VW e-Golf Test: Jetzt schlägt die Stunde der Kilowatt

, 07.04.2014


Die Spannung ist hoch: Volkswagen bringt mit dem VW e-Golf sein meistverkauftes Auto als Elektroversion auf den Markt. Eine zu geringe Reichweite und zu teuer hallen Rufe aus dem Internet. Falsch gedacht bei einer Betrachtung im Detail. Wir hatten bereits die Möglichkeit, den VW e-Golf im Großstadtdschungel von Berlin einem ersten Test zu unterziehen. Danach gehen wir sogar einen Schritt weiter und behaupten: Der e-Golf ist das Elektroauto, das Sinn für normale Autofahrer macht.

Nicht nur in Großstädten, sondern auch auf dem Land gibt es immer mehr öffentliche Ladestationen - oftmals mit beschleunigter Ladung. In der Theorie lässt sich bereits heute in Deutschland eine Route mit Ladestationen und Alternativen planen, falls die Ladepunkte bereits belegt sein sollten - das Schicksal der E-Fahrer, die keine eigene Lademöglichkeit besitzen oder sich auf eine größere Tour begeben möchten. Letzteres werden eher weniger machen - dazu sollte das Elektroauto für Gleichstrom vorbereitet sein, um eine Schnellladung durchführen zu können, was beim e-Golf sogar möglich ist.

Volkswagen jedoch sieht den e-Golf bei seinen Käufern für den Einsatz in der Stadt und im Umland. Dazu bringt der Stromer alle Qualitäten mit, was bereits beim „Tanken“ beginnt. Serienmäßig ist ein Ladekabel für die Haushaltssteckdose enthalten. In diesem Fall dauert das Aufladen mit 2,3 kW Wechselstrom maximal 13 Stunden. Über eine voraussichtlich ab Mai 2014 für etwa 950 Euro erhältliche Wallbox für die Garage oder den Carport, die mit 3,6 kW lädt, nimmt der Ladevorgang einer in der Praxis eher selten komplett leeren Batterie rund 8 Stunden in Anspruch. Wer unterwegs öffentlich laden möchte: Das Kabel für Wechselstrom-Ladestationen kostet 140 Euro.

Doch der e-Golf lässt sich für 590 Euro mit einer CCS-Ladedose ausstatten. Beim Combined-Charging-System CCS ist es möglich, sowohl mit Wechsel- als auch mit dem nur in eine Richtung fließenden Gleichstrom zu laden. Dann stehen bereits nach nur 30 Minuten erneut 80 Prozent der Batteriekapazität zur Verfügung, was sich ideal mit Einkäufen in der Stadt verbinden lässt. Zur Zeit noch eher rar, sollen in den nächsten zwei Jahren in Deutschland etwa 400 Schnellladestationen installiert werden, so Thomas Lieber, Entwicklungschef für die E-Modelle bei Volkswagen.

Design: Der richtige Weg von Volkswagen

Volkswagen setzt bei seinem Elektroauto nicht auf ein eigenständiges, gar extrovertiertes Design, sondern auf Vertrautheit. Der VW e-Golf sieht aus wie ein normaler Golf. Optisch lässt sich der stets viertürige e-Golf unter anderem an seinen besonders sparsamen Voll-LED-Scheinwerfern, einem blauen Streifen im Kühlergrill und den Scheinwerfern, den C-förmigen LED-Tagfahrlichtern im leicht modifizierten Frontstoßfänger, am Heckspoiler und den fehlenden Abgasanlagenendrohren erkennen. Am auffälligsten sind die 16 Zoll großen Aerodynamik-Felgen mit einem weitestgehend außenbündigen Schließen der Felgenöffnungen und die entsprechenden Modellschriftzüge.

Überraschung: Der e-Golf dürfte schneller als ein Golf GTI sein

Auch im Innenraum wirkt alles vertraut, geräumig und komfortabel wie eh und je. Es fallen jedoch die spezifischen Anzeigen im Kombiinstrument auf, wo sich statt des Drehzahlmessers eine Fahrleistungsanzeige befindet, die über den aktuellen Energieverbrauch oder die Energierückgewinnung (Rekuperation) informiert. Den Zündschlüssel umgedreht, ist alles still. Ein „Ready“ im Kombiinstrument zeigt allerdings die Fahrbereitschaft an. Auf Wunsch offeriert Volkswagen ein schlüsselloses Schließ- und Startsystem per Knopfdruck für 375 Euro.

