In Spielberg ließ der Führende Jamie Green den Tabellenführer Mattias Ekström (beide Audi) kurz vor Schluss vorbei: Argumente für und gegen Teamorder
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Rückblick Spielberg: Jamie Green liegt im Samstagsrennen souverän vor seinen Audi-Kollegen Mattias Ekström und Nico Müller. Der Brite könnte in der Fahrerwertung einen großen Sprung nach vorne machen und den Rückstand auf Tabellenführer Ekström auf acht Punkte verkürzen. Doch, darf Green gewinnen? Eine Frage, die sich viele zu diesem Zeitpunkt des Rennens stellten. Denn in der DTM gehört Stallorder, wie in vielen anderen Rennserien auch, zum guten Ton. Auch, wenn die Fahrer und Sportchefs es nicht gerne zugeben möchten, wird sie angeordnet.
Für die Piloten ist es nicht einfach, einen Kontrahenten, der für den gleichen Hersteller fährt und in der Meisterschaft vorne liegt, angriffslos vorbeizuwinken, um im Sinne des Arbeitgebers zu handeln. Doch, im Sinne des Teamgeists, und vielleicht auch im Hinblick auf eine Vertragsverlängerung mit dem jeweiligen Hersteller, kommt es immer wieder, oftmals abseits der Fernsehkameras, dazu, dass die Fahrer langsamer werden und ihren Stallkollegen überholen lassen.
Dieses Schicksal ereilte Green zuletzt am Red-Bull-Ring. Bis fünf Runden vor Schluss führte der Rosberg-Pilot klar, bis Ekström am Briten vorbeiging und einen großen Schritt in Richtung DTM-Titelgewinn machte. Green schenkte dem Schweden regelrecht den Sieg, was, im Hinblick auf das zweite Rennen, in dem er bis zur vorletzten Runde klar führte und durch ein Getriebeproblem den sicher geglaubten Sieg verlor, fast tragisch wirkt.
Es ist ein Geben und Nehmen...
"Ich war im zweiten Stint nicht so schnell", erklärt Green, warum Ekström ihn überholen konnte und deutet an: "Es war eine Teamarbeit für ein gutes Teamergebnis. Und es war ein starkes Teamergebnis." Das Wort Teamorder stand im Raum, auch wenn es nicht ausgesprochen wurde. Doch der sympathische Brite erklärte, dass er auch mit dem zweiten Platz zufrieden sei. "Für mich war es ein guter Tag mit vielen Punkten. Ich stand auf Pole-Position und wurde im Rennen Zweiter. Es liegen noch drei Rennen vor uns, wo ich wieder mein Bestes geben werde", erklärt er.
Ekström wurde im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' schon etwas deutlicher. "Es ist normal in unserem Geschäft und bei uns gibt es diesen Teamgeist. Einmal gibt man, einmal bekommt man", so der Schwede, der aktuell mit 172 Punkte die Tabelle anführt und vor drei weiteren Audi-Fahrern liegt. "Wir machen anscheinend nicht alles falsch, weil wir in der Meisterschaft vorne liegen", fügt er an.
Bei den Ingolstädtern macht man einen großen Bogen um das Wort Teamorder. Vielmehr betont man, dass die Fahrer wissen, wie sie sich zu verhalten hätten. "Man hat gesehen, dass Mattias im zweiten Stint eine bessere Pace hatte. Er kam langsam aber sicher näher. Dass man sich beim Überholmanöver unter Markenkollegen nicht weh tut, auch bei dem Meisterschaftsstand, ist ganz klar", sagt Audi-Motorsportchef Dieter Gass. "Mattias und Jamie sind zwei Profis, die wissen, wie es geht. Deshalb war ich in der Situation ganz entspannt."
Hersteller sollten Teamorder zugeben
Dass die Audi-Fahrer den aktuellen Spitzenreiter Ekström nicht mit allen Mittel bekämpfen, weiß Motorsportexperte Norbert Haug. "Ich verstehe es auf der einen Seite sehr gut", sagt der ehemalige Mercedes-Motorsportchef in der 'ARD'. "Dann sollte man sich aber zu diesem Mannschaftssport bekennen. Es ist relativ schwierig für die Fahrer zu sagen: 'Ich war langsamer. Ich war schneller.' Green war langsamer, sonst wäre Ekström nicht vorbeigekommen. Nur, warum war er langsamer? Weil er langsamer gefahren ist", ergänzt er.
Auch bei Mercedes hätte man zu seiner Zeit als Sportchef versucht, durch Teamorder zu gewinnen. Doch das hat laut Haug nicht immer so geklappt, wie man es sich vorgestellt hat. "Es hat immer der Falsche gewonnen. Es war ein Durcheinander und offensichtlich wurden wir dafür bestraft, dass wir das nicht konnten. Aber ich will auch gar keine Stallorder können", spricht er sich gegen Teamorder aus.
Aktuell führ ein Audi-Quartett die Tabelle an. Mattias Ekström hat mit 21 Punkten vor Vorsprung auf Rene Rast (151) die besten Karten im Titelrennen. Doch auch Jamie Green (137), Mike Rockenfeller (134), Marco Wittmann (134), Lucas Auer (131) und Timo Glock (116) haben rein rechnerisch noch Chancen auf den Titel, denn in Hockenheim werden noch 56 Punkte vergeben.
Wie man es macht, macht man es falsch
Bei Audi möchte man nichts dem Zufall überlassen und sich nicht auf einen Titelanwärter festlegen. "Sich auf einen Fahrer festzulegen ist dann einfach, wenn es nur einen Fahrer im Titelrennen gibt", meint der Audi-Motorsportchef. "So lange noch so viele Fahrer die Chance auf den Titel haben und die Abstände eng sind, kann man sich nicht auf einen festlegen", ergänzt er.
"Noch ist nichts gewonnen. Jamie ist das beste Beispiel", warnt Gass, dass es schiefgehen kann, sich auf einen Fahrer festzulegen. "Viele sagen, wenn er Mattias nicht vorbeigelassen hätte, dann wäre er jetzt Meisterschaftsführender. Man sieht, wie schnell es gehen kann. Keiner hat eine Kristallkugel, wo man so etwas vorhersehen kann."
Teamorder ja oder nein? Gass sieht sich in der Zwickmühle. "Wenn man es nicht macht, bekommt man vorgeworfen: 'Warum hast du es nicht gemacht?' Wenn man es macht, wird einem vorgeworfen: 'Warum hast du es gemacht?' Wir versuchen, auf alles zu reagieren und so zu agieren, das wir glauben, dass das Beste für die Marke ist", erklärt der Audi-Mann.