So crashte es 2012: Und es hat Boom gemacht...

, 27.12.2012

Von "dumm" bis "völlig verrückt", vom "Autoscooter" bis zum "alten Wichser": Die DTM-Piloten hatten allen Grund, in den Boxenfunk und ins TV-Mikrofon zu fluchen

Jens Marquardt sagte es zu Saisonbeginn, der BMW-Motorsportdirektor wiederholte es vor dem Finale in Hockenheim: "Die DTM ist kein Ponyhof." 2012 war dieser Satz öfters Programm und bei den Markenverantwortlichen ein Dauerthema: Der Dreikampf der Marken, die neue Dichte der Konkurrenz und einige Hitzköpfe sorgten dafür, dass es in den vergangenen reichlich Feindkontakt, Kleinholz und Zündstoff gab. Die DTM-Boliden stellten derweil unter Beweis, dass sie mehr aushalten, als man ihnen zutraut.

Gleich zu Saisonbeginn waren die Leittragenden ausgerechnet die BMW-Fahrer. Fünf von sechs Piloten der Münchener wurden in Hockenheim aus dem Rennen befördert, darunter auch Bruno Spengler. "Ich hatte von einem ehemaligen Formel-1-Piloten mehr Fairness erwartet", schimpfte der Kanadier anschließend über Ralf Schumacher, der ihm mit einem opportunistischen Manöver einen frühen Feierabend beschert hatte. Aber der Ex-Formel-1-Fahrer war nicht der einzige, der einstecken musste.

Ein Spanier außer Rand und Band

Auch Roberto Merhi bekam einiges auf die Ohren - mit einem heißen Satz derer drohte Timo Scheider, nachdem der Debütant ihn beim Auftakt auf die Hörner genommen hatte. Dabei glühten die Löffel des Mercedes-Piloten noch an der Strecke. "Nachher meinte Merhi, etwas Autoscooter fahren zu müssen", ärgerte sich der Audi-Star und legte nach. "Ich weiß nicht, ob bei manchen der Winter zu lag war und da noch Schnee auf dem Hut liegt." Über Spanien war offensichtlich ein Blizzard hinweggezogen.

Andy Priaulx sprach nach der Zielflagge in Hockenheim von einem waschechten "WTCC-Rennen" - eine Bemerkung, die ihn einige Monate später noch einholen sollte. Insgesamt war ein raues "Herzlich Willkommen" in Richtung des Wiedereinsteigers. Aber der zeigte schnell, dass er auch auszuteilen weiß. Denn nach verhältnismäßig ruhigen Rennen am Lausitzring und Brands Hatch hatten einige Piloten in Spielberg offensichtlich wieder einen Romain Grosjean auf Toast gefrühstückt.

Scheider, der Rohrspatz

Zumindest wird sich das - schon wieder - Scheider gedacht haben, als er dem Abt-Boxenfunk kurzerhand die Jugendfreigabe kostete: "Dieser alte Wichser. Das gibt es doch gar nicht. So ein blindes Huhn", schallte es über den Äther, nachdem er mit BMW-Neuling Augusto Farfus aneinander geraten war. Er legte nach: "So ein Arschloch!" Wenige Minuten vor der Übertragung des Thronjubiläums der Queen dürfte das so manche festlich-royal gestimmte Großmutter glatt aus dem Ohrensessel gehauen haben.

Aber auch Bruno Spengler hatte allen Grund, zu fluchen. Und zwar über "ein Stockcar-Manöver" von Jaime Green. Apropos Mercedes: Markenkollege und Landsmann Gary Paffett machte den Rohrspatz am Norisring, wo gleich in der Startkurve ein Tohuwabohu ausbrach. "Fahren, wie Mattias es heute getan hat, ist nicht akzeptabel. So etwas in der ersten Kurve zu tun ist verrückt, es ist dumm", tobte der spätere Vizemeister und hatte dabei einen Unschuldigen im Visier. Der angesprochene Ekström war selbst Opfer einer Kettenreaktion geworden.

Die Leiden des Gary P.

Diese Szene sollte die DTM noch bis zum Saisonfinale in Hockenheim beschäftigen - weil weder Paffett noch sein Motorsport-Chef Norbert Haug müde wurden, die Situation in Nürnberg als Präzedenzfall für das Mercedes-Pech 2012 anzuführen. Der Endlosschleife erhielt neue Töne, als Paffett in Zandvoort mit Martin Tomczyk kollidierte. Obwohl der erste Weg des Rosenheimers zum Mercedes-Kommandostand führte, um sich bei Norbert Haug zu entschuldigen, war das Wehklagen groß.

"Ich werde so oft abgeschossen. Ich male mir jetzt eine Zielscheibe aufs Auto", schüttelte Paffett nach dem Rennen den Kopf. Und es gab in der Saison noch einen weiteren brisanten Zweikampf: In Valencia zwischen Priaulx und Rahel Frey. Sportchef Wolfgang Ullrich bezeichnete das harte, aber letztlich doch faire Manöver des Briten als "unterste Schublade" und ordnete es "anderen Serien" als der DTM zu. Da hatte sich der dreifache Tourenwagen-Weltmeister mit seinem Kommentar in Hockenheim wohl das eigene Grab geschaufelt.

Sportsgeist trifft Härte

So unterhaltsam viele Szenen mit Feindkontakt auch waren, in der DTM wurden in der abgelaufenen Saison viele faire Zweikämpfe ausgefochten und sportliche Gesten demonstriert. Das spannende Duell zwischen Frey und Schumacher am Norisring etwa. Oder das großzügige Nachgeben Farfus' gegen Paffett in der Boxengasse beim Saisonfinale - als der Brasilianer die Meisterschaftsentscheidung zugunsten von BMW auch per Crash hätte herbeiführen können, das aber vermied.

David Coulthard und Edoardo Mortara entschuldigten sich für ihre Aktionen in Spielberg und in Oschersleben jeweils bei Schumacher, dem das wenig nütze - aber es war die Demonstration von Sportsgeist. Der italienische Audi-Pilot zeigte auch in Zandvoort tollen Motorsport unter Markenkollegen, als er den in Führung liegenden Mike Rockenfeller hart, aber fair passierte. Zwar befand der Leidtragende Mortara für "völlig verrückt", ein sehenswertes Duell war es aber auf jeden Fall.

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