Überraschend flott und nahezu lautlos setzt sich der VW e-Golf in Bewegung. Für den Vortrieb des mit einem 1-Gang-Getriebe ausgestatteten VW e-Golfs sorgt ein 85 kW/115 PS starker Elektromotor. Die Synchronmaschine entwickelt aus dem Stand heraus ein maximales Drehmoment von 270 Nm, die sofort anliegen. Dementsprechend beeindruckend ist die Performance beim Anfahren und schnell wird das Innenstadt-Tempo erreicht. Von 0 auf 60 km/h vergehen nur 4,2 Sekunden. Das dürfte sogar schneller als der VW Golf GTI sein.

Oben herum lässt der e-Golf jedoch ein wenig nach: Tempo 100 erreicht das Elektroauto aus dem Stand in 10,4 Sekunden. Auf der Autobahn pendelt sich die Höchstgeschwindigkeit elektronisch begrenzt auf 140 km/h ein, damit sich die Batterie nicht zu schnell entleert. Diese Geschwindigkeit reicht für die Innenstadt, die Stadtautobahn und das Umland vollkommen aus. Bemerkenswert: Die imposante Stille beim Fahren erinnert an ein Auto aus der Oberklasse.

Den Verbrauch gibt Volkswagen mit nur 12,7 kWh auf 100 Kilometern an. Die Strompreise unterscheiden sich bei den Anbietern. Aber ausgehend von aktuell oftmals üblichen 0,26 Euro je kWh, betragen die Energiekosten nur 3,32 Euro pro 100 Kilometer. Wie viel Liter Benzin oder Diesel das eigene, konventionell betriebene Auto auf 100 Kilometern schluckt und wie hoch der Preis pro Liter ist, dürfte jeder selbst wissen und den signifikanten Unterschied sofort erkennen.

Gewusst wie: So lässt sich eine hohe Reichweite erzielen

Wer ständig das Gas durchdrückt und auf Speed fährt, wird die Batterie schneller leeren. Verwehren kann man es niemanden; denn die leidenschaftlichen Ampelsprints und Zwischenspurts, aber auch die tief zwischen den Achsen platzierte Batterie und der damit einhergehende tiefe Schwerpunkt für Dynamik in Kurven tragen zu einem guten Fahrgefühl bei. Spaß bietet der e-Golf allemal. Doch Schluss damit: Jetzt soll der e-Golf seine sparsame Fahrweise unter Beweis stellen.

Zwei elementar wichtige Technologien zur optimalen Nutzung der Bordenergie stellen die zwei ökonomisch ausgelegten Fahrprofile „Eco“ und „Eco+“ sowie die vier verschiedenen Rekuperationsstufen „D1“, „D2“, „D3“ und „B“ dar. Wer die hohe Reichweite möchte, wählt den Modus „Eco“. In diesem Fall nimmt das System unter anderem die maximale Leistung der E-Maschine auf 70 kW/95 PS und das Anfahrdrehmoment auf 220 Nm zurück. Parallel reduziert die Elektronik die Leistung der Klimaautomatik und ändert die Fahrpedalkennlinie. Der e-Golf ist jetzt bis zu 115 km/h schnell und beschleunigt in 13,1 Sekunden auf 100 km/h.

Für Hardcore-Fahrer: Im Modus „Eco+“ begrenzt die Elektronik die Leistung auf 55 kW/75 PS und das Anfahrdrehmoment auf 175 Nm. Gleichzeitig wird die Fahrpedalkennlinie noch flacher und - wer es mag - sogar die Klimaanlage deaktiviert. Der e-Golf erreicht jetzt eine Höchstgeschwindigkeit von 90 km/h und beschleunigt entsprechend langsamer. Gleichwohl lassen sich via Kickdown - in „Eco“ wie „Eco+“ - die volle Leistung, das maximale Drehmoment und die Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h abrufen.

Für eine effiziente Fahrt noch wichtiger: Über die Funktion der Fahrmodi hinaus lässt sich die Reichweite besonders mit der Rekuperationsfunktion beeinflussen. Hier stehen fünf Stufen zur Verfügung: „D“ (ohne Rekuperation), „D1“, „D2“, „D3“ und „B“. Mittels Rekuperation lässt sich der e-Golf bewusst verzögern, insbesondere über den im richtigen Moment genutzten „B“-Modus (Brake). Vorausschauende Fahrer können nahezu auf das Bremspedal verzichten und durch die Rekuperation die Reichweite deutlich länger hoch halten.

