Der originale Audi S1 stellt eine Legende im Motorsport dar. Doch Audi ist auf Krawall aus und nutzt die Bezeichnung „S1“ für einen kleinen Giftzwerg: den Audi S1 auf Basis eines Kleinwagens. Schande und grotesk? Jetzt heißt es, sich von dem legendären Vorfahren zu lösen; denn das, was Audi mit dem neuen allradangetriebenen S1 realisierte, stellt eine echte Waffe unter den Rennsemmeln dar, die wir in einem Test scharf machten und mit aller Gewalt erlebten.
In den 1980er-Jahren stammten die wahnwitzig leistungsgesteigerten Rallye-Fahrzeuge der legendären „Gruppe B“ von einem anderen, verrückten Planeten und zogen Tausende Zuschauer mit einer überkochenden Begeisterung an die Rallye-Pisten der ganzen Welt. Der Audi Sport quattro S1 kam damals auf mächtige 450 PS und spurtete in 3,5 Sekunden von 0 auf Tempo 100. In der Evolutionsstufe E2 waren es sogar 530 PS und die Rallye-Ausführung schoss in nur 3,1 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Dazu der charakteristische Sound des Fünfzylinder-Turbomotors - diese Ikone sorgte für echtes Gänsehaut-Feeling.
Wer hat nicht die Bilder von YouTube-Videos im Hinterkopf, als sich der Audi Sport quattro S1 mit seinem markanten Sound bereits von Weitem ankündigte und dann plötzlich über die Kuppe sprang. Den Zuschauern vor Ort dürften die Haare auf dem Arm zu Berge gestanden haben.
Dennoch: Der kurze Audi Sport quattro S1 konnte mit Walter Röhrl und Christian Geistdörfer als Co-Piloten mit der Rallye Sanremo 1985 nur einen einzigen Weltmeisterschaftslauf gewinnen. Nicht ohne Grund: Fahrer wie Walter Röhrl und Stig Blomqvist bevorzugten den längeren Audi Sport quattro, da der S1 nicht das beste Kurvenverhalten aufwies. Nur wenige Fahrer waren überhaupt in der Lage, das Rallye-Monster zu bändigen.
Zur Ikone avancierte der S1 jedoch endgültig, als Walter Röhrl am Steuer der 598 PS starken Evolutionsstufe des Audi Sport quattro S1 E2 das berühmte „Pikes Peak“-Bergrennen in einer Fabelzeit von 10:47,85 Minuten gewann und als Erster die 11-Minuten-Marke beim „Race to the Clouds“ knackte. Diesen Rekord konnte bis heute kein weiteres Fahrzeug mit Frontmotor unterbieten.
Die Pferde gehen durch: Der pure Auswuchs von Kraft
Audi ist verrückt genug, einen neuen „Bad Boy“ auf die Räder zu stellen, einen Kleinwagen mit 231 PS, der als S-Version des A1 konsequent der bekannten Namensgebung folgt: S3, S4, S5, S6, S7 und S8. Giftig ist der neue Audi S1 dazu, er ist der Schnellste in seinem Segment und besitzt als einziger Supermini einen Allradantrieb.
Ich drücke den Startknopf und genieße den sportlich-bassigen Sound - im Stand kein Brüllen, nur etwas lauter als beim herkömmlichen Audi A1. Doch das ändert sich schnell. Als Antrieb des von uns getesteten fünftürigen Audi S1 Sportback dient ein Hochleistungs-Vierzylinder (EA888). Der mit einem Abgasturbolader versehene 2.0 TFSI leistet 231 PS bei 6.000 U/min und 370 Nm Drehmoment, die zwischen 1.600 und 3.000 Touren anliegen - das ist sogar mehr Power als der größere VW Golf GTI Performance (230 PS und 350 Nm).
