Interview mit Lotus-Teamchef Eric Boullier: Warum nach einem Sieg und WM-Platz vier in der starken Saison 2012 der nächste Schritt folgen muss
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Auf den ersten Blick sieht der heute in Enstone präsentierte Lotus-Renault E21 nicht gravierend anders aus als sein Vorgänger, abgesehen von einigen kleinen Details und dem in den Farben von Energydrink-Hersteller Burn lackierten Frontflügel. Aber gerade wegen dieser Kontinuität erwartet sich Teamchef Eric Boullier trotz diverser finanzieller Sorgen, mit denen er sich herumschlagen muss, 2013 einen weiteren Schritt nach vorne. Das Ziel ist klar: mindestens WM-Dritter werden und mindestens zwei Grands Prix gewinnen - und das im Idealfall mit beiden Autos.
Frage: "Eric, mit welchen Gefühlen blickst du auf 2013 und was hoffst du, dass ihr erreichen könnt?"
Eric Boullier: "Ich halte es für realistisch, dass Großes möglich ist. Der Sprung, den wir von 2011 auf 2012 gemacht haben, zeigt, wozu wir in der Lage sind. Man ergänze noch Kontinuität und das Potenzial unserer Fahrerpaarung und alles zusammen ergibt einen sehr starken Cocktail für die bevorstehende Saison. Unser ambitionierter Plan, eines der Topteams in der Formel 1 zu werden, nimmt langsam Formen an. Das müssen wir jetzt mit regelmäßigen Podestplätzen untermauern."
Frage: "Wie gefällt dir der E21?"
Boullier: "Ich glaube, es ist uns gelungen, den sexy und glamourösen Eindruck des Autos zu bewahren. Unsere Lackierung war im Vorjahr bei den Fans am beliebtesten. Ich erwarte, dass das mindestens so bleibt, aber ich weiß, dass die Jungs in Enstone harte und gute Arbeit geleistet haben. Daher hoffe ich, dass das Auto noch besser ist als im Vorjahr. Es ist ein guter Anfang."
Zuletzt 2006 Weltmeister gewesen
Frage: "Welche Vorteile hat das Team im Vergleich zu seinen Gegnern um die Meisterschaft?"
Boullier: "Wir sind schlank und hungrig. Enstone weiß, wie man Meisterschaften gewinnt, aber es ist eine Weile her, dass wir eine gewonnen haben, also sind wir heiß darauf, wieder vom Ruhm zu kosten. Wir haben eine fantastische Fabrik in Enstone, eine, die in den vergangenen Jahren durch strategisches Investment erheblich verbessert wurde. Wir haben ein etabliertes Techniker- und Designteam, das im vergangenen Jahr ein fantastisches Auto produziert hat, den E20. Der E21 setzt darauf auf. Wir haben eine sensationelle Fahrerpaarung mit dem Weltmeister von 2007, Kimi, und einem hungrigen Youngster, Romain. Wir haben außerdem starke Partner und sind bereit für die Action."
Frage: "Wie ist die Stimmung im Team?"
Boullier: "Es ist eine Mischung aus Aufregung und Enthusiasmus. Im Vorjahr haben wir das Momentum aufgebaut, mit den ersten Podestplätzen und guten Fahrern. Der erste Sieg durch Kimi hat ebenfalls dazu beigetragen. Dieses Team ist gut! Es ist also eine Mischung aus diesen zwei Gefühlen. Alle sind ins neue Projekt vertieft. Ich hoffe, dass das Auto unsere Erwartungen auch auf der Rennstrecke erfüllen kann."
Frage: "Was erwartest du, wie sich die Fahrerdynamik während der Saison entwickeln wird?"
Boullier: "Wir wissen, dass beide Fahrer gut zusammenarbeiten und dass sich ihre Fähigkeiten und Talente ergänzen. Kimi hat so viel Erfahrung und weiß in jeder Situation, wie er reagieren muss. Auch technisch ist er eine super Ressource. Romain hat einen super Grundspeed, von dem wir überzeugt sind, dass er ihn 2013 in den Rennen effektiver einsetzen wird. Beide sind ehrgeizige Individuen - wie alle Rennfahrer -, und das treibt sie gegenseitig an, noch besser zu werden. 2012 war offensichtlich, wie sehr wir davon profitiert haben, zwei talentierte Fahrer zu haben, und ich gehe davon aus, dass das 2013 noch besser wird."
