BMW-Motorsportchef Jens Marquardt sucht Alternativen zu Performancegewichten: Angleichung durch mehr Entwicklungsaufwand oder durch mehr Gleichteile?
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Seit der Abschaffung der Performancegewichte in der DTM werden die Vorzüge der einzelnen Fahrzeuge wieder deutlicher sichtbar. Am vergangenen Rennwochenende in Österreich war Audi das Maß der Dinge, ein ähnliches Szenario ist für das Finale in Hockenheim am kommenden Wochenende zu erwarten. Der Audi RS5 DTM des Jahrgangs 2017 ist das stärkste Fahrzeug der Szene. Da sind sich viele Beobachter einig. Das Problem: Weil die Autos über zwei Jahre homologiert sind, kann die Konkurrenz kaum aufholen.
In den Rennen in Spielberg habe man das "wahre Kräfteverhältnis" gesehen, meint BMW-Motorsportdirektor Jens Marquardt. Gleichzeitig seien aber auch die Problematiken in einer DTM ohne ausgleichende Elemente zutage getreten. Dies hat ein grundlegendes Problem der DTM mit seinem Homologationszyklus von zwei Jahren offenbart: Wenn es zu Ungleichgewichten kommt und korrigierende Elemente wie das Performancegewicht nicht greifen, dann kann das nicht im Sinne der Fans sein", meint der BMW-Verantwortliche.
Eine Siegesserie von Audi auch in der kommenden DTM-Saison 2018 kann nur dann verhindert werden, wenn es neue ausgleichende Elemente oder neuen Entwicklungsspielraum gibt. Eine Rückkehr zu den Performancegewichten will jedoch niemand. "Wir haben uns im Sinne des Sports richtigerweise geeinigt, darauf künftig zu verzichten", sagt Marquardt. "Ein weiteres Szenario ist, dass die beiden anderen Hersteller ihren Ressourcen-Einsatz erhöhen, um das Defizit auf den Mitbewerber auszugleichen."
"Die Folge einer solchen Situation ist ein technisches Wettrüsten, wie wir es auch in der Formel 1 oder in der LMP1-Klasse gesehen haben. Das kommt für uns jedoch in der DTM nicht in Frage, nicht zuletzt deshalb haben wir uns auf lange Homologationszyklen geeinigt", so der BMW-Rennleiter. "Der dritte Ansatz umfasst die Vereinheitlichung von Teilen im sichtbaren und für die Fans nicht sichtbaren Bereich sowie die Reduzierung der Aerodynamik. Dies hat viele positive Effekte: Unter anderem wird das Racing verbessert, da die Autos aerodynamisch weniger sensibel sind. Und wir senken die Kosten."
Powert Audi mit LMP1-Kraft in der DTM?
Für Marquardt und seine BMW-Mitstreiter steht fest: Dieser dritte Ansatz ist jener, den es in der DTM mit Blick auf die Zukunft zu verfolgen gilt. "Er repräsentiert unsere Vision für die Zukunft der DTM", so Marquardt. "Die Rolle der Serie kann nicht darin liegen, dass sie für einen Hersteller als LMP1-Ersatz dient." Dieser Satz ist eine klare Spitze in Richtung Audi. Die Ingolstädter nutzten angeblich ihre nach dem Ende des Le-Mans-Programms frei gewordenen Ressourcen, um das DTM-Auto im Windkanal zu optimieren.
Das Ergebnis ist sichtbar - nicht für den Fan beim Blick auf das Auto, aber beim Studium der Zeitenlisten. Der RS5 hat unter anderem offenbar im Bereich der Radhäuser eine aerodynamische Effizienz, die bei den Konkurrenzprodukten von BMW und Mercedes nicht vorhanden ist. Die Audi-Gegner müssten teure Windkanalstunden investieren, um diesen Rückstand aufzuholen. "Ein Wettrüsten muss unbedingt verhindert werden - und das findet nun einmal zu großen Teilen in der Aerodynamik statt", sagt Marquardt.
"Das wichtigste Alleinstellungsmerkmal der DTM muss es sein, einen spektakulären, engen Wettkampf aller involvierten Hersteller zu ermöglichen bei dem der Fahrer im Vordergrund steht. Die Leistung der Piloten soll am Ende den Ausschlag geben", meint der BMW-Rennleiter und teilt damit die Ansicht von DTM-Chef Gerhard Berger und DMSB-Präsident Hans-Joachim Stuck. "Die DTM muss für ein Renn-Spektakel der besten Tourenwagen-Fahrer der Welt stehen - und nicht für einen teuren Wettstreit der Ingenieure."
DTM soll Spektakel und Spaß bieten
"Dazu ist es unerlässlich, die Aerodynamik endlich signifikant zu reduzieren. Es darf nicht mehr möglich sein, etwa durch den Einsatz von in anderen Rennserien freigewordenen Ressourcen das System auszuhebeln", formuliert Marquardt einen weiteren verbalen Giftpfeil in Richtung Ingolstadt und Neuburg (Audi-Sport-Entwicklungszentrum). "Deshalb haben wir uns schon von Beginn an für den so genannten Berger-Vorschlag ausgesprochen - und freuen uns, dass uns die anderen auf diesem Weg folgen."
Gerhard Berger sieht die Zukunft der DTM mit Fahrzeugen, deren Aerodynamik erheblich reduziert ist und deren Motorleistung mit dem neuen Zweiliter-Turbomotor signifikant erhöht ist. Es soll ein Wettstreit der Piloten werden, nicht der Dateningenieure, die in Zeiten begrenzten Personals an den Strecken in hoher Zahl in sogenannten "OPS-Rooms" an Standorten von Audi, BMW und Mercedes sitzen. Dort werden Marschrouten festgelegt. Der Fahrer verkommt zum ausführenden Element.
Nur wenn es eine einfache, greifbare und gleichzeitig beeindruckende Technik mit "Helden in Cockpits" (Zitat Marquardt) gibt, dann kann die DTM eine Zukunft haben. "Natürlich stellt der angekündigte Mercedes-Ausstieg die DTM vor große Herausforderungen. Wenn man sich im Fahrerlager umschaut, dann wird einem aber die ganze Dimension der DTM bewusst - mit all den Zulieferern und Partnern, mit den vielen Fans auf der Tribüne und vor den Fernsehern und mit ihrer Bedeutung in der internationalen Motorsport-Szene insgesamt", sagt der BMW-Motorsportdirektor.
"2012 sind wir in die DTM eingestiegen, weil wir an diese Serie glauben. Wer weiß, ob es die DTM ohne diesen Einstieg heute überhaupt noch geben würde", meint Marquardt. Damals war allen Beobachtern klar: Eine DTM mit nur noch zwei Herstellern wird es niemals wieder geben können. 2019 droht aber ein solches Szenario. "Wir müssen nun für den weiteren Erhalt der Serie kämpfen - und genau das tun wir mit Hochdruck. Die kommenden Monate werden in jedem Fall sehr spannend."