Das Gaspedal durchgetreten, gehen die Pferde durch und der Kleine schießt in nur 5,9 Sekunden von 0 auf Tempo 100 (beim Dreitürer sind es sogar nur 5,8 Sekunden). Erst bei 250 km/h ist Schluss. Beim Spurt gibt es eins auf die Ohren: Ein Soundaktuator verstärkt im „Dynamic“-Modus das Ansauggeräusch, während sich bei höherer Last und Drehzahl eine schaltbare Klappe im Abgasstrang öffnet. Angenehm ist jedoch die Tatsache, dass der Audi S1 selbst bei hohen Geschwindigkeiten die Ohren nicht malträtiert.
Der Konkurrenz zeigt der Audi S1 die Rücklichter: Deutlich abgeschlagen sind der VW Polo R WRC (220 PS, 0-100 km/h in 6,4 Sekunden, Vmax 243 km/h), der Mini John Cooper Works GP Edition (218 PS, 0-100 km/h in 6,3 Sekunden, Vmax 242 km/h), der Citroën DS3 Racing (207 PS, 0-100 km/h in 6,5 Sekunden, Vmax 235 km/h) oder auch der Opel Corsa OPC Nürburgring Edition (210 PS, 0-100 km/h in 6,2 Sekunden, Vmax 230 km/h).
Ein Muss: Hammer the Pedal!
Schnell geradeaus fahren können viele Rennsemmeln. Der wahre Spaß liegt jedoch in den Kurvenrevieren. Das früh anliegende und für einen Kleinstwagen immens hohe Drehmoment, der kurze Radstand - das sind Zutaten für die pure Agilität. Der 2.0 TFSI reagiert dazu so spontan auf Gaspedalbefehle, dass er die Insassen beim Beschleunigen spürbar in die Sportsitze drückt, die zugleich in scharfen Kurvenfahrten einen idealen Seitenhalt bieten. Dazu kommen die direkte Lenkung und der große Spaß daran, die Gänge des manuellen 6-Gang-Getriebes reinzuhauen, das durch kurze und präzise Wege besticht.
Wer den permanenten Allradantrieb zu nutzen weiß, wird die Extra-Dosis Spaß erleben. Abhängig vom Fahrzustand, verteilt die hydraulische Lamellenkupplung die Antriebsmotormomente zwischen den Achsen. Also: Hammer the Pedal! Und das System leitet 50 Prozent der Momente blitzschnell auf die Hinterachse, so dass sich der Audi S1 mit einem geradezu anderen Charakter zeigt, in Kurven sich in den Asphalt krallt und aus Kehren mit Passion herausbeschleunigt. Im Normalfall liegen nur 60 Prozent der Kraft an der Vorderachse an.
Im Sport-Modus oder bei abgeschaltetem ESC (elektronische Stabilitätskontrolle) sind auf einer Fahrbahn mit niedrigem Reibwert sogar kontrollierte Drifts möglich. Nie war das Fahren auf Eis (mit Spikes) oder die Suche nach einem Schotterplatz zum Austoben schöner. Zugunsten einer präzisen Fahrzeugbeherrschung bleiben bei deaktiviertem ESC lediglich die radselektive Momentensteuerung und die elektronische Differentialsperre EDS für optimale Traktion aktiv.
Der Audi S1 bereitet eine Menge Spaß beim Kurvenwildern, zeigt sich beim Nähern des Grenzbereiches allerdings etwas frontlastig. Der Allradantrieb und der größere Motor bringen etwa 100 Kilogramm zusätzliches Gewicht mit, die nahezu komplett an der Vorderachse anliegen. Genau aus diesem Grund verzichtete Audi beim S1 auf ein Doppelkupplungsgetriebe (DSG), was noch mehr Gewicht bedeutet und sich ungünstig auf die Gewichtsverteilung ausgewirkt hätte.
