Der Brite sieht "harte Zeiten", erkennt im MP4-30 aber einen wegweisenden Boliden und glaubt, dass es sich um den Kohlefaser gewordenen Retter des Sports handelt
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Nach den Eindrücken des Qualifyings zum Australien-Grand-Prix am Samstag ist der McLaren MP4-30 allerhöchstens deshalb historisch, weil er seinen Schöpfern ein denkwürdig mieses Jahr einbrockt. Jenson Button sieht die Sache anders: Der Ex-Weltmeister erkennt in dem Honda-befeuerten Renner eine Gezeitenwende. "Der Sport braucht jemanden, der Mercedes herausfordert. Unser Team kann das schaffen und dieses Auto ist wichtig für die Zukunft der Formel 1", orakelt Button.
Die Pleite von Melbourne ist für den Routinier keine Überraschung, schließlich zeichnete sich schon bei den Testfahrten in Jerez und Barcelona ein Debakel ab. "Ich habe überhaupt nichts erwartet, weil ich wie wir alle in langfristigen Dimensionen denke", gibt sich Button geduldig. Im Alter von 35 Jahren bleibt ihm nicht viel Zeit, trotzdem ist von Torschlusspanik keine Spur: "Es wäre unfair, mit dem Team hart ins Gericht zu gehen. Ich werde dieses Qualifying nicht als Rückschlag bezeichnen."
Grund zur Zuversicht ist für Button das Fahrverhalten des MP4-30. Der Bolide ist gutmütiger als sein Vorgänger, was schon Rennleiter Eric Boullier im Rahmen der Wintertests gebetsmühlenartig wiederholte. Der Mann, der sich einst als "Reifenflüsterer" einen Namen machte, will das nicht als Durchhalteparole verstanden wissen. "Das Auto fährt sich gut, die Basis ist gut. Die Fortschritte sind massiv", betont Button, den chronisches Überbremsen auf der Vorderachse 2014 an den Rande der Verzweiflung brachte.
Neuer McLaren hat Manieren beigebracht bekommen
Er erinnert sich mit Grausen: "Im vergangenen Jahr haben wir eine schnelle Runde hinbekommen, aber im Rennen war es schwierig: Das Auto war vorne extrem unruhig, die Front hat dich aus der Kurve geschmissen. Es war richtig 'dreckig'." Offenbar haben die McLaren-Ingenieure dem Boliden Manieren beigebracht. "Jetzt ist es ganz anders, der Wagen lässt sich endlich sauber fahren. Die Fortschritte sind massiv." Stimmt das, dann dürfte der neue Chrompfeil in Sachen Reifenverbrauch ein echter Sparfuchs sein.
Ehe sich das bezahlt macht, müssten in Woking noch mehrere Vorratspackungen Bleistifte gekaut werden, wie Button betont. Es gäbe kein spezifisches Problem, es gäbe ganz viele Baustellen, dafür aber kaum Erfahrungswerte: "Das Auto ist ganz anders als alles, was ich zuvor gefahren bin", erklärt der Brite, der auf eine 15-jährige Karriere in der Königsklasse zurückblickt. Diese Aerodynamik und diese Designphilosophie gab es so noch nie. Für McLaren und Honda ist es richtungsweisend."
Der Lohn der Arbeit ist vielversprechend, wenn McLaren eine Weile auf die Zähne beißt: "Wir können es in etwas ganz Besonderes verwandeln. Die Zeiten sind aber hart und werden es eine Weile bleiben." Genau wie Honda-Sportchef Yasuhisa Arai glaubt Button an Grand-Prix-Siege noch im Jahr 2015, was angesichts des großen Rückstandes aktuell utopisch erscheint: "Das passiert nicht zum Jahresanfang, aber wir wollen uns nicht das komplette Jahr über für WM-Punkte abstrampeln", macht er klar.
Der mysteriöse Unfall Fernando Alonsos hat bei Button nicht für Verunsicherung gesorgt: "Als Fahrer will man wissen, was mit dem Auto war. Ich bin die Daten durchgegangen und habe überhaupt nichts von einem technischen Defekt entdeckt. Es gab zu 100 Prozent keinen Stromschlag. Gut, dass alles stimmt und ich den Wagen ans Limit bringen kann."