Domenicali: "Wollten Vettels Titel nicht infrage stellen"

, 30.11.2012

Der Ferrari-Teamchef rudert wegen der gescheiterten FIA-Anfrage zurück, will aber in Zukunft den Weg zu den Sportkommissaren nicht scheuen - Herkulesaufgabe 2013

Ferrari hat Red Bull beim WM-Titel 2012 den Vortritt lassen müssen, als schlechter Verlierer will die Scuderia aber nicht dastehen. So betont Stefano Domenicali, dass es nicht das Ziel seiner Truppe gewesen sei, mit der FIA-Anfrage zur Regelkonformität des Überholmanövers Sebastian Vettels beim Brasilien-Grand-Prix gegen Jean-Eric Vergne die Krone am Grünen Tisch zu gewinnen. "Ich denke, es war unsere Pflicht, sicherzustellen, dass wir die Saison bestmöglich beenden", meint der Teamchef.

Das sei im Interesse der Meisterschaft, aller Teams und der Fahrer, findet Domenciali. "Uns blieb doch gar nichts anderes übrig, als die FIA um eine Klarstellung zu bitten", argumentiert er angesichts vermeintlicher Beweisvideos für ein Überholen unter gelben Flaggen, die im Netz kursieren. "Bei allen, was durch das Internet ging", fügt der Italiener an. "Wir wollten gar nicht den Erfolg des Titelgewinners infrage stellen. Es war richtig, mit allem aufzuräumen. Die FIA hat geantwortet, die Sache ist durch."

Ferrari im WM-Lotto: Vier aus Sechs

Das Vorgehen Ferraris bezeichnet Domenicali als "sehr rational" sowie "sehr korrekt" und betont, weiter der Meinung zu sein, dass Fernando Alonso den Titel verdient habe. Er glaubt, damit eine Mehrheit von Fahrern und Kollegen auf seiner Seite zu haben. Dass es nicht geklappt hat, führt der 47-Jährige darauf zurück, dass der Sechser im Formel-1-Lotto ausblieb. Es waren nur vier Richtige, die Ferrari angekreuzt hatte. Domenicali präsentiert seinen Tippschein, der eine Niete war.

Mitzählen ist ausdrücklich erwünscht, wenn der italienische Mathelehrer aus Maranello vorrechnet: "Um in einer komplexen Sportart wie der Formel 1 erfolgreich zu sein, ist es nicht genug, über ein schnelles Auto zu verfügen. Du brauchst auch den besten Fahrer - den wir haben -, Zuverlässigkeit, eine gute Strategie, funktionierende Boxenstopps und eine Portion Glück." Macht sechs Faktoren. Alonso, weitgehende Defektfreiheit, eine passable Taktik und kaum Fehler bei den Reifenwechseln stehen auf der Habenseite.

Endlosschleife: Lobeshymnen auf Alonso

"Von diesen sechs Dingen hatten wir vier", präsentiert Domenciali die Addition und fordert energisch: "Nächstes Jahr brauchen wir alle." Das heißt erstens, dass der Nachfolger des F2012 schneller werden muss, speziell im Qualifying. Das heißt zweitens, dass Fortuna mitzuspielen hat. "Schließlich haben wir zwei Rennen weniger bestritten als unsere Gegner", erinnert Domenicali und spielt auf die Unfälle mit Romain Grosjean in Spa-Francorchamps und Kimi Räikkönen in Suzuka an.

Er lässt die Gelegenheit nicht aus, Alonso ein weiteres Mal mit Lorbeeren zu überschütten. "Es ist ein Privileg, ihn im Team zu haben. Ich würde Fernando für seine Saison eine glatte Zehn geben. Er ist ein fantastischer Fahrer", schwärmt Domenciali von dem Mann aus Oviedo, den er damit sogar über das Team stellt. "Ferrari hätte eine Sieben verdient." Domenicali meint, er sei trotzdem stolz und fordert, an den Schwächen zu arbeiten und Stärken beizubehalten. Er ist sich darüber im Klaren, dass es sich um eine Herkulesaufgabe handelt.

Doppelbelastung bereitet Kopfschmerzen

Schließlich gilt es nicht nur, ein vernünftiges 2013er Modell auf die Räder zu stellen, sondern auch, die Weichen für die Regelnovelle 2014 zu stellen. Dann sollen V6-Turbomotoren in der Formel 1 aufheulen. "Ich bestreite nicht, dass das kritisch wird", grübelt Domenicali wegen der Doppelbelastung. Ihm scheint auch klar zu sein, dass nach Unterboden-Affären und Wackelflügel-Debatten die Diskussionen um die Regelkonformität von Lösungen kein Ende gefunden haben wird. "Es gab eine Menge Polemik", blickt er zurück.

Dennoch ist Domencali gewillt, diesen Sachverhalt als Facette des Geschäfts anzuerkennen. "Das ist ein Teil der Formel 1 und nicht nur der Formel 1. Wenn wir als Sportsleute nicht dem Grundsatz folgen, dass die FIA die Pflicht zur Kontrolle hat, dass jeder die Regeln einhält, sollten wir uns lieber einen anderen Job suchen", findet er - und spricht damit auch wieder die FIA-Anfrage wegen Sao Paulo und Vettel an. Es ist aber auch eine Warnung an Red Bull, die Meister der technischen Grauzone.

Neue Technikaffären drohen

Aus Domenicalis Mund klingt das dann so: "Natürlich sprechen wir da in der Formel 1 über etwas, das sich im Grenzbereich bewegt und manchmal nur schwierig zu greifen ist", räumt er ein. "Ich kann garantieren, dass wir - sollten wir etwas entdecken - unsere formalen Möglichkeiten voll ausschöpfen und sicherstellen, dass unsere Rechte gewahrt werden." Die FIA-Verantwortlichen dürfen ihre Ehefrauen darauf vorbereiten, dass sie 2013 manchmal später nach Hause kommen als geplant.

Dennoch: Er glaubt, die Initiative in der Hand zu haben. "Es liegt jetzt an uns, Fernando und seinem Teamkollegen Felipe Massa, der auch als Teamplayer einen großartigen zweiten Teil der Saison gefahren ist, ein besseres Auto zu geben. Speziell für das Qualifying." Die Meisterschaft zwei Mal in den vergangenen drei Jahren im letzten Rennen der Saison verspielt zu haben, sei hart. "Wie ein Boxer, der einen Tiefschlag kassiert. Wir stehen auf und kämpfen weiter. " Wenn nötig, auch vor dem Sportgericht.

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