Audi-Motorsportchef Dieter Gass vergleicht die beiden Audi-Flaggschiffe DTM und Formel E, findet es aber schwierig, Vorteile der E-Serie auf die DTM zu übertragen
© Foto: FIA Formula E
Audi hat sein Motorsportprogramm vor wenigen Tagen neu ausgerichtet. Die Ingolstädter kappen nach der Saison die Seile in der Langstrecken-Weltmeisterschaft WEC und haben neben dem markeneigenen Kundensport-Programm den Fokus vor allem auf zwei Serien gelegt: die DTM und die Formel E. Doch beide Meisterschaften könnten eigentlich unterschiedlicher kaum sein.
In der DTM fährt man das Engagement sogar zurück und bringt (wie auch BMW und Mercedes) statt acht nur noch sechs Autos an den Start, wohingegen man in der Formel E erst so richtig loslegen wird. Zwar gab es über das Abt-Team bereits in den ersten beiden Saisons der Elektromeisterschaft Verbindungen in die Serie, doch ab sofort verstärkt sich das Werksprogramm in der Formel E, bis man sein eigenes Team an den Start bringen wird.
Eigentlich erhofft sich ein Hersteller meist Synergien aus einem parallelen Engagement, doch der neue Audi-Motorsportchef Dieter Gass hält dieses Thema für äußerst schwierig: "Ich glaube, dass die Konzepte so unterschiedlich sind, dass es ganz, ganz schwer ist, positive Effekte von der einen Serie auf die andere zu übertragen", meint er. "Man muss halt sagen, dass es (die Formel E; Anm. d. Red.) etwas ganz anderes ist als das, was wir in der DTM und an anderer Stelle machen."
Alleinstellungsmerkmal: Rennen im Herzen der Städte
Während man die DTM überspitzt ausgedrückt als Schaulaufen der drei großen deutschen Hersteller bezeichnen kann, geht es in der Formel E vor allem um Entwicklung der Elektrotechnologie für den Automarkt. "Formel E und E-Mobilität sind ein Thema, das momentan keinen kalt lässt" so Gass. Das ist sowohl in positiver wie auch in negativer Hinsicht gemeint, denn neben den Fans der neuen Serie gibt es auch viele Kritiker, die sich am gewöhnungsbedürftigen Racing und fehlenden Sound stören.
Auch Gass ist etwas zwiegespalten, was die Formel E angeht: "Wenn man sich die Rennen und die Strecken anschaut, muss ich sagen, dass ich mich damit als purer Racer noch immer etwas schwer tue." Dafür biete die Elektromeisterschaft andere Vorteile, wie etwa die ganz besondere Atmosphäre durch die Events mitten in der Innenstadt von Paris, New York oder Berlin - ein Alleinstellungsmerkmal. "Das ist geil, und das können wir (in der DTM; Anm. d. Red.) in der Form nicht bieten", weiß Gass.
Doch genau diese Rennen bieten im Gegensatz zum Deutschen Tourenwagen Masters auch gewisse Risiken: Zum einen kostet es viel Geld, die Rennen in den Innenstädten auszutragen, gleichzeitig fehlt aber die Refinanzierung durch die Zuschauereinnahmen, weil es keinen Platz für viele Tribünen gibt, meint Gass. So waren in Berlin in diesem Jahr rund 14.000 Fans an die provisorische Strecke gekommen - beim Saisonfinale der DTM 2016 strömten nach Angaben rund 142.000 Zuschauer (an drei Tagen) nach Hockenheim.
DTM: Besseres Rahmenprogramm, mehr Zuschauer
"Außerdem können sie kein Rahmenprogramm aufstellen, denn sie können sich nicht einfach einen Carrera-Cup ins Programm holen. Dadurch entstehen über den Tag sehr, sehr große Lücken zwischen den einzelnen Sessions auf der Strecke. Das sind Themen, die nicht so ganz einfach zu lösen sind", so Gass weiter. Tatsächlich herrscht bei der Formel E eine Leere im Rahmenprogramm: Abseits der Hauptserie gibt es derzeit kein adäquates Rennformat - was sich in Zukunft allerdings ändern soll.
Trotz aller Schwächen schlägt sich die Formel E in der Außendarstellung sehr gut. Die DTM-Marken Audi, BMW und Mercedes haben sich alle mit dem Thema beschäftigt und sind sogar schon dabei: Audi will mit Abt ein Werksteam aufbauen, gleiches gilt für BMW, die seit dieser Saison mit dem Andretti-Team kooperieren. Und auch Mercedes hat sich bereits ein Einstiegsrecht für 2018 gesichert.
Hinzu kommen Hersteller wie Renault, Citroen oder Jaguar, die bereits ein eigenes Team an den Start bringen. "Die Vermarktung in der Formel E ist schon ausgezeichnet. Die waren ja schon in aller Munde, bevor sie überhaupt das erste Rennen gefahren sind", lobt der Audi-Motorsportchef die Bemühungen. "Das war sicherlich ein sehr guter Start. Ich sehe auch, dass die Begeisterung bei den Leuten und den Sponsoren extrem groß ist." Fraglich ist nun, ob man das auch irgendwie auf die DTM übertragen kann...