Der Audi-Star erklärt, wieso PR-Freundlichkeit in der DTM auf Kosten der Individualität geht: Der Internationalisierung kann er nicht viel abgewinnen
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Nicht nur wegen seiner zwei Titelgewinne zählt Timo Scheider zu den Aushängeschildern der DTM. Der Audi-Pilot ist einer, der stets sagt, was er denkt. Damit erfüllt er eigentlich nicht den Fahrerstandard einer Serie, die vom Engagement dreier Hersteller bestimmt wird. "Mir würde es gefallen, wenn wir unsere Typen mehr Typen sein lassen würden und ein bisschen weniger die Marke im Vordergrund steht", erklärt Scheider im Gespräch 'Lausitzer Rundschau' und sucht Vorbilder in der Formel 1.
Dort gibt es ein Quäntchen Narrenfreiheit für Stars: "Einheitliche Teamkleidung, einheitliche Auftritte, wenn ihr auftretet, habt ihr das und das zu sagen", beschreibt Scheider das DTM-Korsett und plädiert für mehr Individualität: "Warum ist ein Räikkönen interessant, ein Alonso? Weil sie polarisieren, mit Flip-Flops und Shorts im Fahrerlager auftauchen, singen. Weil es Geschichten zu erzählen gibt." Betrunken von einer Yacht stolpern - für jemanden mit Werksvertrag wäre das wohl auch im übertragenen Sinn der Genickbruch.
Scheider will sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn er eine späte Musikkarriere mit Anti-Schwiegersöhnen einschlägt: "Hamilton, der sich mit ein paar Rappern rumtreibt", erinnert der Lahnsteiner an manche Eskapade des Formel-1-Stars. "Wenn ich mit Bushido abhängen würde, fände das Audi nicht so toll." Dennoch sieht der 34-Jährige eine Gefahr in einem Freifahrtschein für die Piloten: Verliert die DTM ihre Daseinsberechtigung als Marketing-Instrument, sind Hersteller ganz schnell verschwunden und die Serie wackelt wieder.
Zu viel Chaos, zu wenig Action
Ähnlich verhält es sich mit der Internationalisierung des Rennkalenders: Dafür spricht, dass Intermezzi auf Wachstumsmärkten Vorstände zufriedenstellen und den Sport als werbewirksame Angelegenheit erscheinen lassen. Scheider kennt die Kehrseite: "Das ist für uns natürlich nicht so schön, wenn nur wenige Zuschauer vor Ort sind", gibt er mit Blick auf die China-Rückkehr 2014 zu bedenken und plädiert für die Rennen in Deutschland: "Ich habe nichts dagegen, neue Strecken kennenzulernen. Aber: Wir sind das Deutsche Tourenwagen Masters, keine Weltmeisterschaft."
Der Typ Scheider hält auch nicht hinter dem Berg damit, dass die neuen Option-Reifen nicht das Allheilmittel bei mangelnder Action sind: "Alle wollen die direkte Konkurrenz auf der Strecke vermeiden, um die Reifen perfekt einzusetzen. Das ist nicht im Sinne des Erfinders und nicht im Sinne des Sports", hadert er mit Piloten, die sich auf Zielzeiten konzentrieren und Zweikämpfen aus dem Weg gehen, um das Gummi in optimalem Zustand über die Distanz zu tragen. "Auch dass Fahrer, Teams und Fans im Rennen nicht immer wissen, wer auf welchem Platz liegt, ist nicht gut."
Aller Kritik und dem derzeitigen sportlichen Misserfolg zum Trotz will Scheider seinem Arbeitgeber und der DTM die Treue halten: "Am Ende des Tages verbindet mich und die Marke so viel, dass ich mir meine Zukunft nicht ohne Audi vorstellen kann und möchte. Auch das Standing hier im Team möchte ich nicht einfach wegwerfen", spricht er sich für die Ingolstädter und seine Abt-Truppe aus. Ein Karriereende in aktueller Funktion? Vielleicht, aber nicht so schnell: "Abtreten möchte ich in den nächsten fünf, sechs Jahren auch noch nicht."