckt der LS 400 das Begehren nach einem solchen Exemplar, gerne mit den Altersspuren von bis zu 25 Jahren Laufzeit, und noch lieber mit der für Lexus markentypischen Unkaputtbarkeit. LS 400 in gutem Zustand sind heutzutage für rund 4.000 Euro zu bekommen. Mit etwa 250.000 Kilometern auf dem Tacho - also gerade einmal gut eingefahren, wenn man unseren Kilometer-Millionär aus Geisenheim zugrunde legt.
Technische Daten Lexus LS 400 (UCF10):
Antriebsart: Hinterradantrieb
Hubraum: 3.969 cm³
Leistung: 180 kW/245 PS
Drehmoment: 350 Nm bei 4.400 U/min
Getriebeart: 4-Gang-Automatik
Vmax: 250 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: 8,5 Sekunden
Durchschnittsverbrauch (Herstellerangabe): 11,1 l/100 km
Preis (1993): knapp 90.000 D-Mark (ca. 46.000 Euro)