Die Stufe „D1“ rekuperiert und verzögert dabei am wenigsten, die Stufe „B“ am stärksten. Die Verzögerung via Rekuperation ist in den Stufen „D2“, „D3“ und „B“ so intensiv, dass in diesem Fall automatisch die Bremslichter aktiviert werden. Die von Volkswagen angegebene praxisnahe Reichweite, je nach Streckenprofil, Fahrweise und Zuladung, zwischen 130 und 190 Kilometern ist bei angepasster Fahrweise in der Tat realistisch. Dazu reichen der Blick auf die Fahrleistungsanzeige und eine bedachte Fahrweise im „Eco“-Modus mit aktivierter Klimaanlage, auf die vermutlich nur wenige verzichten möchten, vollkommen aus.

Bevor die Batterie leer ist und der Fahrer die angezeigte Restreichweite in dem zwischen Fahrleistungsanzeige und Tacho angeordneten Farbdisplay nicht beachten sollte, warnt das System mehrfach, um den Weg nach Hause oder zu einer Ladestation antreten zu können. Für eine ebenfalls im Winter gute Reichweite wird Volkswagen eine neu entwickelte, optionale Wärmepumpe offerieren, welche die Reichweite des e-Golfs während der kalten Jahreszeit um bis zu 20 Prozent erhöhen soll.

E-Instrumente: Neue Funktionen und Steuerung per Smartphone

Der zentral positionierte Touchscreen besitzt im VW e-Golf zahlreiche neue Funktionen, die sich nach einer kurzen Einarbeitungszeit schnell bedienen lassen. Ein Reichweitenmonitor illustriert die aktuelle Reichweite des Fahrzeuges grafisch und zeigt zusätzlich das Reichweitenpotential etwaiger Nebenverbraucher an, so dass der Fahrer durch Abschalten der angezeigten aktiven Nebenverbraucher zusätzliche Reichweite zu gewinnen vermag. Die Energieflussanzeige stellt mittels einer animierten Grafik den Leistungsfluss beim Beschleunigen (blaue Pfeile) und Bremsen respektive Rekuperieren (grüne Pfeile) dar.

Über den e-Manager lassen sich wiederum bis zu drei Abfahrts- und Ladezeiten programmieren - zur definierten Zeit stellt das Fahrzeug die eingestellte Klimatisierung und den Ladestand der Batterie sicher. Parallel ist es möglich, das Heizen oder Kühlen des Innenraumes via serienmäßiger Standklimatisierung während des Ladens zu aktivieren. Die Klimatisierung erfolgt damit nicht zu Lasten der Batterieladung.

Ebenso hilfreich: Den aktuellen Radius des VW e-Golfs stellt die „360°-Reichweite“ in der Umgebungslandkarte dar. Die innere Fläche beschreibt den Aktionsbereich für eine Hin- und Rückfahrt, die äußere Fläche hingegen die Reichweite bei einfacher Fahrstrecke. Das System zeigt Ladestationen an, die sich als Zwischenziel in die Route aufnehmen lassen.

Über die App „Volkswagen Car-Net e-Remote" vermag der Nutzer außerdem viele Einstellungen und Abfragen via Smartphone oder das „Car-Net-Portal“ im Internet vorzunehmen. Im Detail beinhaltet die App Zugriffe auf die Programmierung der Abfahrtszeit, die passende Klimatisierung zur Abfahrtszeit, das Laden der Batterie sowie das Abfragen von Fahrzeugdaten und den Fahrzeugstatus. Darüber hinaus lassen sich Fahrzeugdaten abfragen, wie zum Beispiel zu einzelnen Fahrten die gefahrenen Kilometer, die Fahrtzeit, der Verbrauch des Elektromotors, der Verbrauch von Klimaanlage und Radio als auch die Nutzung der Rekuperation.

Trotz Batterie-Paket kaum Einbußen beim Kofferraumvolumen

Da Volkswagen die Lithium-Ionen-Batterie platzsparend in einem stabilisierenden Rahmen im Fahrzeugboden unter den Vorder- und Rücksitzen sowie im Bereich des Mitteltunnels integrierte, besitzen die Insassen keinerlei Komforteinbußen. Vorne finden selbst bis zu 2,00 Meter große Menschen genügend Platz, während im Fond durchaus noch 1,90 Meter lange Mitfahrer bequem sitzen.

Das Kofferraumvolumen beträgt im VW e-Golf 343 Liter (herkömmlicher Golf 380 Liter) und mit umgeklappten Rücksitzlehnen bis zu 1.233 Liter (herkömmlicher Golf 1.270 Liter). Die niedrige Laderaumkante erleichtert derweil das Be- und Entladen und Verzurrösen das Befestigen von Ladung. Ein Ablagefach in der Mittelkonsole bietet verschiedene Multimedia-Schnittstellen (AUX-IN, USB und optional Apple) und genug Platz, um ein Smartphone aufzunehmen. Etliche Ablagefächer und Becherhalter vorne und hinten runden das Angebot gelungen ab. Sogar 1,5-Liter-Flaschen finden in den Türfächern vorne ihren Platz.

