Domenicali mahnt zur Ruhe: Nicht italienisch sein!

, 07.10.2012

Stefano Domenicali wehrt sich gegen den Vorwurf, bei Ferrari herrsche seit sechs Rennen Stillstand, weiß aber, dass der Druck durch die Null in Suzuka gewachsen ist

Mit 29 Punkten Vorsprung war Fernando Alonso nach Japan gekommen, mit nur noch vier reist er weiter nach Südkorea: Der Ferrari-Pilot schied beim Grand Prix in Suzuka nach einer Kollision mit Kimi Räikkönen schon in der ersten Kurve aus und kann sich nun im WM-Kampf nicht mehr auf seine bewährte "Eichhörnchen-Sammeltaktik" verlassen.

Teamchef Stefano Domenicali hatte vor dem Rennen die Marschroute zum Titelgewinn vorgelegt: noch ein Rennen gewinnen, ansonsten immer so viele Punkte wie möglich sammeln. Diese Taktik kann die Scuderia nach Suzuka getrost in den Papierkorb werfen: "Jetzt ist die Situation sicher anders", gibt Domenicali zu. "Wir müssen vor Vettel ins Ziel kommen und sicherstellen, dass wir mehr Punkte herausholen, wenn sie mal Probleme haben. Leider ist der Vorsprung weg - leider aus Gründen außerhalb unserer Kontrolle."

Gestern bremsten Alonso gelbe Flaggen (übrigens ebenfalls wegen Räikkönen), heute die Startkollision. "Das waren zwei Dinge, die weder er noch das Team kontrollieren konnten. Teil des Spiels", ärgert sich Domenicali. "Wir sind natürlich sehr frustriert, aber wir müssen ruhig bleiben. Wir wissen, dass jedes Rennen anders ist und wir wissen, dass das, was uns heute passiert ist, auch den anderen passieren kann. Wir sind heute nicht sehr glücklich, andere haben gut lachen. Aber das wird sehr bald wieder anders sein!"

Seit sechs Rennen Stillstand?

"Alonso ist frustriert", analysiert 'RTL'-Experte Niki Lauda den Grand Prix von Japan aus Sicht seines früheren Arbeitgebers. "Sechs Rennen ist nix weitergegangen, jetzt muss zum Schluss etwas nachkommen." Domenicali dementiert: "Einige sagen, dass wir unser Auto seit vielen Grands Prix nicht mehr weiterentwickelt haben. Das stimmt nicht. Man muss verstehen, dass Fernando nach so einem schwierigen Wochenende frustriert ist. Das Auto ist nicht seit sechs Rennen unverändert, sonst wären wir viel weiter hinten, weil die Entwicklungsrate aller Teams sehr hoch ist."

Lauda lässt diese Argumentation des Italieners nicht unkommentiert stehen: "Ich habe gerade mit Domenicali geredet. Der sagt natürlich, er ärgert sich maßlos, denn er wäre heute mit Alonso sicher Zweiter geworden - oder vielleicht sogar Erster. Da habe ich gesagt: 'Träumst du ein bisschen?' Aber er sagt, er ist sehr optimistisch, wenn die Upgrades kommen. Gut, Italiener sind immer sehr optimistisch. Ich glaube nicht, dass das reichen wird. Sebastian ist im Moment auf dem besten Weg, die Weltmeisterschaft zu gewinnen."

Italienische Emotionen nicht gefragt

Aus Ferrari-Sicht ist jetzt entscheidend, nach den unglücklichen Ausfällen in Spa-Francorchamps und Suzuka nicht die Nerven zu verlieren. Das ist Domenicali bewusst: "Das Wichtigste ist in dieser Phase der Saison, rational zu bleiben. Wir müssen gelassen bleiben und dürfen da nicht italienisch sein", mahnt er seine Scuderia zur Ruhe. "Wir dürfen keine Entschuldigungen suchen, sondern müssen hart arbeiten. Punkt. Und wir haben die Gelegenheit, es schon in einer Woche in Südkorea besser zu machen. Also Kopf hoch!"

"Wir haben bis jetzt gesehen, dass jedes Rennen anders ist, also müssen wir weiterhin am Auto arbeiten. Vielleicht müssen wir unsere Qualifying-Pace verbessern, denn da sind wir nicht auf dem Niveau, auf dem wir sein sollten. Im Rennen sieht man, dass es eine ganz andere Geschichte ist", räumt Domenicali ein und gesteht, dass der Sargnagel auf die schnelle Einzelrunde noch nicht identifiziert ist: "Wenn ich es wüsste, würde ich meinem Technischen Direktor sagen, dass er etwas dagegen unternehmen soll. Ganz ehrlich: Ich weiß nicht, woran es liegt."

In nur fünf Tagen bis zum Trainingsauftakt in Südkorea technische Probleme zu lösen, ist freilich ein schwieriges Unterfangen. Trotzdem will es Ferrari versuchen: "Natürlich werden wir versuchen, etwas zu bringen, aber die Realität werden wir auf der Strecke sehen. Das Ziel muss sein, zu jedem Rennen etwas Neues zu bringen", kündigt der 47-Jährige an. "Wir dürfen aber auch nicht vergessen, die vorhandene Performance auf jeder Strecke zu maximieren, denn die Strecken sind ganz unterschiedlich."

Kräfteverhältnis wechselt ständig

Als Indiz dafür wertet er das innerhalb von nur zwei Wochen völlig veränderte Kräfteverhältnis: "McLaren war in Singapur unglaublich schnell - alle haben gesagt, dass die fliegen. Dieses Wochenende war es ganz anders. Red Bull war beeindruckend. Wir müssen schauen, was wir unternehmen können, um mit ihrer Entwicklung gleichzuziehen. Vielleicht war diese Strecke besser für sie, aber die anderen machen Druck - also müssen auch wir Druck auf unsere Ingenieure ausüben, damit sie die Weiterentwicklungen abliefern."

Was nicht einfach wird, weil der hauseigene Windkanal in Maranello wegen einer technischen Aktualisierung stillgelegt wurde und Ferrari derzeit bei der Toyota Motorsport GmbH in Köln testen muss. Aber: "Ich möchte das nicht als Ausrede für unsere Ingenieure gelten lassen. Das ist Teil des Spiels", erklärt Domenicali und unterstreicht, dass Ferrari nicht als einziger Rennstall betroffen ist: "Ich weiß, dass einige andere Teams auch Probleme damit haben, dass manche Teile, die sie an die Rennstrecke bringen, nicht funktionieren."

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