Eine klare Struktur wie in der MotoGP und ein Draft-System nach US-Vorbild: So will Ross Brawn die besten Nachwuchsfahrer in die Formel 1 bringen
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Die Formel 1 sieht sich selbst als Gipfel des weltweiten Motorsport und sollte demnach auch den Anspruch haben, dass dort die besten 20 oder 22 Fahrer der Welt fahren. Doch ein Blick in die Formel-1-Starterfelder der Gegenwart und Vergangenheit zeigt, dass dies eigentlich nie der Fall war. Talent alleine war noch selten genug, um sich eines der begehrten Cockpits zu sichern. Gerade in kleineren Teams müssen junge Fahrer einen ordentlichen Batzen Geld mitbringen, um einen Platz zu ergattern. Wer diese Mitgift nicht hat, dem nutzen auch bessere Ergebnisse in Nachwuchsformeln wenig.
Dieses Problem hat auch der neuen Formel-1-Sportchef Ross Brawn erkannt und will etwas daran ändern. Für den früheren Teamchef ist es ein untragbarer Anachronismus, dass sich viele junge Fahrer ihren Platz in der Formel 1 erkaufen müssen, während andererseits große Talente in die Röhre schauen.
"Ideal wäre, wenn die kleineren Teams eine Art Kindergarten für junge Fahrer wären, vielleicht sogar verpflichtend", sagt Brawn im Interview mit 'ESPNF1'. Sprich: Das Modell von Red Bull, die Toro Rosso konsequent als Nachwuchsteam zur Ausbildung junger Fahrer nutzen, sollte Schule machen.
Draft-System wie im US-Sport denkbar
"Man könnte über ein Draft-System nachdenken, bei dem die Jungs in ihrer ersten Saison für ein kleineres Team fahren müssen, ehe sie in ein Spitzenteam wechseln", schlägt Brawn eine Regelung aus dem US-Sport vor. In den dortigen Profiligen, sei es American Football, Basketball oder Baseball, hat sich das Draft-System seit vielen Jahren bewährt.
Dabei dürfen die Mannschaften in umgekehrter Reihenfolge des Ergebnisses aus der Vorsaison junge Nachwuchsspieler verpflichten. Das schlechteste Team hat dabei die erste Wahl und kann sich somit das größte Talent des jeweiligen Jahrgangs aussuchen, während das Meisterteam mit weniger talentierten Spielern vorliebnehmen muss. So trägt dieses System dazu bei, das Kräfteverhältnis etwas auszugleichen.
Eine weitere, wenn auch schon seit langem bekannte Baustelle, hat Brawn bei der Nachwuchsförderung ebenfalls ausgemacht: Das Fehlen einer klar strukturierten Aufstiegsleiter. Mit GP2, GP3, Formel 3 oder der früheren Formel Renault existieren immer noch zahlreiche Nachwuchsformeln, die sich teilweise an die gleiche Zielgruppe richten.
MotoGP als Vorbild
Hier schwebt Brawn eine klare Struktur vor, in der Erfolge in Formel 3 und einer Formel 2 die Voraussetzung sind, um in die Formel 1 aufzusteigen. "Wenn man in jeder dieser Meisterschaften zur Spitze gehören muss, um in die Formel 1 zu kommen, hätte man dort die besten Fahrer", meint Brawn.
Außerdem fordert der neuen Formel-1-Sportchef eine engere Anbindung der Nachwuchsklassen an die Formel 1. Zwar fahren derzeit im Rahmenprogramm vieler Formel-1-Rennen die GP2 und GP3, doch der normale Formel-1-Zuschauer bekommt davon in der Regel nichts mit. Hier sollte sich die Formel 1 nach Ansicht von Brawn an der MotoGP orientieren.
Dort sind die Nachwuchsklassen Moto2 und Moto3 bei allen Rennen Teil des Rahmenprogramms. Die Rennen finden zudem unmittelbar vor denen der MotoGP statt und werden von den gleichen TV-Sendern übertragen. Dadurch lernen die Zuschauer aufregende Talente schon früh kennen, was zur Bindung zwischen Fans und Fahrern beiträgt. "So könnte man den Aufstieg der jungen Leute mitverfolgen und sicherstellen, dass es nur Fahrer in die Formel 1 schaffen, die es auch verdient haben", sagt Brawn.