Stefano Domenicali blickt auf das Rennen in Brasilien und erinnert an das Finale von 2010 - Wiederholt sich die Geschichte unter umgekehrten Vorzeichen?
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Während die meisten Teams und Fahrer die Tage vor der Weiterreise nach Sao Paulo in den USA verbrachten, stand für Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali und seinen Technikchef Pat Fry wieder einmal die mittlerweile übliche Heimreise auf dem Programm. Auch nach Übersehrennen kehren Domenicali und Fry regelmäßig zu einer Nachbesprechung in die Ferrari-Fabrik nach Maranello zurück. Gestern standen dabei vor allem die Reifen im Mittelpunkt, nachdem Pirelli in Interlagos die gleichen Mischungen wie in Austin liefern wird.
Gemessen an der Ausgangslage zog Domenicali ein positives Fazit des Rennens in Austin: "Wenn man bedenkt, in welcher Situation wir am Samstag nach dem Qualifying waren, dann muss man das Resultat im Rennen als positives Resultat bewerten", so der Italiener. Nachdem Fernando Alonso im Qualifying nur die neuntschnellste Zeit gefahren war, beendete er das Rennen auf Platz drei. Da WM-Rivale Sebastian Vettel Zweiter wurde, ist die Titelentscheidung auf das letzte Saisonrennen vertagt.
"Es ist uns gelungen, den Kampf um die Fahrer-Weltmeisterschaft bis zum letzten Rennen in Brasilien offen zu halten. Daran hätten wir am Samstagabend nicht gedacht", sagt Domenicali. "Wir waren zwar am gesamten Wochenende nicht besonders stark, haben aber erreicht, was möglich war." Das gelang Alonso auch unter gütiger Mithilfe von Teamkollege Felipe Massa. Durch einen Bruch des Siegels am Getriebe seines Autos und die daraus folgende Strafversetzung rückte Alonso, der nach der Rückversetzung von Romain Grosjean von Position acht hätte starten sollen, auf sieben nach vorne.
Schafft Alonso noch die Wende?
Somit startete der Spanier auf der sauberen Seite der Strecke, was er beim Start ausnutzen konnte und gleich auf Position vier nach vorne fuhr. Nach dem Opfern der fünf Startplätze hat Massa bei seinem Chef einen Stein im Brett: "Ich möchte Felipe auch noch einmal dafür danken, dass er die Entscheidung, die wir am Sonntag getroffen haben, mitgetragen hat", sagt Domenicali. "Felipe ist sich im Klaren darüber, dass die Interessen des Teams bei Ferrari im Vordergrund stehen."
Mit vereinten Kräften hat Ferrari dafür gesorgt, dass Alonso in Brasilien immer noch eine Chance auf den WM-Titel hat. Diese will das Team nun beim Schopfe packen: "Jetzt gilt unsere Konzentration der Vorbereitung des letzten Saisonrennens. Das wird heftig", meint Domenicali. "Wir haben nichts zu verlieren." Motivation schöpft der Italiener aus der Erinnerung an das Saisonfinale 2010: "Vor zwei Jahren waren wir in einer ähnlichen Situation. Damals waren die Rollen zwischen Vettel und Fernando umgekehrt verteilt."
Damals war Alonso mit einem Vorsprung von 15 Punkten auf Vettel in das letzte Saisonrennen in Abu Dhabi gestartet. Während Vettel das Rennen gewann, blieb der Spanier aufgrund einer falschen Strategie hinter Renault-Pilot Witali Petrow hängen und wurde nur Siebter. Damit entriss Vettel Alonso den schon sicher geglaubten WM-Titel. Aktuell ist beträgt Vettels Vorsprung 13 Punkte. Ferrari setzt alles daran, Geschichte unter umgekehrten Vorzeichen zu wiederholen.
Mentale Vorbereitung sehr wichtig
"Wir werden hart arbeiten und dann sehen, wie das Rennen ausgeht. Das kann völlig unvorhersehbar sein", spekuliert Domenicali auf ein chaotisches Rennen in Interlagos. "Wir müssen perfekt arbeiten, damit wir die Chance nutzen können, falls irgendetwas passiert." Dabei sei neben der technischen auch die mentale Vorbereitung sehr wichtig. "Die Technik liefert die Grundlage für die Leistung auf der Strecke, aber letztlich spielt der Fahrer auch eine wichtige Rolle. Druck kann sich negativ auswirken, daher müssen wir dafür sorgen, dass wir daraus positive Motivation schöpfen", so Domenicali.
"Wir müssen das Wochenende überlegt angehen, mit dem Wissen im Hinterkopf, dass wir nichts zu verlieren haben. Wir werden unser Bestes geben, und wenn Sebastian dann gewinnt, werden wir ihm gratulieren", sagt der Teamchef. "Aber wir warten bis zur Zielflagge ab." Allerdings ist sich Domenicali, ebenso wie Alonso, der Tatsache bewusst, dass Vettel bei Red Bull das stärkere Paket hat: "Fernando weiß, dass er derzeit nicht das schnellste Auto hat. Er kann sich aber auf ein Team verlassen, das immer hinter ihm steht. Er wird ab heute nur noch an den Sonntag denken und sich mental darauf vorbereiten. Wir werden ihn dabei unterstützen."
Keine Experimente
Wir, dazu zählt, wie man in Austin gesehen hat, auch Teamkollege Massa. Rechtzeitig zur entscheidenden Phase in der Meisterschaft ist der Brasilianer wieder zu alter Stärke zurückgekehrt. "Felipe kehrt zu seiner Normalform zurück. In den vergangenen Rennen war er sehr gut. Es hat mich gefreut, dass er in Austin so schnell war", lobt Domenicali seinen Schützling. Die Unterstützung durch Massa ist für den Teamchef im Kampf um den Titel ein entscheidender Trumpf.
"Es ist schön, dass er jetzt so gut in Form ist. Das kann den Unterschied ausmachen, denn er kann Fernando dabei helfen, bis zum Schluss um die Weltmeisterschaft zu kämpfen", so Domenicali. Nachdem sich ein neuer Diffusor am Auto von Alonso in Austin als Flop erwies, wagt Ferrari beim Saisonfinale keine Experimente mehr und verzichtet auf Updates des F2012: "Da wird es nichts Wesentliches geben", sagt Domenicali. "Wir brauchen ein reibungsloses Wochenende. Das wird der Schlüssel zum Erfolg sein."