Für den Österreicher steht Pascal Wehrlein als Nico-Rosberg-Nachfolger praktisch fest, doch für Paddy Lowe ist die Personalie "keine logische Schlussfolgerung"
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Die Tage eines der wohl härtesten Teamduelle der Formel-1-Geschichte sind gezählt. Bei der Suche nach einem Nachfolger für Nico Rosberg müssen sich Mercedes-Verantwortlichen der Frage stellen, ob sie es erneut riskieren wollen, dass sich zwischen Lewis Hamilton und dem zweiten Fahrer eine erbitterte Fehde entwickelt - die letztlich womöglich den Erfolg der Truppe gefährdet. Die Antwort auf die Frage formuliert Gerhard Berger bei 'ServusTV': "Man muss die Taktik verändern", rät er.
Das heißt: keine gleichwertigen Piloten mehr fahren lassen, sondern die Jetons auf Hamilton setzen, indem man ihn einen Stallgefährten zur Seite stellt, der von Anfang an nicht die gleiche Reputation besitzt - und notfalls die Verhältnisse intern klar regelt. Pascal Wehrlein wäre aufgrund seiner viel geringeren Formel-1-Erfahrung ein passender Mann, laut Sportchef Toto Wolff aber eine "explosive Mischung". Er wollte unbedingt verhindern, dass sich ein "Krieg der Sterne" von 2007 wiederhole.
Damals traf Hamilton bei McLaren als Neuling auf den amtierenden Weltmeister Fernando Alonso - der Rest der Geschichte ist bekannt. Doch Berger erkennt aufgrund von Vertragsbindungen und individueller Qualität keinen Piloten, der sonst 2017 für Mercedes infrage käme. "Es gibt keinen außer Pascal Wehrlein", so die Rennlegende. "Er ist gut - wie gut, das kann man nicht sagen. Jetzt ist es der perfekte Moment gekommen, dem Burschen eine Chance zu geben. Er ist ausgebildet und man hat auf diese Karte gesetzt. Es wäre komplett widersinnig, ihm nicht die Chance zu geben."
Für glasklar hält Technikchef Paddy Lowe die Wahl nicht. "Die Liste derer, die sich nicht gemeldet haben, ist kürzer", lacht er über die Qual der Wahl in der Pilotenfrage. "Es ist aber keine logische Schlussfolgerung. Wir schauen, wer auf dem Markt ist und analysieren. Wir beziehen die Form in der Vergangenheit mit ein und was wir an Leistung und Konstanz in Zukunft erwarten können."
Berger findet, dass Mercedes gut beraten wäre, Werhlein für ein Lehrjahr als Nummer zwei zu installieren und sich so gegen einen Red-Bull-Angriff zu verteidigen. "Sie werden um die WM fahren", warnt er vor dem Brauseriesen, "aber Ricciardo und Verstappen werden sich gegenseitig Punkte abnehmen. Das kann Mercedes verändern und nur auf Hamilton setzen, der die ganzen Punkte macht." Doch die Medaille hat eine Kehrseite - und die betrifft die Formel 1 als Marketing.
Lowe weiß, wieso der Daimler-Konzern überhaupt Motorsport betreibt und vermutet offenbar, dass seine Truppe 2017 ein ähnlich überlegenes Auto baut wie in den vergangenen drei Jahren. "Wenn der andere Pilot auf und davon ist, ist es vielleicht gut für uns, aber nicht für die Show", denkt er an eine mögliche Hamilton-Dominanz, glaubt aber daran, dass ein Nachwuchsfahrer dem überlegenen Briten langfristig Paroli bieten könne. "Ich mache mir keine zu großen Sorgen. Gute Fahrer werden besser, wenn sie bessere Mittel zur Verfügung haben", kommentiert er in Richtung Wehrlein.
Hinzu kommt, dass Mercedes spätestens 2018 die Option hätte, sich doch einen Topmann der Sorte Sebastian Vettel oder Fernando Alonso zu angeln. Berger glaubt zwar nicht, dass der Spanier nach den Skandalen der Vergangenheit eine Rolle spielt, "aber Lewis Hamiltons Vertrag läuft aus und man müsste sowieso in Verhandlungen gehen." Bis dahin könnte sich Wehrlein als titelfähiger Pilot etabliert haben: "Man hat Zeit zu schauen, wie sich der Junge entwickelt", erklärt Berger.