Was wirklich hinter den Gerüchten um Fernando Alonso und Williams steckt, wer sich den Deal wünscht und welche guten Argumente dagegen sprechen
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Nachdem es die Sommerpause hindurch ruhig war um Fernando Alonso, tauchte in Spa-Francorchamps ein heißes Gerücht auf: Laut Informationen von 'Auto Bild motorsport' soll der zweimalige Weltmeister vor einem Wechsel zum Williams-Team stehen.
Alonso selbst, am Samstag darauf angesprochen, trägt wenig dazu bei, den Gerüchten Wind aus den Segeln zu nehmen, wenn er sagt: "Natürlich hatte ich einige Angebote - im Juni, im Juli, im August. 60 Prozent davon habe ich schon abgelehnt, 40 Prozent liegen noch auf dem Tisch." Er werde "darüber nachdenken und nächsten Monat eine Entscheidung treffen". Natürlich ohne konkrete Namen von Teams zu nennen.
Welche Angebote ihm vorliegen, ist nicht bekannt. Fest steht, dass ihn McLaren gern weiter verpflichten würde. Auf die Frage, wer 2018 Teamkollege von Stoffel Vandoorne wird, entgegnet Teamchef Zak Brown: "Wir hoffen Fernando." Und er sei diesbezüglich optimistisch, nicht zuletzt wegen eines "guten Frühstücks" mit dem Spanier am Samstagmorgen vor dem Qualifying zum Grand Prix von Belgien .
"Solange wir ihn davon überzeugen können, dass wir nächstes Jahr ein konkurrenzfähiges Rennauto haben werden, gehe ich davon aus, dass Fernando in unserem Auto sitzen wird", meint Brown. Zumal Alonso in McLaren so großes Vertrauen hat, dass er davon ausgeht, dass er und Vandoorne mit einem Mercedes-Motor in Spa-Francorchamps in der ersten Startreihe stehen würden.
Alonso: Kaum noch Vertrauen in Honda
In Motorenlieferant Honda hingegen ist das Vertrauen begrenzt. Brown: "Er hat nicht so viel Vertrauen in den Motor. Wir - genauer gesagt Honda - müssen ihm sehr schnell darlegen, dass wir drastische Verbesserungen erreichen werden. Wir haben uns die ganze Sommerpause damit beschäftigt und können hoffentlich bald Fortschritte vermelden."
Dass sich Alonso in der Zwischenzeit umhört und alle Optionen offen hält, ist verständlich. Bei den drei Topteams Mercedes, Ferrari und Red Bull ist kein Platz für ihn. Williams und Renault gelten als weniger attraktive, aber doch denkbare Alternativen. Zumal Williams derzeit ein Fahrerproblem hat: Lance Stroll ist wegen der Millionen seines Vaters gesetzt. Aber ob Felipe Massa noch ein Jahr dranhängt, steht in den Sternen.
Massa kann sich gut vorstellen, seinen Vertrag zu verlängern. Laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' würde Williams stattdessen lieber auf einen jüngeren Fahrer setzen, dem die Zukunft gehört. Carlos Sainz etwa, oder Esteban Ocon. Das hat aber einen Haken: Im Vertrag von Hauptsponsor Martini steht, dass zumindest ein Fahrer mindestens 25 Jahre alt sein muss, um die Marke international bewerben zu können. Damit fallen die beiden schon mal weg.
Perez' Gehaltsforderungen sind zu hoch
Bliebe zum Beispiel Sergio Perez. Der käme theoretisch in Frage, verlangt aber irgendwo zwischen sieben und zehn Millionen Euro Jahresgage. Zu viel. In Kombination mit der Tatsache, dass sich auch noch einige von Perez' Sponsoren mit bestehenden Williams-Geldgebern spießen, ist der Mexikaner keine realistische Alternative mehr.
Also Alonso?
Der 36-Jährige hat genug davon, mit dem Honda-Motor hinterherzufahren. Für Martini wäre er ein perfekter globaler Werbeträger. Mercedes, so das Paddock-Gerede, könnte einen Teil seiner Gage zuschießen, um ihn in der erweiterten Familie zu haben - für den Fall, dass 2019 im Silberpfeil-Werksteam eine Tür aufgeht. Und Strolls Vater Lawrence soll so gut mit Alonso sein, dass er angeblich bereit wäre, für einen solchen Deal sein Portemonnaie zu öffnen.
