Audi RS5 TDI Concept Test: So brutal kann Umdenken sein

, 25.09.2014


Unglaublich, mit nur 385 PS hänge ich den eigentlich übermächtigen, 560 PS starken Audi RS6 Avant ab, während mir ein emotionaler Sound in den Ohren liegt - und all das mit einem deutlich schwächeren Dieselmotor. Doch das ist bereits die Zukunft; denn ich gebe gerade dem Audi RS5 TDI Concept die Sporen, der ein Diesel-Triebwerk mit elektrischem Turbolader im Prototypen-Stadium besitzt. Dieser Test ist umso interessanter, da der elektrische Extra-Turbo bereits ab 2015 in Serie gehen dürfte und Audi damit erstmals das legendäre RS-Logo einem Diesel verpasst.

Darf ein Sportwagen ein Diesel-Triebwerk besitzen? Auf langen Strecken spielen Diesel-Motoren ihre Stärken durch einen effizienten Verbrauch aus. Richtige Sportwagen müssen ein starkes Benzin-Triebwerk besitzen, aggressiv beschleunigen und mit einer lautstarken Symphonie die Ohren verwöhnen - das ist zumindest die verbreitete Denkweise. Das ist wie Wasser und Öl, die einfach nicht zusammenpassen.

Doch jetzt heißt es Umdenken - und das auf eine besonders brutale Weise. Nebeneinander stehen der Audi RS5 TDI Concept und der Audi RS6 Avant. Letzterer besitzt einen V8-Motor mit 560 PS und 750 Nm Maximaldrehmoment, die von 1.750 bis 5.500 Touren anliegen. Der Audi RS5 TDI Concept verfügt hingegen nur über einen V6 Biturbo mit 385 PS und 750 Nm Drehmoment, die bereits von frühen 1.250 bis 2.000 U/min anliegen.

Tief schaue ich dem Fahrer des Audi RS6 Avant in die Augen, dessen Angriffslust deutlich zu sehen ist. Siegessicher wirkt der Blick des Kontrahenten, welcher der Kraft seiner 560 PS vertraut. Das Startzeichen folgt, wir beide hauen den Fuß auf das Gaspedal und ziehen gleichzeitig durch. Doch dann das: Der auf den ersten Blick auf dem Papier unterlegene Audi RS5 TDI Concept setzt sich ab. Erst bei etwa 60 km/h befindet sich der deutlich stärkere Audi RS6 Avant auf Augenhöhe, um mir dann die Rücklichter zu zeigen.

Vor allen Dingen überrascht der Audi RS5 TDI Concept, wie schnell und nahezu ansatzlos der Kraftaufbau bei niedrigen Drehzahlen erfolgt und welche schier unglaubliche Sprint-Performance das Coupé an den Tag legt. Obwohl die Leistungsspitze von 385 PS bei eher bescheidenen 4.200 Touren erreicht wird, steht das erstaunliche Drehmoment bereits knapp über dem Standgas zu Verfügung, während eine 8-Gang-Tiptronic aus dem Hause ZF den Kraftfluss überträgt. Noch schneller würde das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe von Audi selbst schalten, das jedoch mit dem immens hohen Drehmoment überfordert wäre.

Diese Performance wird dem RS-Status mehr als gerecht

Der Audi RS5 TDI Concept mit dem elektrischen Turbo sprintet von 0 auf Tempo 100 in nur ca. 4,0 Sekunden und erzielt eine Top-Speed von über 280 km/h. Trotz der Power steht dem gegenüber, so Audi, im Idealfall ein durchschnittlicher Verbrauch von etwa fünf Litern Diesel pro 100 Kilometer. Zum Vergleich: Der Audi RS6 Avant beschleunigt mit 3,9 Sekunden nur minimal schneller auf Tempo 100 als der Audi RS5 TDI Concept, begnügt sich jedoch bei zurückhaltender Fahrweise mit durchschnittlich 9,8 Litern Super pro 100 Kilometer.

Beim Audi RS5 TDI Concept vergisst der Fahrer schnell, dass für den Vortrieb ein Diesel sorgt. Dafür sorgen der satte Durchzug, der kraftvolle Druck von unten heraus, die Eliminierung des Turboloches und der emotionale Motorsound mit einem tiefen Bass, der mehr wie ein großes V8-Triebwerk klingt als ein V6-Motor. Sportliche Fahrer werden neben der Überhol-Power beim Druck auf das Gaspedal die spontane Kraftentfaltung aus engen und damit langsamen Kurven heraus schätzen, während der elektrische Turbo im Alltag erspart viele Rückschaltungen.