Dennoch lässt sich die Krawallbüchse auf kurvigen Landstraßen wunderbar einfach handeln. Die Neigung zum Untersteuern (Fahrzeug will tendenziell geradeaus) minimiert Audi durch das ESC im Zusammenspiel mit der Lammellenkupplung. Bereits vor Erreichen des Untersteuergrenzbereichs werden die kurveninneren Räder unmerklich mit einem fein dosierten Bremsmoment beaufschlagt. Im Antriebsfall fließt das überschüssige Drehmoment auf das kurvenäußere Rad, so dass der kleine Giftzwerg exakt in Kurven und Kehren einlenkt. Für den Rest sorgt der Allradantrieb - also: Hammer the Pedal!
Schöner kann es nicht sein - kein gnadenloses Einbremsen
Selbst wer es beim Kurvenwildern übertreibt, wird nicht einfach gnadenlos durch die Elektronik eingebremst - der Kleine hält noch immer genug Durchzugskraft, um kräftig aus einer Kurve herausbeschleunigen zu können. Schöner kann es nicht sein, die Kurvenreviere zu erobern und mit jeder Kehre das Grinsen im Gesicht wachsen zu lassen.
Das Setup des Fahrwerks führte Audi sportlich-straff aus, während das serienmäßige Fahrdynamiksystem „Audi Drive Select“ es erlaubt, die Arbeitsweise des Motors, der Klimaautomatik und der ebenfalls serienmäßigen schaltbaren Stoßdämpfer in mehreren Stufen zu variieren. Durch definierte Regeleingriffe ermöglicht der „Dynamic“-Modus zusammen mit der direkter ansprechenden radselektiven Momentensteuerung eine agilere Fahrweise als die Modi „Efficiency“ und „Auto“.
Stärker zeigt sich der Audi S1 auch bei der Bremsanlage: Bei Bedarf verzögert der Audi S1 mit großen Scheibenbremsen. An den Vorderrädern sind diese innenbelüftet und weisen 310 Millimeter Durchmesser auf. An den Hinterrädern arbeiten massive 272-Millimeter-Scheiben. Der Hauptbremszylinder wurde gegenüber den A1-Modellen vergrößert, der Bremskraftverstärker spezifisch abgestimmt - der Pedalweg ist sehr kurz, der Aufbau des Bremsdrucks erfolgt schnell und spontan.
Der Audi S1 kann auch anders: Der „Auto“-Modus besticht durch die gleichmäßige Leistungsabgabe und die nun spürbar komfortabel eingestellten Dämpfer, so dass das Gefühl aufkommt, ein physikalisch größeres Auto zu fahren. Sind die unteren Gänge kurz übersetzt, legte Audi den sechsten Gang verbrauchssenkend lang aus. Wer sich beherrschen kann - wir schafften es nicht - soll im Durchschnitt 7,1 Liter Kraftstoff auf 100 Kilometern verbrauchen. Auf der anderen Seite: Das Spaßpotential ist immens!
Großer Auftritt, der die Blicke auf sich zieht
Auch optisch lässt der Kraftzwerg seine Muskeln spielen. Die markant gestaltete Front strahlt pure Angrifflust aus, wozu nicht nur die großen Lufteinlässe und die konturierte Motorhaube, sondern insbesondere die scharf gezeichneten „Xenon plus“-Scheinwerfer mit der roten Blende beitragen, die wie die funkelnden Augen eines Raubtieres auf Beutezug wirken. Die meisten Verkehrsteilnehmer sehen den Audi S1 beim Fliegen durch die freie Wildbahn nur so: ein dynamisch gezeichnetes Heck mit einem markanten Diffusoreinsatz, der vier Endrohre beherbergt.
Besonders cool: das „Optikpaket quattro Exterieur“, das unter anderem eine in hochglänzendem Schwarz lackierte Dachkuppel, einen großen Dachflügel, eine Frontspoilerlippe in Aluminium-Optik und 17 Zoll große Gussfelgen in einem heißen 5-Arm-Facetten-Design umfasst. Der Audi S1 weiß sich in Szene zu setzen und die Blicke auf sich zu ziehen.
