David Coulthard räumt mit den Vorwürfen auf, Red Bull hätte Webber in Suzuka für Vettel geopfert, und fühlt sich an sein Stallduell mit Mika Häkkinen erinnert
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Hat Red Bull Mark Webber geopfert, um Sebastian Vettel zum Sieger des Grand Prix von Japan zu machen? Dieser Verdacht machte sich breit, als der auf Platz zwei liegende "Aussie" auf eine Dreistoppstrategie umgestellt wurde, um den zwischenzeitlichen Leader Romain Grosjean mit einem frühen Boxenstopp unter Druck zu setzen. Der Lotus-Pilot reagierte tatsächlich und kam deutlich früher als Vettel zu seinem zweiten Stopp herein, wodurch der WM-Leader am Ende einen Reifenvorteil hatte.
Webber gelang es am Ende mit neuen Reifen noch, wie Vettel davor Grosjean zu überholen, an den Teamkollegen kam er aber nicht mehr heran - was Red Bull vor allem in Anbetracht der WM-Situation sehr recht sein dürfte. Da Webber vor dem Karriereende steht und nichts mehr zu verlieren hat, hätte er Vettel wohl kaum auf Teambefehl vorbeigelassen - war die Strategieänderung also ein taktischer teaminterner Schachzug, um die Verhältnisse wieder zurecht zu rücken?
Der Pole-Setter war nach dem Rennen jedenfalls "überrascht", dass man ihn auf drei Stopps umgestellt hatte. Auch in der Endphase musste er von seinem Renningenieur Simon Rennie motiviert werden, da er merkte, dass sich der Grand Prix nicht zu seinen Gunsten entwickelte.
Umgang mit den Reifen als Schlüsselfaktor
Webbers Ex-Teamkollege David Coulthard zweifelt daran, dass Red Bull bei Webber die Strategie änderte, nur um Vettel zu helfen. "Zu dem Zeitpunkt, als die Strategie kreiert wurde, war Vettel immer noch hinter Grosjean, also gab es keine Garantie, dass er gewinnen würde", argumentiert Coulthard gegenüber der 'BBC'. "Ich glaube nicht, dass das Team in Runde elf, als Webber erstmals hereinkam, eine Entscheidung treffen kann, die sicherstellt, dass Vettel Grosjean einholen und überholen kann."
Vettel kam währenddessen erst in Runde 14 zum ersten Mal an die Box - ihm gelang es auch im weiteren Verlauf des Rennens, mit den Reifen besser hauszuhalten, was ihm schließlich den entscheidenden Vorteil einbrachte. Der höhere Reifenverschleiß war schließlich der Grund, den man bei Red Bull für die Strategieänderung nannte. Für Coulthard keine Überraschung: "Die Pirelli-Ära seit 2011 hat gezeigt, dass Vettel besser als alle anderen mit den Eigenheiten dieser Reifen zurecht kommt."
Er hat auch eine Idee, warum der 1,85 Meter große Webber diesbezüglich im Nachteil sein könnte: "Mark ist etwas schwerer, und hat daher manchmal die Gewichtsverteilung nicht so hinbekommen. Bei Seb halten die Reifen einfach länger - das ist eine Tatsache."
Coulthard: Webber hätte aufgemuckt
Der Schotte ist sicher, dass Webber seine Meinung nicht zurückgehalten hätte, wäre er davon überzeugt gewesen, absichtlich eingebremst worden zu sein: "Mark verlässt mit Saisonende die Formel 1 - wenn er Fakten hätte, dass das wirklich der Fall sei, denn gehe ich davon aus, dass er das gesagt hätte. Warum sollte er so etwas verbergen, wenn nur noch vier Rennen in seiner Formel-1-Karriere zu fahren sind? Das würde er doch niemals zurückhalten - und in Anbetracht der gespannten Atmosphäre mit Red-Bull-Berater Helmut Marko wäre das beinahe ein Abschiedsgeschenk."
Coulthard, der Ende 2008 seine Formel-1-Karriere bei Red Bull beendet hat und nun als Berater fungiert, vergleicht Webbers Schicksal beim österreichischen Team mit Sitz in Milton Keynes mit seiner eigenen Situation bei McLaren vor mehr als zehn Jahren: "Mark ist am Boden. Er hatte vier Revanchepartien gegen Sebastian im gleichen Auto, und jedes Mal hat er den Kürzeren gezogen. Das erinnert mich an meine McLaren-Zeit. Ich glaube nicht, dass man mir jemals schlechteres Material gab als Mika Häkkinen, und erst nach meiner Zeit als sein Teamkollege konnte ich anerkennen, dass er einfach schneller war."
Coulthard fühlt sich an McLaren erinnert
Davor hatte Coulthard stets argumentiert, dass Häkkinen nach seinem lebensbedrohlichen Unfall in Adelaide 1995 in einem McLaren eine viel engere Bindung zu Teamchef Ron Dennis hatte und dadurch besser behandelt wurde. Und läuft es dann einmal nicht nach Wunsch, erhärtet sich ein derartiger Verdacht rasch.
"Natürlich war ich manchmal benachteiligt", erinnert sich Coulthard. Er verweist auf das kuriose Regenrennen in Monaco 1996, als er im McLaren den Überraschungssieger Olivier Panis im Ligier-Boliden nicht stoppen konnte: "Ich führte vor Mika, und das Team holte ihn eine Runde vor mir herein, um auf Trockenreifen zu wechseln", erzählt er. "Das war der entscheidende Moment, als ich überholt wurde."
Inzwischen ist ihm aber bewusst, dass dies kein Beweis dafür ist, dass Häkkinen im Team bessergestellt war: "Wahrscheinlich sagten sie nachher, dass sie bei Mika sehen wollten, ob die Strecke trocken genug für Slicks ist - und als sie es wussten, holten sie mich die Runde darauf herein. Man kann also immer in beide Richtungen argumentieren."