VW Scirocco R 2014 Test: Straße gefahren, aber Rennstrecke gefühlt

, 06.10.2014


Auf der Straße gefahren, aber die Rennstrecke gefühlt: Der VW Scirocco R weiß seit jeher den Sturm zu entfachen. Jetzt erhielt das scharfe Sportcoupé ein optisches wie technisches Update, um mit noch mehr Leidenschaft den Asphalt zu erobern. Statt eines neuen Motors, gibt es mehr Power und ein aufgeladenes Interieur. Aber reicht das aus, um den neuesten Kompaktsportlern Paroli zu bieten oder liegt genau darin die Stärke des mächtigsten Sciroccos? Ein Test aus Sicht echter sportlicher Fahrer soll die Antwort liefern.

Bereits auf den ersten Blick stellt der VW Scirocco R klar, dass mit ihm nicht zu spaßen ist - vor allen Dingen nicht nach der jüngsten Charakterschärfe, die noch mehr Angriffslust zeigt. Die kraftbetonte, leicht modifizierte Front besticht durch große, schwarz glänzende Lufteinlässe, die den Asphalt am liebsten aufsaugen möchten, während die serienmäßigen Bi-Xenonscheinwerfer mit integriertem Kurvenlicht und LED-Tagfahrlicht den Gegner wie ein Raubtier anvisieren.

In der Seite sind es der flache Aufbau, die breiten Kotflügel, die kraftvoll geschwungenen Seitenwangen und die dynamisch gezeichneten Seitenschweller, die beim Scirocco R wirkungsvolle Akzente setzen und ihn satt auf der Straße liegen lassen. Die neu gestalteten Felgen des Typs „Cadiz“, die es serienmäßig in 18 Zoll gibt und optional in 19 Zoll, erweisen sich dazu als echte Hingucker.

Doch nie war es schöner, mit dem Scirocco R das Nachsehen zu haben: Wenn die Gegner überholt wurden, blicken diese auf den modifizierten, noch sportlicher gestalteten Heckstoßfänger. Nach wie vor fallen sofort die zwei verchromten, in den schwarz glänzenden Diffusor integrierten Abgasendrohre ins Auge. Neu sind hingegen der größere Dachkantenspoiler und auffällige Lüftungsgitter als Designelemente des Stoßfängers.

Antrieb: Auf alte Tugenden gesetzt

Den Zündschlüssel umgedreht, erwacht der 2,0 Liter große Turbo-Benziner zum Leben. 15 PS stärker als der Vorgänger, generiert das Triebwerk jetzt satte 280 PS. Bei 6.000 U/min steht die höchste Leistung zur Verfügung, das höchste Drehmoment von 350 Nm zwischen 2.500 und 5.000 U/min. So ausgerüstet, beschleunigt der wie bei unserem Testwagen mit einem manuellen 6-Gang-Getriebe kombinierte, frontangetriebene Scirocco R in nur 5,7 Sekunden von 0 auf Tempo 100 (vorher 6,0 Sekunden). Mit dem auf Wunsch erhältlichen 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe (DSG) sind es 5,5 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei elektronisch begrenzten 250 km/h.

Während der herkömmliche Scirocco neue Motoren erhält, gelangt beim Scirocco R weiterhin das altbekannte EA113-Triebwerk zum Einsatz, das sogar noch seine Dienste im Golf GTI der 5. Generation verrichtete. 280 PS klingen durchaus nach einem großen Power-Output - verblassen jedoch ein wenig im Vergleich zum aktuellen VW Golf VII R, dessen modernerer EA888-Motor mit gleichem Hubraum kraftvolle 300 PS besitzt und in nur 5,1 Sekunden (DSG 4,9 Sekunden) aus dem Stand auf 100 km/h sprintet. Sogar der Seat Leon Cupra 280 mit ebenfalls 280 PS beglückt seine Käufer mit dem EA888-Triebwerk und spurtet als Sportcoupé in 5,8 Sekunden von 0 auf Tempo 100.