Der persönliche Startplatz
Im Innenraum beginnt der Countdown zum Starten des Motors und Durchdrücken des Gaspedals. Einmal Platz genommen, gefallen die bequemen, mit Feinnappa-Leder bezogenen S-Sportsitze samt integrierten Kopfstützen und mit Leder bezogenem, unten abgeflachten Sportlenkrad. Peppige Akzente setzen die wie in der Außenlackierung gehaltenen gelben Lehnenabdeckungen und die ebenfalls gelbe Mittelkonsole.
Wie es sich für einen Kleinwagen von Audi gehört, fällt der Innenraum für dieses Segment hochwertig aus: das Armaturenbrett besitzt eine angenehme Softtouch-Oberfläche und selbst die Türauflagen bezogen die Macher mit Leder. Viele Bedienteile glänzen in Aluminium-Optik, während dezente Leisten die Schalter auf der Mittelkonsole und die Blende des Navigationssystems zieren. Die Pedalkappen bestehen ferner aus gebürstetem Edelstahl.
Dem Spaß mit dem Audi S1 Sportback steht selbst bei großgewachsenen Fahrern nichts im Wege: Vorne finden locker 1,95 Meter große Personen Platz. Für die Mitfahrer im Fond wird es allerdings eng; denn diese sollten nicht länger als 1,70 Meter sein. Pluspunkt: Sogar die zwei Rücksitze sind gut konturiert, um das Kurvenwildern ohne Herumrutschen im Fond erleben zu können.
Internet, die übersichtliche Navigation mit hochauflösenden Bildern von „Google Earth“ und „Google Street View“ - auch das bietet die kleine Krawallbüchse dank der „MMI Navigation Plus“, um schnell oder mit einem besonders kurvenreichen Umweg ans Ziel zu gelangen, während die Mitfahrer mit ihren mobilen Endgeräten über den integrierten WLAN-Hotspot frei surfen können. Darüber hinaus zeigt das System auf dem scharfen 6,5-Zoll-Monitor übersichtlich die günstigsten Tankstellen in der Nähe samt Preisangabe sowie Parkmöglichkeiten und wo immer möglich, freie Parkplätze am Ziel an.
Für kleines Gepäck ist gesorgt
Relativ klein fällt das Gepäckraumvolumen aus: 210 Liter Ladevolumen bietet der Audi S1 Sportback. Mit umgeklappten Rücksitzlehnen sind es 860 Liter. Aufgrund des Allradantriebes nochmals kleiner als beim herkömmlichen Audi A1 Sportback, der 270 Liter beziehungsweise 920 Liter Ladevolumen bietet. Dennoch: der kleine Laderaum ist dank einer breiten Öffnung gut zugänglich und die Ladestufe angenehm niedrig. Kleine Utensilien lassen sich dagegen problemlos in den vielen Ablagen vorne unterbringen. Mitgedacht: In die Seitenfächer der Türen passen sogar 1,5 Liter große Flaschen.
Fazit:
Der Audi S1 sieht nicht nur heiß aus, er ist der aktuell schnellste Giftzwerg auf dem Markt, der seine Vorteile mit dem Allradantrieb auszuspielen weiß und eines im großen Stil bietet: mächtigen Fahrspaß in Kurvenrevieren. Als Kommandozentrale dient dabei einer der schönsten und hochwertigsten Innenräume im Segment. Hätte der damalige Audi Sport quattro S1 diesen technischen Vorsprung genossen, hätte er bei den Rallyes die Konkurrenten in Grund und Boden gefahren.
Technische Daten Audi S1 Sportback:
Antriebsart: Allradantrieb | Hubraum: 1.984 cm³ | Leistung: 170 kW/231 PS bei 6.000 U/min | Drehmoment: 370 Nm bei 1.600-3.000 U/min | Getriebeart: 6-Gang-Handschaltung | Vmax: 250 km/h (elektronisch begrenzt) | Beschleunigung 0-100 km/h: 5,9 Sekunden | Durchschnittsverbrauch: 7,1 l/100 km | CO2-Emission: 166 g/km | Preis: ab 30.800 EUR