Preis: Ist der e-Golf wirklich zu teuer?

Der Grundpreis für den VW e-Golf liegt bei 34.900 Euro, aber nicht nackt wie der herkömmliche Golf in der Basis. Der Elektro-Golf ist bereits serienmäßig umfangreich ausgestattet und befindet sich auf einem Niveau zwischen den hohen Ausstattungslinien „Comfort“ und Highline“, so dass der Preis im Grunde genommen gar nicht so hoch ausfällt. Denn sonst summiert sich bei einem Golf durch diverse attraktive Extras schnell der Preis. Laut Volkswagen ist der e-Golf nur etwa 3.000 Euro teurer als ein vergleichbar ausgestatteter Golf mit Diesel-Antrieb (TDI), beim Benziner (TSI) sind es rund 5.000 Euro. Auf die Batterie gibt Volkswagen darüber hinaus eine Garantie für 8 Jahre beziehungsweise 160.000 Kilometer.

An Bord befinden sich beim VW e-Golf ohne Aufpreis beispielsweise vier Türen (normalerweise 900 Euro Aufpreis), das große Radio-Navigationssystem „Discover Pro“ mit einem 8 Zoll großen Touchscreen (bei der Linie „Comfortline“ kostet es 2.315 Euro), eine Klimaanlage, eine beheizbare Frontscheibe, ein Lederlenkrad, ein Lederschaltknauf, edle Dekore, LED-Rückleuchten und die Voll-LED-Scheinwerfer, die bislang nicht für einen anderen Golf erhältlich sind und noch so einiges mehr. Gegen einen geringen Aufpreis gibt es dank eines WLAN-Hotspots außerdem Internet an Bord.

Im Paket: Fahrer-Assistenten zum attraktiven Preis

Selbstverständlich sind für den VW e-Golf nahezu alle Fahrerassistenz-Systeme des herkömmlichen Golfs erhältlich. Für 1.290 Euro offeriert Volkswagen eine ganze Armada an Systemen im „Assist-Paket“. Dazu gehören unter anderem die automatische Distanzregelung ACC und das Umfeldbeobachtungssystem „Front Assist“, die das Fahrzeug durch automatisches Gas geben und Verzögern im gewünschten Abstand hinter dem Vordermann halten, oder die City-Notbremsfunktion, ein Spurhalte-Assistent, eine automatische Fernlichtregulierung, ein Geschwindigkeitsbegrenzer, ein Regensensor, eine Alarmanlage und mehr.

Clever für das Hauptrevier des e-Golfs: Für nur 200 Euro Aufpreis gibt es die automatische Ein- und Ausparkfunktion „ParkAssist“. Die Parklücke darf wahrhaftig eng sein; denn dem „ParkAssist“ genügen lediglich 40 Zentimeter Rangierabstand vorne und hinten. Wer das seitliche Einparken in der Stadt an einer viel befahrenen Straßen bislang aus Stressgründen vermied, kann dies nun ganz locker machen. Der Fahrer braucht nur Gas zu geben und zu bremsen, die Lenkarbeit übernimmt das Auto, so dass der e-Golf schnell und sauber in der Lücke steht.

Fazit:

Der neue VW e-Golf ist solide, alltags- und familientauglich und vor allen Dingen vertraut wie ein herkömmlicher Golf. Genau das könnte sich als Stärke beweisen, um die Allgemeinheit für ein Elektroauto zu begeistern. Zweifellos: Für diejenigen, die täglich lediglich auf der Kurzstrecke unterwegs sind und zu Hause über eine Lademöglichkeit verfügen, stellt der e-Golf gegenüber Diesel- und Hybrid-Modellen eine hervorragende, bezahlbare Alternative dar.

In Deutschland existieren laut der EU-Kommission bereits über 2.000 öffentliche Ladestationen. Bis zum Jahr 2020 soll sich die Anzahl sogar auf etwa 150.000 Stromtankstellen erhöhen - darunter hoffentlich zahlreiche Schnellladestationen, um die Elektromobilität weiter voranzutreiben.


Technische Daten VW e-Golf:

Antriebsart: Vorderradantrieb | Leistung: 85 kW/115 PS | Drehmoment: 270 Nm bei 0-3.000 U/min | Vmax: 140 km/h (elektronisch limitiert) | Beschleunigung 0-100 km/h: 10,4 Sekunden | Durchschnittsverbrauch: 12,7 kWh/100 km | Reichweite: 190 km | Preis: ab 34.900 Euro

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