Der allradangetriebene, mit dem manuellen 6-Gang-Getriebe gekoppelte Golf R ist im Idealfall mit einem Durchschnittsverbrauch von 7,1 Litern Kraftstoff pro 100 Kilometer sparsamer als der Scirocco R, der mit der Handschaltung im Mittel 8,0 Liter pro 100 Kilometer benötigt, wenn der Fahrer extrem defensiv fährt. Beim Seat Leon Cupra 280 Sportcoupé sind es 6,6 Liter auf 100 Kilometern (DSG 6,4 l/100 km).

Keine Sorge! Der alte Motor hat verdammt gute Qualitäten

Der EA888-Motor mag zwar das modernere Triebwerk sein. Aber nach wie vor gehört der VW Scirocco R zu den stärksten und agilsten frontangetriebenen Sportcoupés im Kompakt-Segment, das auch mit dem alten Triebwerk für mächtigen Fahrspaß sorgt. Zudem kann es mit Vorteilen verbunden sein, ein Zeitgenosse des VW Golf V zu sein. So ist der Scirocco R in keinster Weise verhätschelt. Eine variable Lenkungsübersetzung, die dem Lenkgefühl eine künstliche Komponente hinzufügt, gibt es beispielsweise nicht.

Einmal das Gaspedal durchgedrückt, entlädt sich die Power und der VW Scirocco R stürmt mit reichlich Druck nach vorne, sobald die kurzzeitig nach Grip winselnden Räder die notwendige Traktion gefunden haben. Dazu entweicht den üppigen Endrohren bei jedem Druck auf das Gaspedal und dem Steigern der Drehzahlen ein herrlich böse brummender Sound. Ein Turboloch? Fehlanzeige!

Als spaßfördernd zeigt sich ferner das Handschaltgetriebe, dessen Gänge sich präzise führen lassen. Das DSG schaltet die Gänge zweifellos schneller. Aber mit der Handschaltung ist es möglich, den beeindruckenden Druck im mittleren Drehzahlbereich bestens zu erkunden und in Spaß umzusetzen. Mit dem DSG verliert der Fahrer bei diesem charaktervollen Vierzylinder-Turbomotor hingegen etwas an Einflussnahme.

Fahrwerk: Das sind die Zutaten zum Kurvenräubern

Mit Speed geradeaus fahren können viele. Doch ein Sportcoupé wie der Scirocco R muss sich auch beim Kurvenwildern beweisen. Am spezifisch abgestimmten Sportfahrwerk des Scirocco R nahmen die Macher keine Änderungen vor. Die mechanische Differentialsperre aus dem VW Golf GTI Performance hielt leider nicht Einzug in den Scirocco R. Es bleibt beim serienmäßigen Vorderachs-Quersperrdifferential XDS - eine elektronische Differentialsperre (EDS), die Traktionsverluste durch Bremseingriffe eliminiert.

Im Detail: Sobald die Elektronik erkennt, dass das kurveninnere Rad der Vorderachse bei schneller Fahrt zu sehr entlastet wird, baut die ESP-Hydraulik an diesem Rad gezielt einen Bremsdruck auf, um wieder die optimale Traktion herzustellen. Das XDS wirkt so als Quersperrdifferential, um das für Fronttriebler typische Untersteuern in schnell gefahrenen Kurven auszugleichen.

In der Praxis: Bei der Kurvenhatz fällt sofort das gute Ansprechverhalten des Motors auf, das dem Fahrer ein Grinsen im Gesicht beschert und die Lust nach weiteren Kurvenrevieren steigert. Erstaunlich gut funktioniert dabei das XDS und gleicht in schnell gefahrenen Kurven das für Fronttriebler typische Untersteuern, also das Schieben über die Vorderräder, tatsächlich aus. Selbst in engsten Kurven bringt der Scirocco R die Kraft des durchgedrückten Gaspedals bestens auf den Asphalt. Die Lenkung ist zudem präzise und die serienmäßigen Sportsitze sorgen für den notwendigen Halt.

