Fahrer, die fleißig Autogramme schreiben und ein Paddock, das sich nicht abschottet: Ex-Williams-Mann Adam Parr wünscht sich eine fanfreundliche Formel 1
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Die Formel 1 bedeutet für viele Menschen ein Refugium der oberen Zehntausend. Champagner hinter verschlossenen Türen, VIP-Partys in glitzernden Metropolen, ein Jetset-Leben aus dem Bilderbuch. Die Medien füttern diese Vorstellung gerne. Adam Parr geht die Exklusivität zu weit. Für den ehemaligen Williams-Vorstandvorsitzenden spielt sich die wahre Faszination Königsklasse nicht bei Canapés und Edelbrause im Separee, sondern bei Würstchen und Bier auf dem Campingplatz ab.
Im Gespräch mit 'Autosport' bringt Parr es auf eine einfache Aussage: "Die Fans machen den Sport zu dem, was er ist." Für den Briten müssen Verbesserungen der Formel 1 deshalb immer unter dem Gesichtspunkt vorgenommen werden, dass der Sport für den Normalbürger nahbarer wird. "Wenn du willst, dass er wirklich fantastisch ist, dann musst du zusehen, dass die Leute den Stars nahe kommen." Das Projekt Tuchfühlung. In die Pflicht nimmt Parr nicht nur die Organisatoren, sondern auch die Piloten.
Ecclestone will Attraktivität durch Exklusivität
Das affektierte Gehabe einzelner Stars ärgert ihn: "Einige Fahrer unterschreiben nicht einmal eine Autogrammkarte", weiß Parr und kann sich gut vorstellen, was ein Fan, der bei Regen stundenlang an einem Zaun ausharrt, denkt: "Was ist mit dem los? Was ist sein Problem? Er fährt 20 Mal im Jahr ein Auto und einige von ihnen bekommen dafür viel Geld'", versetzt sich der frühere Williams-Vordenker in die Lage eines enttäuschten Enthusiasten und wünscht sich einschneidende Veränderungen.
"Die Fahrern können sich aufspielen und denken, sie seien etwas Besonders, aber wer macht schon den Unterschied? Es sind die Fans", betont Parr. Doch es seien nicht nur die Lenkradakrobaten alleine, es geht ihm auch um Bernie Ecclestone. Der Formel-1-Zampano hat das Geschäft geprägt wie kein Zweiter, die VIP-Kultur ist eng mit seinem Namen verbunden. "Auf der einen Seite macht Bernie einen guten Job, die Leute herauszuhalten, weil es zur Faszination beiträgt." Das Angebot bestimmt die Nachfrage.
"Gebt den Fans eine Stimme"
Doch die Politik der verschlossenen Türen hat Schattenseiten, meint Parr. Sie belohne die Falschen. "Auf der anderen Seite zahlen die Leute einen Haufen Geld, um nach Silverstone zu kommen und die Rennen im Pay-TV zu sehen. Sie haben es verdient, näher heranzukommen." Auf soziale Wohltaten Ecclestones sollten weder Parr noch die Fans hoffen, doch das weiß der 47-Jährige selbst. Deshalb fragt er sich: "Warum organisieren sich die Menschen nicht?" Vielleicht, weil das nicht so leicht ist, wie es scheint.
Dass es vor einigen Jahren Fortschritte in Sachen Zugänglichkeit der Formel 1 gab, hält Parr für eine aus der Not heraus geborene Maßnahme. "Es gab 2008 eine Krise", erinnert er. "Wenn die Lage schwierig ist, arbeiten die Leute zusammen. Ich will, dass die Fans einbezogen werden und eine Stimme bekommen." Wie das konkret aussehen soll, lässt Parr offen. Fanvertreter in den Organisationsgremien sind eine theoretische Möglichkeit, deren Umsetzbarkeit in der Praxis mehr als fraglich ist.
Und so wünscht sich Parr eine Initiative der Fahrer, die mit Unterschriften geizen und sich abschotten: "Ich bin ein großer Fan von dem, was sie tun. Sie haben unglaubliche Fähigkeiten, aber so schaden sie sich selbst." Er selbst will sich trotz des Gefühls, noch etwas zu erledigen zu haben, ein Comeback gut überlegen: "Ob ich in die Formel 1 zurückkehre, weiß ich noch nicht. Ich bin aus einem bestimmten Grund gegangenen und ich erkenne nicht, wieso ich mir das ein weiteres Mal antun sollte."