Frage: "Wie schätzt du Kimi Räikkönen und Romain Grosjean ein?"
Boullier: "Ich finde, wir haben eine der besten Fahrerpaarungen im Paddock. Wir haben Erfahrung, Charisma, Führungskraft auf der einen Seite und Hunger, Speed und vielleicht die Zukunft auf der anderen. Für mich war es wichtig, da ein paar Jahre Kontinuität reinzubekommen, denn man sieht auch bei den ganzen Topteams, dass deren Fahrerpaarungen seit Jahren unverändert sind. Wenn man die Prozesse kennt, wenn die beiden Fahrer alle Leute und alle Abläufe im Team kennen, dann entsteht dieses Momentum zwischen ihnen und dem Team. Und das macht es einfacher, Leistung zu bringen."
Frage: "Worauf liegt 2013 der Fokus des Teams?"
Boullier: "Es wird sicher ein interessantes Jahr. Einerseits liegt die Saison vor uns und wir spüren dieses sehr starke Verlangen, Großes zu erreichen. Andererseits stehen erhebliche technische Herausforderungen für 2014 vor der Tür, wofür wir natürlich einen Teil unserer Ressourcen aufwenden müssen. Auf der Strecke wollen wir das bestmögliche Ergebnis erreichen, und das wollen wir auch abseits der Strecke. Wir wollen in jedem Bereich unserer Tätigkeit die Besten sein."
Mehr Siege als 2012 anvisiert
Frage: "Gibt es formelle Ziele für 2013? Und wenn ja, welche?"
Boullier: "Wir wollen besser sein als vergangenes Jahr. 2012 war eine gute Saison - insbesondere im Vergleich zum Jahr davor -, aber wie jedes Team in diesem umkämpften Sport wollen wir gewinnen. Wir wollen regelmäßig auf dem Podium stehen und die Anzahl unserer Präsenzen auf dem obersten Treppchen erhöhen. Wir haben 2012 die Topteams gejagt und endlich den lang erwarteten ersten Sieg gefeiert. Das war ein sehr schöner Moment für das ganze Team. Aber 2013 müssen die Ziele noch ehrgeiziger sein. Wir wollen unter die Top 3 bei den Konstrukteuren und mehr Rennen gewinnen, um die Moral des Teams zu stärken."
Frage: "Ist das nicht ein sehr optimistisches Ziel?"
Boullier: "Muss man auch sein, optimistisch und erwartungsvoll, denn das Ziel ist, besser zu werden. Heute wissen wir, dass wir 2013 besser sein werden als 2012. Die einzige Unbekannte ist, dass wir nicht wissen, wie sehr sich das Team steigern wird. Nach den ersten Testwochen im Februar sollten wir zumindest ein bisschen mehr über die relative Performance der Teams wissen, aber wir sind definitiv zuversichtlich, dass wir dieses Jahr besser sein werden."
Frage: "Ihr habt mit Davide Valsecchi einen neuen Testfahrer verpflichtet. Wie kam es dazu?"
Boullier: "Wir haben Davide beim Young-Driver-Test in Abu Dhabi getestet und hatten daher schon ein klares Bild davon, was er kann. Er hat sich gut geschlagen, aber er war nicht nur gut, sondern er hat auch das gemacht, was der Ingenieur von ihm erwartet hat. Damit hat er ein wichtiges Kreuzchen gesetzt. Darüber hinaus ist er GP2-Champion. Er hat allen gezeigt, dass er Rennen fahren kann, und daher bin ich froh, ihm die Chance zu geben, Teil einer großen Organisation in der Formel 1 zu sein. Für ihn wird das eine intensive Erfahrung, er muss auch viel lernen und entdecken. Aber das gehört dazu."
Frage: "Und dann habt ihr noch Jerome D'Ambrosio und Nicolas Prost."
Boullier: "Jerome ist schon lange bei uns, aber auch Nicolas. Nicolas war an der Weiterentwicklung beteiligt und hat auch in Abu Dhabi getestet. Jerome war vergangenes Jahr dritter Fahrer und wir geben ihm in neuer Funktion eine weitere Chance. Er kann jetzt das Auto im Simulator weiterentwickeln. Beide verdienen es, hier zu sein, und sie stehen heute hier, weil sie gute Arbeit leisten. All das trägt zur Gesamtperformance des Teams bei."