Bei Nässe zerren allerdings die Vorderräder durch die immense Kraft und XDS stößt bei dynamischer Fahrt an seine Grenzen, so dass der Scirocco R zum Untersteuern neigt und die elektronischen Regelsysteme zum Einsatz gelangen. Da kommt es zugute, dass sich die Kraft des Scirocco R exakt dosieren lässt. Das elektronische Stabilitätsprogramm ESP kann man nicht komplett deaktivieren - doch greift es erst angenehm spät ein und ermöglicht damit agilere Handling-Eigenschaften.

Die Dynamik unterstützt darüber hinaus ein Sportfahrwerk mit einer Tieferlegung um 15 Millimeter. Mit der adaptiven Fahrwerksregelung DCC stellt das System die Dämpfung permanent und radindividuell auf die jeweilige Fahrbahn ein. Bei Beschleunigungs-, Brems- oder Lenkvorgängen wird die Dämpfung in Sekundenbruchteilen verhärtet, um die fahrdynamischen Erfordernisse zu erfüllen. Damit der Fahrer das Systemverhalten zusätzlich seinen Wünschen anzupassen vermag, bietet DCC neben dem „Normal“-Programm zusätzlich die Modi „Sport“ und Comfort“. Das Fahrwerk fällt sportlich-straff aus, besitzt aber stets den passenden Restkomfort.

Für maximale Verzögerung sorgt derweil eine 17-Zoll-Bremsanlage mit rundum innenbelüfteten Scheiben, die vorne einen Durchmesser von 345 Millimetern aufweisen und hinten von 310 Millimetern. Verbesserungswürdig wäre jedoch die sehr breite A-Säule, die das Sichtfeld in engen Kurven einschränkt.

Innenraum: Das perfektionierte Motorsport-Feeling

Einmal Platz genommen, umgarnt die Insassen ein sauber verarbeitetes Interieur, in dem Volkswagen die sportliche Linie konsequent fortführt. Dunkle Töne und stilsicher gesetzte Akzente prägen den Innenraum. Zu den individualisierten Features des VW Scirocco R gehören neben den Sportsitzen mit kristallgrauen Ziernähten ein schwarzer Dachhimmel, Dekoreinlagen in „Carbon Race“, Applikationen in hochglänzendem Schwarz und Pedale aus Edelstahl.

Neu an Bord befinden sich serienmäßig drei oberhalb der Mittelkonsole integrierte Zusatzinstrumente: Ladedruck, Stoppuhr und Motoröltemperatur - eine Hommage an den ersten Scirocco aus dem Jahr 1974, bei dem je nach Ausstattungsversion zwei Zusatzinstrumente weiter unten in der Mittelkonsole eingebaut waren. Analog zu Modellen wie dem VW Golf GTI erhielt der Scirocco ein neues Kombiinstrument in Tubenoptik.

Auf Internet und die Integration des Smartphones mit dem Gefolge von Apps, wie es die modernen „Discover“-Geräte von Volkswagen ermöglichen, muss der Fahrer verzichten. Stattdessen hat der Kunde die Wahl zwischen verschiedenen Radio- und Navigationssystemen. In unserem Testwagen verbaute Volkswagen das Topmodell „RNS 510“, das sich über einen Farb-Touchscreen mit 16,5 Zentimetern Bildschirmdiagonale (6,5 Zoll) bedienen lässt. Seien wir ehrlich: Der Fahrer eines Scirocco R sucht lieber den Kick der Beschleunigung und den Spaß mit Kurven, als bei Facebook & Co. während der Fahrt Nachrichten zu posten - das geht auch beim nächsten Stopp, wenn man vollgepumpt mit Adrenalin aussteigt. Die Navigation funktioniert zudem auch ohne Google Maps zuverlässig.

In Konkurrenz zum Motorsound tritt das neue, speziell auf den Scirocco zugeschnittene Soundsystem „Dynaudio Excite“. Ein digitaler 8-Kanal-Verstärker erzeugt 400 Watt Gesamtleistung - verteilt auf 8 Lautsprecher - und sorgt für einen klaren, raumfüllenden Sound. Derweil bringt ein Subwoofer tiefe Bässe zur Geltung.

