Gerhard Berger spricht über die Schwierigkeit eines Rücktritts und über Nico Rosbergs großes Pech in Gestalt von Lewis Hamilton - Titel 2014 möglich gewesen
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Nico Rosbergs Abschied aus der Formel 1 bewegt die Szene auch wenige Wochen danach noch. Der Abschied auf dem Höhepunkt seiner Karriere ringt Kollegen und Experten zwar Respekt ab, jedoch schwingt auch Kritik mit. Gerhard Berger, Vertrauter des Deutschen, hätte in der gleichen Situation niemals den Helm an den Nagel gehängt. "Im besten Auto, mit einem gut dotierten Vertrag, in dem Alter und mit der Gesundheit, wäre ich nie ausgestiegen", so der Österreicher gegenüber 'auto motor und sport'.
Die Entschlossenheit Rosbergs bewundert der ehemalige Pilot, wobei er bereits Anfang Dezember mit einem Comeback des Deutschen spekuliert hat. Es seien nicht die ersten paar Monate entscheidend, erst nach ein oder zwei Jahren könnte das Verlangen wieder hochkommen. Schließlich gebe es "einfach nichts Vergleichbares" zur Formel 1, so Berger.
Vor allem aber bedauert der Chefverhandler, dass sich Rosberg mit nur einem Weltmeistertitel verewigt hat. "Er hat das Pech gehabt, dass er Hamilton als Teamkollege hatte. Bei allen anderen hätte Nico die Nase vorne gehabt", ist er überzeugt. Rivale Hamilton sei eben ein außergewöhnliches Talent, der nicht umsonst zweiter in der ewigen Bestenliste der Siege ist. Ohne den Briten an seiner Seite wären wohl auch die Titel 2014 und 2015 an den Deutschen gegangen.
Rosberg zwar "nicht schneller", jedoch "konstanter" als Hamilton
Schon im ersten Jahr der Mercedes-Dominanz hatte Rosberg bis zum Saisonfinale in Abu Dhabi die Chance auf die WM-Krone, es fehlten nur 17 Zähler. Ein technisches Gebrechen führte zum vorzeitigen Ausfall und zerstörte so den großen Traum. Hätte Rosberg Hamilton damals um dessen zweiten Titel gebracht, würde es in der Rivalität nun 2:1 stehen. So drehte allerdings der dreifache Weltmeister die Statistik zu seinen Gunsten. "Das Duell war die ganze Zeit über knapp. Nico ist nicht der schnellere Rennfahrer als Hamilton, aber in seinem Gesamtansatz ist er konstanter."
Doch auch mit "nur" einem WM-Titel auf der Habenseite werde man sich an Rosberg zurückerinnern, ist Berger überzeugt. Diesen Status kann ihm nun niemand mehr nehmen. Außerdem ist er auch der erst zweite Sohn eines Formel-1-Weltmeisters, der dieses Kunststück selbst wiederholen konnte. Nun zählt er mit nur 31-Jahren zu den Formel-1-Rentnern. Berger hätte es im Nachhinein anders angelegt: Möglichst früh anfangen, möglichst spät aufhören.
"Rennfahrer ist ein Traumjob. Du verdienst viel Geld und hast im Verhältnis zu einem normal arbeitenden Menschen immer noch relativ wenig Zeiteinsatz", schwärmt er, gibt aber auch zu bedenken: "Der große Unterschied zur normalen Welt ist der Druck, der auf dir lastet. Der Druck des Erfolges und der Druck, die Karriere heil zu überstehen." Dieser Druck fiel nun von Rosberg ab, der sichtlich erleichtert wirkte nach seiner Bekanntgabe.
Nun kommt es darauf an, ob Rosberg schnell eine andere Beschäftigung findet. Denn Berger weiß: "Irgendwann vermisst du den Motorsport." Er selbst habe sich mit seiner Speditionsfirma und seinen Engagements bei BMW und Toro Rosso gut ablenken können. Trotzdem kitzelt ihn der Reiz auch noch 20 Jahre nach seinem Karriereende. "Eigentlich würde ich gerne mehr Motorsport machen, andererseits will ich nicht auf 21 Rennen im Jahr reisen. Und sind wir mal ehrlich: Die schönste Aufgabe im Rennsport ist es, Rennfahrer zu sein."