Bei einem Besuch in seiner ostwestfälischen Heimat berichtet DTM-Champion Rene Rast von großen Feierlichkeiten und zahlreichen Hürden auf seinem Weg
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Rene Rast ist auf dem Thron der DTM. Der 30-jährige Mindener setzte sich im Audi-internen Kampf mit bärenstarken Leistungen am Finalwochenende in Hockenheim gegen die erfahrenen Mattias Ekström, Mike Rockenfeller sowie seinen Rosberg-Teamkollegen Jamie Green durch. Ein Rookie als Champion - das hatte es zuvor lange nicht gegeben. Und das in einer Serie, in der enorme Leistungsdichte und fahrerisches Toppotenzial über alle drei Werkskader hinweg ein Dauerthema sind.
"Dieser Erfolg kommt nicht durch Zufall", sagt Rosberg-Teamchef Arno Zensen, dessen Mannschaft endlich auch die Teammeisterschaft in der DTM für sich verbuchen konnte. "Als Rene bei uns erstmals im Simulator war, da saß er mal gleich für neun Stunden drin. So ist er: ein akribischer Arbeiter, der immer alles ganz genau wissen und alles penibel vorbereitet haben will. Egal, was im Verlauf eines Rennwochenendes passiert, er will immer die passende Antwort parat haben."
Das große Lob geht dem neuen DTM-Champion runter wie Öl. Bei Rene Rast, der am Montag in seiner Heimatstadt Minden auf dem Marktplatz gefeiert wurde und der das Publikum auf nassem Kopfsteinpflaster mit Drifts begeisterte, steckt viel Aufwand hinter dem scheinbar spielerisch leichten Auftritt im Rennauto. "Zwölf Jahre haben wir darauf hingearbeitet", berichtet Manager Dennis Rostek. Auf dem Weg von VW Polo Cup über Seat Cup und Porsche-Markenpokale war Rast oft schon mit einem Bein in der DTM - aber eben nur mit einem.
Sichtungen als Schwachpunkt in der Karriere
"Sichtungen sind halt nicht so Renes Ding", schmunzelt Dennis Rostek. Viermal war der neue DTM-Meister zu solchen Veranstaltungen eingeladen, stets schickte man ihn ohne Vertrag wieder nach Hause. "Das ist nicht einfach", erklärt Rene Rast. "Man fährt dort in einem unbekannten Auto, hat kaum Zeit, sich darauf einzustellen. Am Ende zählen die Rundenzeiten. Mal fährst du am ersten Tag morgens, wo noch kaum Grip da ist, dann am nächsten mittags, wenn die Temperaturen keine guten Zeiten zulassen."
"Rene braucht ein Umfeld, das er kennt und auf das er sich verlassen kann. Er braucht quasi eine Art Geborgenheit und Sicherheit. Wenn er das vorfindet, dann ist er als Rennfahrer zu Dingen fähig, die ich noch bei keinem anderen Fahrer gesehen habe", berichtet Manager Dennis Rostek und ergänzt: "Genau das habe ich auch den Audi-Leiten gesagt." Nach zahlreichen Ehrenrunden in Porsche-Cups (mit fünf Meistertiteln), dem Gewinn des Titels im GT Masters und unzähligen GT3-Erfolgen wurden die Bemühungen belohnt.
"Und plötzlich saß er in einem LMP1-Protoypen, ohne solch ein Auto jemals zuvor gefahren zu sein", sagt Rostek. Das hatte es bei Audi zu jenem Zeitpunkt noch nie in dieser Form gegeben. Rast machte sich im Le-Mans-Auto gut, hatte erstmals einen Werksvertrag in der Tasche - wenngleich nur für ein Jahr. Und dann? Audi zieht beim LMP1-Programm den Stecker - eine typische Wendung in der Karriere des Rene Rast, sollte man meinen.
LMP1-Aus von Audi: Und jetzt?
"Wir waren eigentlich am Ende", gibt Rostek zu. Tiefpunkte hatte es in den Vorjahren schon reichlich gegeben. Endlich wähnte man sich am großen Ziel - und dann das Le-Mans-Aus der Ingolstädter. "Wir standen vor dem Nichts", erinnert sich Rast. Die Achterbahnfahrt ging schwungvoll weiter. Am Zandvoort-DTM-Wochenende 2016 erkrankt Adrien Tambay. "Da ruft am Samstagabend Dieter Gass an und fragt, ob ich noch fahren kann. Ich soll Rene einpacken und nach Zandvoort bringen. Er soll DTM fahren", erinnert sich Rostek an die irren Geschehnisse im Sommer vergangenen Jahres.
"Rene meinte, wir sollten das auf keinen Fall machen. Er werde aufgrund fehlender Erfahrung total gebügelt. Aber so ist er immer. Er sagt immer erst Nein zu meinen Vorschlägen. Dann muss ich ihn überzeugen und dann geht's", lacht der Manager aus Bückeburg. Rast fährt einen Tag später Freies Training, Qualifying und Rennen. "Da fährt dieser Kerl am Sonntag in seinem ersten Rennen die schnellste Zeit aller Teilnehmer im zweiten Sektor. Das kann kein Zufall sein", meint Teamchef Arno Zensen.
"Ab diesem Zeitpunkt war für mich klar, dass er ein richtig Guter ist. Zum Glück haben wir bei Audi als Team ein gewisses Mitspracherecht bei der Auswahl der Fahrer. Ich habe da zumindest mal klar gesagt, wen ich nicht haben will", so Zensen. Klartext: Das Team Rosberg wollte Adrien Tambay loswerden, der sich immer wieder als Diva im Cockpit aufgeführt hatte. In Rene Rast hatte man die mögliche Nachfolgelösung deutlich sichtbar auf dem Präsentierteller.
Kluge Planung bringt weiteren DTM-Einsatz 2016
Doch ganz so einfach war die Situation dennoch nicht. "Nur noch sechs Autos pro Hersteller und durch den LMP1-Ausstieg sind plötzlich Leute wie Lotterer oder Duval auf dem Markt. Da haben wir uns eigentlich kaum Chancen ausgerechnet", sagt Dennis Rostek. Doch die Arbeit von Rast hatte Spuren hinterlassen. Der Mindener wurde eingeladen, am Lausitzring die DTM-Reifen der Generation 2017 zu testen. Ein Vorteil, den sich der 30-Jährige frühzeitig für dieses Jahr sichern konnte.
"Außerdem war mir immer klar, dass es eine Terminüberschneidung zwischen WRX und DTM gibt. Ich habe also konsequent darauf hingewirkt, dass Rene einsteigen darf, falls Eki der Rallycross-WM den Vorzug gibt. Und so kam es dann", schildert Rasts Manager. Bei diesem Einsatz überzeugte man Audi noch mehr. Es folgte die Vertragsverlängerung und die Zusage für das DTM-Cockpit 2017. "Das war wir ein Traum", sagt der neue Champion.
"Irgendwie waren die vergangenen Tage mit all den Ehrungen und Terminen wie Weihnachten als Kind. Man bekommt immer wieder Geschenke. Das geht so schnell, dass man ein einzelnes kaum genießen kann", so der Mindener. Am kommenden Donnerstag feiert Rast seinen 31. Geburtstag. "Hoffentlich sinkt das Ganze dann ein bisschen mehr ein und ich kann es genießen", sagt er. Genau ein Jahr zuvor hatte er an seinem Ehrentag erfahren, dass Audi das LMP1-Programm einstellen wird. So schnell ändern sich die Zeiten im Motorsport.