Mortara: Ansichten eines Perfektionisten

, 25.12.2012

Motivationstrainer, Ohren zuhalten: Warum der Audi-Pilot trotz seines Durchbruchs 2012 lieber an Niederlagen denkt und eine Nebenbeschäftigung sucht

Er ist unglaublich ehrgeizig, perfektionistisch und selten mit sich zufrieden - aber trotzdem ein verdammt netter Kerl. Edoardo Mortara hat mit den ersten DTM-Siegen seiner Karriere in Spielberg und Zandvoort bewiesen, dass er in seinem zweiten Jahr bereits zu den Spitzenpiloten der Serie zählt. Doch das ist genug für den 25-Jährigen, der Titel statt nur Trophäen gewinnen will. Im Exklusiv-Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht Mortara auch über sein Leben abseits der Rennstrecke.

Frage: "Edo, du hast 2012 deine ersten zwei DTM-Siege eingefahren, einen Formel-1-Test in einem Spitzenauto absolviert und in Macao das GT-Rennen gewonnen. Das klingt doch nach einem brillanten Jahr, oder?"

Edoardo Mortara: "2012 war eine gute Saison für mich, aber keine unglaubliche. Ich habe schließlich nicht den Titel gewonnen. Eine Meisterschaft bräuchte es schon, um von etwas Außergewöhnlichem zu sprechen."

Es geht auch ohne Geld

Frage: "Trotzdem hat 2012 deine Karriere ein gewaltiges Stück vorangebracht."

Mortara: "Ja, es war natürlich ein Schritt nach vorne. Im Motorsport ist es so schwierig, in die Zukunft zu blicken und irgendetwas zu erwarten. Man versucht immer sein Bestes, aber die Situation für Rennfahrer ist schwierig. Wer kein Geld und keine Sponsoren hat, für den ist es besonders hart. Man hofft einfach nur, ein gutes Jahr zu erwischen."

Frage: "Du bist kein Paydriver, warst dir nach deiner Formel-3-Zeit deiner Zukunft nicht sicher. Geht es also auch ohne Geld?"

Mortara: "Ja, es sieht so aus. Aber ich kann nur für mich sprechen. Ich bin in der Formel 3 gefahren und habe dann bei Audi meine Chance bekommen, wofür ich nur dankbar sein kann. Es ist eine erfolgreiche Partnerschaft und ich hoffe, dass meine besten Jahre erst noch kommen."

Frage: "Der erste DTM-Sieg in Spielberg war ein emotionaler Moment. Wie fühlt er sich rund ein halbes Jahr später an?"

Mortara: "Ich bin jemand, der die ruhmreichen Momente schnell vergisst, aber Enttäuschungen lange im Gedächtnis behält. So ist eben mein Charakter. Solche Sachen wie Spielberg oder auch Zandvoort sind bei mir ganz schnell passé. Man genießt sie an diesem einen Wochenende, aber als Rennfahrer versucht man immer, sich zu verbessern. Deshalb konzentriert man sich mehr auf seine Fehler und darauf, sie auszumerzen."

Auf einen Drink in Macao

Frage: "Es gibt da die Binsenweisheit, dass der zweite Sieg immer einfacher sei als der erste. Stimmt's?"

Mortara: "Nein, das denke ich nicht. In der DTM ist es immer schwierig, zu gewinnen. Es ist am Ende das gleiche Glücksgefühl."

Frage: "Und Weihnachten feierst du mit Mike Rockenfeller?"

Mortara: "Das ist etwas, das nachher falsch herüberkam: Dass wir keine Freunde wären und so weiter. Ich habe absolut kein Problem mit Mike und ich denke, es ist andersherum genauso. Wir fahren beide in der DTM und kennen den Stellenwert, den ein Laufsieg genießt. Wir versuchen unser Bestes. Am Ende ist es Motorsport und es sind auch mir schon solche Dinge passiert. Da wurde mehr daraus gemacht, als dahintersteckte. Es ist gelaufen, wie es gelaufen ist."

Frage: "Im Dezember gab es noch einen weiteren Sieg - im GT-Rennen in Macao. Dort hast du schon in der Formel 3 zweimal gewonnen."

