Der Bottas-Faktor in Sotschi: Wir analysieren, warum sein klarer Sieg im Stallduell gegen Lewis Hamilton eigentlich für niemanden eine Überraschung sein sollte
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Viele Experten zeigten sich nach dem Qualifying zum Grand Prix von Russland in Sotschi überrascht darüber, dass Valtteri Bottas zum zweiten Mal hintereinander schneller war als Teamkollege Lewis Hamilton, und zwar gleich um 0,478 Sekunden. Dabei war das in Wahrheit keine Überraschung, sondern ein Ergebnis mit Ansage.
Denn während Hamilton in den ersten drei Jahren Sotschi zweimal sein Qualifying-Stallduell gegen Nico Rosberg verlor, war Bottas auf der russischen Strecke schon immer in seiner ganz eigenen Liga. 2014 belegte er den dritten Startplatz, während Williams-Teamkollege Felipe Massa (18.) schon in Q1 scheiterte. In Q1 war Bottas damals um 3,9 Sekunden schneller. Zugegeben nicht unbedingt repräsentativ.
Auch 2015 sicherte sich Bottas hinter den überlegenen Silberpfeilen den dritten Startplatz. Massa wurde 15. Abstand der beiden in Q2: 1,7 Sekunden. Erst 2016 war Bottas erstmals nicht bester Nicht-Mercedes - aber erneut Dritter, diesmal hinter Rosberg und Sebastian Vettel. Dem fünftplatzierten Massa brummte er diesmal "nur" 0,5 Sekunden auf. Fast schon eine Niederlage ...
Glatter Asphalt eine Spezialität für Bottas?
Das beweist: Bottas ist in Sotschi einfach Extraklasse. Eine solche Fahrer-Strecken-Kombination kommt in der Formel 1 selten vor, aber es gibt sie. Man denke etwa an Michael Schumacher in Spa, Gerhard Berger in Hockenheim oder auch Adrian Sutil in Monaco. Auf ihren besten Strecken sind Fahrer manchmal zu außergewöhnlichen Leistungen imstande.
"Sotschi ist eine Strecke, die Valtteri schon in den Williams-Jahren sehr gut gelegen ist. Sie kommt seinem Fahrstil entgegen", erklärt Mercedes-Sportchef Toto Wolff. "Insofern lässt sich der Abstand schon erklären." Auch in der Höhe von einer halben Sekunde. Denn schon am Freitag bohrte Hamilton ständig am Funk, wo er Zeit auf den Teamkollegen verliert. Obwohl es ihm genau erklärt wurde, konnte er daran nichts ändern.
"Es ist eine ganz spezielle Strecke hier, mit einem Asphalt, der unheimlich glatt ist. Da war es auch in den letzten Jahren immer schwierig, es auf den Punkt zu bringen", sagt Wolff. Hamilton sei aber auch "mit dem Auto nicht ganz zufrieden. Wir müssen herausfinden, was wir tun können, damit er auf seinem normalen Level performen kann."
Hamilton selbst steckt die deutliche Niederlage ziemlich cool weg: "Es lag alles daran, dass ich im letzten Sektor eine halbe Sekunde verloren habe", winkt er ab. Das ist freilich Unsinn: Hamilton fuhr im letzten Sektor seiner schnellsten Runde eine Zeit von 28,016 Sekunden. Seine absolute Bestzeit dort: 27,788 Sekunden. Theoretisch hätte er also um 0,228 Sekunden schneller sein können.
Abstand hätte sogar größer sein können
Bottas blieb im entscheidenden Moment sogar um 0,278 Sekunden über seiner persönlichen Bestzeit von 27,398 Sekunden. Hätte er die einfach wiederholt, wäre der Vorsprung auf Hamilton noch größer gewesen - und: "Ohne den kleinen Fehler in Q3 hätte er auf Pole stehen können", weiß Wolff. "Aber 'hätte' und 'wäre' zählen in diesem Sport nicht." Hamiltons Rückstand war also nichts anderes als eine Verfestigung des Trends des gesamten Wochenendes.
Gegenüber Niki Lauda muss sich der Ex-Weltmeister nun erklären: "Ich werde ihn auf jeden Fall fragen, was los ist", so der österreichische Mercedes-Boss in der 'RTL'-Analyse. "Eines ist aber klar: Wenn das Auto einem Fahrstil nicht liegt, dann tut man sich schwerer. Bottas kommt mit dem halbguten Mercedes im Vergleich zu Ferrari besser zurecht. Deshalb ist er schneller."
So richtig erklären kann den Bottas-Faktor in Sotschi nicht einmal Bottas selbst: "Einige Strecken magst du halt mehr als andere", sagt er. Es war schon früher, auf Williams, immer eine gute Strecke für mich. Erklären kann ich das nicht. Die Strecke ist nett und ich genieße es, hier zu fahren."
Und zwar offensichtlich richtig schnell.