Alonso & Williams: Nicht alle sind begeistert
Die Realität sieht laut Informationen von 'Motorsport-Total.com' anders aus. Stroll sen. hat anklingen lassen, dass er seine Million lieber in die Weiterentwicklung des Autos investieren würde als in einen Teamkollegen, der seinen Sohn mutmaßlich alt aussehen lassen würde. Und bei Williams scheint es außer Paddy Lowe nicht viele Personen zu geben, die von der Variante Alonso begeistert sind. Zu teuer, zu politisch, hört man aus anderen Ecken des Teams.
Lowe relativiert die Gerüchte um den möglichen Sensationstransfer: "Ist halt diese Zeit des Jahres. Da werden solche Storys geschrieben", erklärt er auf Anfrage von 'Motorsport-Total.com'. "Es gibt viele großartige Fahrer, und wir versuchen die besten zu bekommen, die wir kriegen können." Wer das entscheidet? "Letztendlich ist es Claires Entscheidung. Aber ich bin natürlich involviert."
Sportlich freilich gibt es momentan nicht viele Argumente, die Alonso einen Wechsel zu Williams schmackhaft machen könnten. Während McLaren langsam die Kurve zu kratzen scheint (wieder einmal), kam in Spa-Francorchamps keiner der beiden Williams-Fahrer über Q1 hinaus. Noch dazu auf einer Powerstrecke, die für die Mercedes-Kundenteams eigentlich wie auf den Leib geschneidert sein müsste. Massa lacht über die "Silly Season" nur: "Sein Auto ist schneller als unseres!"
Gespräch zwischen Brown und Abiteboul
McLaren pokert im Sommer 2017 hoch. Motorenseitig scheint Renault die letzte verbliebene Alternative zu sein. Aber selbst das wäre kompliziert: Weil Renault schon drei Teams beliefert, wäre ein viertes Team nur mit Zustimmung der FIA möglich. Das wiederum erklärt, warum McLaren anbietet, für einen etwaigen Toro-Rosso-Honda das Getriebe zu bauen. Wechselt Toro Rosso von Renault zu Honda, wäre Renault für McLaren frei.
McLaren-Boss Brown wurde am Samstagmorgen bei einem Gespräch mit Renault-Sportchef Cyril Abiteboul beobachtet. "Renault", sagt er, "baut einen großartigen Motor. Vor der Mercedes-Dominanz gab es die Renault-Ära." Überbewerten solle man das Gespräch aber nicht: "Ich kenne viele Leute im Paddock und möchte sicherstellen, dass wir alle Optionen kennen. Es ist eine sehr komplizierte Situation."
Falls Alonso McLaren wirklich verlassen sollte, was Stand heute als unwahrscheinlich gilt, müsste auch McLaren einen zweiten Fahrer finden. Weil keiner der Stars zu dem Team wechseln wird, könnte dann eine radikale Entscheidung fallen: Lando Norris direkt aus der Formel 3 in die Formel 1 zu holen - so, wie es Red Bull einst mit Max Verstappen gemacht hat.
Formel-3-Youngster Norris schon bereit für die Formel 1?
Norris konnte beim Young-Driver-Test auf dem Hungaroring überzeugen: "Er hat die Erwartungen übertroffen", bestätigt Rennleiter Eric Boullier, und Alonso, der sich über den Test informieren ließ, meint, der kleinwüchsige 17-Jährige sei "sehr beeindruckend" gewesen. Aber: "Lando muss erst einmal die Formel-3-EM gewinnen. Dann könnte er in Frage kommen", sagt Boullier. Konkret sei der Gedanke derzeit nicht: "Wir wollen, dass er hundertprozentig bereit ist."
Alonso beobachtet all diese Entwicklungen gelassen. Seine Entscheidung hat er immer für September angekündigt: "Da habe ich ja noch eine Woche Freiheit!" Und er lässt durchblicken, dass ein Motorwechsel kein Muss ist - sehr wohl aber die Sicherheit, dass es Honda 2018 endlich auf die Reihe bekommen wird: "Die Performance wird diktieren, was ich mache. Und die Bedingungen des Angebots für nächstes Jahr."
Vielleicht geht's letztendlich also auch einfach um ein bisschen mehr "Schmerzensgeld"?