Sportchefs im Abenteuerland: 2014 bitte mit Navi

, 07.08.2013

Dieter Gass, Jens Marquardt und Wolfgang Schattling ziehen positive Russland-Bilanz und wollen wieder nach Moskau - Termin und Streckenführung fraglich

Die DTM ist aufgebrochen zu neuen Ufern - genauer gesagt an die der Moskwa. Die Rennpremiere auf dem Moscow Raceway am vergangenen Wochenende war für den gesamten Tross im Vorfeld ein Abenteuer mit vielen Unbekannten. Im Nachhinein eine gelungene Premiere der Tourenwagen-Serie, findet Jens Marquardt "Man kann sagen: Moskau und Russland waren eine Reise wert", meint der BMW-Motorsportchef und würdigt das mit 45.000 Zuschauern überraschend große Faninteresse.

Die von Rennstrecken-Institution Hermann Tilke konstruierte Bahn 70 Kilometer vor den Toren der Hauptstadt rief viel positives Echo hervor, insbesondere die moderne Infrastruktur gab keinen Anlass zu Klage: "Absoluter Formel-1-Stadard", zeigt sich Wolfgang Schattling begeistert. "Das lässt nichts zu wünschen übrig." Wenn der DTM-Projektleiter aus den Reihen von Mercedes etwas moniert, dann höchstens die Verkehrssituation zwischen Moskau und der Strecke. XXL-Staus sind an der Tagesordnung.

Das hat auch damit zu tun, dass sich in unmittelbarer Nähe der 80 Millionen Euro teuren und im Besitz eines Oligarchen befindlichen Areals keine Hotels befinden. Wohle dem, der sich wie BMW-Pilot Timo Glock eine Unterkunft in einem Truck organisierte und nicht die Bustouren der Teams über die verstopften Landstraßen mitmachen musste. Denn vor der Verkehrslawine ist nicht einmal der oberste Befehlshaber gefeilt: "Wir haben zweieinhalb Stunden zu unserem Hotel gebraucht, wobei der Fahrer das schneller hätte schaffen können, hätte er sich nicht zweimal verfahren", schmunzelt Marquardt.

"Do you speak Russian?"

Dabei scheint der 46-Jährige den Blick aus dem Seitenfenster durchaus genossen zu haben: "Wenn man sich ab und an die Schrift auf den Schildern wegdenkt und über die vierspurige Autobahn fährt, könnte man meinen, man sei im Mittleren Westen in Nordamerika", vergleicht Marquardt das russische Hinterland mit der Kornkammer der USA. "Viel Wald, auch die Häuser sehen ähnlich aus." Wäre da nicht ein kleiner Haken:. "Wenige Leute sind des Englischen mächtig und die Konversation fällt teilweise schwer."

Schon 2014 soll am Moscow Raceway mit einem 120 Betten starken Hotel nachgerüstet werden, später ein Ausbau auf 600 Betten erfolgen. Das wird dem Verkehr rund um den Moloch keinen Einhalt gebieten, aber zumindest die tägliche Anreise weniger strapaziös gestalten. Großer bürokratischer Aufwand war bereits in der Heimat zu erledigen. "Wir alle haben den Visa-Prozess durchgemacht. Das war eben aufwendiger, aber die Einreise war problemlos. Das habe ich schon anders in Ländern erlebt, in denen man das nicht erwartet", berichtet Marquardt.

Anders bei den Lkw seiner Teams: Die quälten sich fünf Tage lang über Schotter-"Autobahnen", die diese Bezeichnung nicht verdienen. Und dann gab es noch einen kleinen Haken an der gelungenen Premiere. Nicht die Langversion des Moscow Raceway nahmen die DTM-Boliden unter die Räder, sondern die nur 2,555 Kilometer und acht Kurven umfassende kleine Variante. Das Ganze erinnerte an das ungeliebte Layout in Brands Hatch, bot aber wesentlich mehr Action. Trotzdem fordert Dieter Gass: "Wir betreiben erwachsenen Motorsport, also sollten wir auch auf erwachsenen Strecken fahren."

Russland war bereit für die DTM

Pläne für einen Umzug auf das unzensierte Layout im Jahr 2014 liegen bereits auf dem Tisch, dazu muss nur eine Kurve leicht modifiziert werden. Die Charakteristik der Strecke wird das nicht ändern, dafür aber werden die Autos weniger häufig an Tribünen und Werbebanden vorbeifahren - abwarten, wie sich dieser Konflikt lösen wird. Einen Komplettumzug erwägt die DTM nicht, obwohl das spektakuläre Pre-Event in der Moskowiter Innenstadt durchaus Begehrlichkeiten geweckt hatte: "Die Strecke hat alles, war eine gute Rennstrecke braucht. Das Feedback ist nur positiv", resümiert Marquardt.

Denkbar ist allerdings eine Terminänderung, schließlich dürfte der Ferienmonat August negativ auf den Besucherzustrom gewirkt haben. Dass im Fahrerlager nur Audi mit der gewohnten DTM-Hospitality aufschlug, BMW und Mercedes aber ein russisches Unternehmen mit der Bewirtung in einem eher zweckmäßigen Zelt beschäftigten, will er nicht als Absage an die Wichtigkeit der Veranstaltung verstanden wissen: "Wenn die Einrichtungen wie hier so toll vorhanden sind, muss ich nicht unbedingt nochmal fünf Lkw auf die Reise schicken", spielt Marquardt auf luxuriöse Lounges an.

Schließlich wäre da noch ein gewisser Präsident, der - ohne wirklich präsent zu sein - für einen Qualifying-Abbruch sorgte. "Das ist schon verrückt, aber wenn man Gast in einem neuen Land ist, weiß man nicht 100-prozentig, wie es ausgeht", erinnert sich Hans-Jürgen Abt im 'Ersten' an die spontane Luftraum-Sperrung für Wladimir Putin. Ein Kuriosum, wie es in einem westeuropäischen Land wohl nicht vorgekommen wäre. Aber ist Russland deshalb nicht bereit für DTM? "Vielleicht ein bisschen früh, um das zu sagen", bremst Audi-Rennleiter Gass. "Es war sicherlich eine kuriose Situation, aber wenn ich mir die Strecke und das Umfeld anschaue, ist es sehr wohl bereit."

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