Mortara: "Macao ist für mich ein einzigartiger Ort. Die Strecke ist eine tolle Herausforderung für einen Rennfahrer. Es gibt lange Geraden und langsame Kurven, schnelle Kurven und alles dazwischen. Die Mauern gestatten dir keinen Fehler. Die Atmosphäre macht Macao besonders. Für gewöhnlich sind wir zehn Tage dort. Du kannst abseits der Rennstrecke Spaß haben, in die Casinos gehen, dir manchmal einen Drink gönnen. Normalerweise geht das nicht, aber es ist cool - ein Mix aus Motorsport und Ferien."

Keine Ambitionen in der Formel 1?

Frage: "Und dann gab es da noch den Lotus-Einsatz beim Young-Driver-Test in Abu Dhabi."

Mortara: "Eine tolle Erfahrung - mein erstes Mal in einem Formel-1-Auto. Lotus und Audi haben das möglich gemacht, obwohl es nicht einfach war. So hatte ich eine fantastische Gelegenheit und es war irgendwie ein Traum, der wahr geworden ist. Nach 2008 und 2009 habe ich gar nicht mehr an die Formel 1 gedacht. Ich war nicht mehr auf dem Weg dahin, ein Pilot in der Königsklasse zu werden."

Frage: "Hättest du erwartet, dass sich ein Formel-1-Auto so anfühlt?"

Mortara: "Sie sind so einzigartig, dass es schwierig ist, überhaupt irgendetwas zu erwarten. Erst wenn du fährst, weißt du, was mit diesen Autos möglich ist - es ist etwas komplett anderes als alles, was ich zuvor probiert habe."

Frage: "Ist es eines Tages dein Ziel, so einen Boliden in Renneinsätzen zu steuern?"

Mortara: "Meine Zukunft liegt eher in der DTM und bei Audi. Für mich war das mit der Formel 1 eine einmalige Sache und es ist schwierig, sich von der DTM immer wieder umzugewöhnen. Es gibt auch gar nicht so viele Gelegenheiten, Formel 1 zu fahren - und damit wenig Chancen, Leute von mir zu überzeugen. Ich will eines Tages Meister in der DTM werden, das ist mein Ziel."

Rennfahrer: Job mit zu viel Freizeit

Frage: "Du hast dein Studium in Business Administration abgeschlossen. Hast du für die Zeit nach der aktiven Karriere vorgesorgt?"

Mortara: "Ehrlich gesagt bedeutet mir dieser Abschluss gar nicht so viel. Ich habe das nur gemacht, um mich etwas auf Trab zu halten, wenn ich nicht fahre. Es gibt zu viel Freizeit, wenn man beruflich nur Autorennen bestreitet. So habe ich mich beschäftigt, neue Dinge dazugelernt. Natürlich kann es in Zukunft mal nützlich sein, aber daran denke ich im Moment nicht. Ich gebe einfach im Rennauto mein Bestes."

Frage: "Apropos Freizeitbeschäftigung: Als Jugendlicher hast du mal eine Karriere als Profifußballer im Auge gehabt. Kickst du heute noch oder ist das Verletzungsrisiko zu groß?"

Mortara: "Darum kümmere ich mich nicht so sehr. Ich spiele Fußball, trainiere Kampfkünste. Ich mache gefährliche Sportarten. Das ist nicht zu risikoreich, solange man es richtig anstellt: entspannt mit ein paar Freunden. Wenn man aber kickt wie ein Profi, dann bekommt man schnell Probleme. Für mich ist das eine Frage der Herangehensweise."

Frage: "2012 war also gut, aber nicht perfekt. Was wirst du in einem Jahr über 2013 sagen?"

Mortara: "Es gibt im Winter eine Menge Arbeit zu erledigen und es wird nicht einfach. Das DTM-Reglement ist weitgehend eingefroren und wir werden so ziemlich die gleichen Autos haben wie in diesem Jahr. Wir müssen noch konkurrenzfähiger sein, um um die Meisterschaft zu kämpfen. Wir haben dafür den ganzen Winter Zeit. Ich kenne Audi und die Ingenieure - deshalb bin ich optimistisch, dass das gelingt."

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