Aufgepasst: Die eigenen Augen aufhalten

Die Verkehrszeichenanzeige erfolgt nicht per Kamera in Echtzeit, sondern über den Navigationsdatenträger, das heißt die Aktualität der angezeigten Verkehrszeichen hängt vom Datenbestand der verwendeten Navigationsdaten ab, der Baustellen und temporäre Tempo-Limits nicht kennt.

Den Fahrer unterstützen unter anderem die automatische Fernlichtregulierung „Light Assist“, die vorausfahrende und entgegenkommende Fahrzeuge erkennt und automatisch das Ein- bzw. Ausschalten des Fernlichtes regelt, eine Geschwindigkeitsregelanlage mit Müdigkeitserkennung und eine Einparkhilfe mit Rückfahrkamera.

Hinten wird gekuschelt und die Lehne umgelegt

Spaß an Bord haben vorne selbst über 1,90 Meter lange Autoenthusiasten. Hinten wird es allerdings kuschelig eng - insbesondere aufgrund der geringen Kopffreiheit, so dass im Fond nur knapp über 1,70 Meter lange Mitfahrer Platz finden, was der schnittigen Dachlinie geschuldet ist. Doch sogar hinten sind die Sitze konturiert, so dass die Insassen bei agiler Fahrt nicht wild hin- und herrutschen und der Nachwuchs die dynamische Fahrt bestens miterleben kann.

Für kleine Mitbringsel stehen vorne ausreichend Ablagefächer zur Verfügung, die man im Fond vergeblich sucht. Wer auf Reisen gehen möchte, muss sich mit einem kleinen Kofferraum arrangieren, der nur 312 Liter fasst. Es lassen sich jedoch auf einfache Weise die Rücksitzlehnen umklappen, so dass das Ladevolumen auf bis zu 1.006 Liter steigt. Eine ebene Ladefläche entsteht dabei leider nicht. Ebenfalls verbesserungswürdig: die hohe Ladestufe. Ein Gepäcknetz ist für den VW Scirocco R nicht erhältlich, so dass die Koffer und Taschen haltlos einer dynamischen Kurvenfahrt ausgeliefert sind - und es fällt definitiv schwer, sich beim Scirocco R zu zügeln.

Fazit:

Das heiße Styling des VW Scirocco R im Modelljahr 2014 ist attraktiv wie nie und das Fahrzeug dazu richtig schnell. Selbst der in die Jahre gekommene Motor gehört nach wie vor zu den Vierzylinder-Turbos, die den größten Charakter bieten. Auch das XDS verrichtet beim Kurvenwildern seine Dienste erstaunlich gut und der Scirocco R bietet eine Menge Fahrspaß.

Aber die jungen Wilden holen auf: Der Seat Leon Cupra 280 besitzt beispielsweise die gleiche Leistung, ist aber mit dem neuen EA888-Motor ausgestattet, der dem Scirocco R verwehrt blieb. Der Seat ist zwar einen Wimpernschlag langsamer beim Spurt, aber sparsamer, etwas günstiger und verschlingt dank einer mechanischen Sperre die Kurven mit noch mehr Elan, auf welche die Fans des Scirocco R ebenfalls hofften. Aber das Styling des Scirocco R: begehrenswert!


Technische Daten VW Scirocco R (2014):

Antriebsart: Frontantrieb | Hubraum: 1.984 cm³ | Leistung: 206 kW/280 PS bei 6.000 U/min | Drehmoment: 350 Nm bei 2.500-5.000 U/min | Getriebeart: 6-Gang-Handschaltung | Vmax: 250 km/h (elektronisch begrenzt) | Beschleunigung 0-100 km/h: 5,7 Sekunden | Durchschnittsverbrauch: 8,0 l/100 km | CO2-Emission: 187 g/km | Preis: ab 36.175 EUR

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