So funktioniert der elektrische Extra-Turbo

Der herkömmliche TDI-Motor bezieht seine Kraft aus dem Ladedruck, den der Turbolader aufbaut. Dieser ist auf die Energie des Abgases angewiesen. Beim Anbremsen von Kurven verliert der bislang bekannte Dieselmotor an Boost, so dass sich beim Herausbeschleunigen die Anzugskraft reduziert - bevor Dieselmotoren in Fahrt kommen, gehen sie es erst einmal gemütlich an.

Damit ist jetzt Schluss: der elektrische Biturbo löst dieses Problem und greift dann ein, wenn der Abgasstrom noch zu dünn ist und die Verdichter noch nicht richtig Puste haben. Zusätzlich zum klassischen Abgasturbolader besitzt der elektrische Biturbo einen zweiten, seriell angeordneten Lader. Statt des Turbinenrades integrierte Audi ferner eine kleine E-Maschine, die das Verdichterrad innerhalb von 250 Millisekunden auf maximale Drehzahl beschleunigt.

Bei sehr niedrigen Drehzahlen und entsprechend geringer Abgasenergie am Turbolader schließt die Bypassklappe - die Luft wird dadurch in den elektrischen Verdichter geleitet. Der elektrische Verdichter füllt den Drehmomentverlauf im unteren Bereich auf und sorgt so für schnelles Ansprechen. Dank des intelligenten Zusammenspiels beider Turbolader steht unmittelbar nach jedem Schaltvorgang erneut Ladedruck bereit - und damit auch beim passionierten Kurvenwildern am Kurvenausgang.

In die Kurven hineingedrückt

Das hervorragende Beschleunigungsvermögen und die Stabilisierung des Fahrzeugs bei Lastwechselreaktionen unterstützt der permanente Allradantrieb. Das Kronenrad-Mittendifferenzial kann dabei die Verteilung der Momente zwischen Vorder- und Hinterachse blitzschnell variieren, während das Sportdifferential an der Hinterachse die Kräfte bedarfsgerecht zwischen den hinteren Rädern verteilt. So dirigiert das Sportdifferential beim Anlenken oder beim Beschleunigen in einer Kurve die Kraft gezielt zum kurvenäußeren Hinterrad und drückt den Audi RS5 TDI Concept quasi in die Kurve hinein.

48 Volt: Noch mehr Kraft und Effizienz

Mit dem heutigen Stand der Technik sind die 12-Volt-Bordnetze an der Grenze ihrer Möglichkeiten angelangt - vor allen Dingen bei niedrigen Temperaturen. Für neue, dynamische Verbraucher, wie zum Beispiel leistungsstarke elektrisch angetriebene Verdichter reicht die Batterieleistung nicht aus.

Die Energie, die der elektrische Verdichter für seinen Antrieb braucht, gewinnt das System zum großen Teil verbrauchsneutral durch Rekuperation in den Schubphasen. Für die Stromversorgung des elektrischen Verdichters sind jedoch ein separates 48 Volt-Stromnetz samt eigener, kompakter Lithium-Ionen-Batterie im Gepäckraum und eine Leistungselektronik erforderlich. Ein DC/DC-Wandler stellt die Verbindung zum 12 Volt-Bordnetz her.

Mit dem neuen 48 Volt-Teilnetz sind große Vorteile verbunden. Es ermöglicht im Gegensatz zu einem 12-Volt-Netz die Übertragung größerer Energiemengen für die leistungsstarken, elektrischen Verbraucher der Zukunft - etwa thermoelektrische Heizelemente, elektromechanische Hinterradbremsen oder Motornebenaggregate wie Öl- und Wasserpumpen. Die höhere Spannung bedeutet gleichzeitig niedrigere Ströme, so dass Audi die Kabelquerschnitte kleiner auslegen und an dieser Stelle das Gewicht wiederum senken kann. Audi will das 48 Volt-Teilbordnetz bereits bald in mehreren Modellreihen in den Markt einführen.

Fazit:

Das Engagement von Audi in die Zukunft der Diesel-Technologie ist offensichtlich und mit einem radikalen Umdenken für sportliche Fahrer verbunden. Der Audi RS5 TDI Concept beweist, dass ein Dieselmotor als echte Alternative zu einem Benziner die sportlichsten Audi-Modelle bestens befeuern kann. Dazu bringt der elektrische Extra-Turbo mit seinem mächtigen Druck einen echten Gewinn beim Ansprechverhalten. Die Zukunft kann kommen!


Technische Daten Audi RS5 TDI Concept:

Antriebsart: Allradradantrieb | Hubraum: 2.967 cm³ | Leistung: 283 kW/385 PS bei 4.200 U/min | Drehmoment: 750 Nm bei 1.250-2.000 U/min | Getriebeart: 8-stufige Tiptronic | Vmax: > 280 km/h | Beschleunigung 0-100 km/h: ca. 4,0 Sekunden | Durchschnittsverbrauch: etwa 5,0 l/100 km

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