Das Red-Bull-Rennen und die Causa Grosjean analysiert: Wieso zwei Stopps geplant waren, Ricciardo verzweifelte und Verstappen gegen Vettel chancenlos war
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Vor zwei Wochen in Australien schien die Red-Bull-Mannschaft das Podium nicht einmal mit dem Fernglas erkennen zu können. Beim China-Grand-Prix am Sonntag holte sich Max Verstappen sensationell einen Pokal ab und rief der Formel 1 ins Gedächtnis, dass mit den Österreichern weiter zu rechnen ist. Die feuchte Strecke zu Beginn spielte dem Teenager, der von Startplatz 16 kommend durch das Feld pflügte, in die Karten. Und die Chefs kamen aus dem Loben gar nicht mehr heraus.
"Seine erste Runde war eine Wucht", schwärmt Teamchef Christian Horner von einem Umlauf, der Verstappen auf Rang sieben brachte und den Grundstein für den Erfolg legte. "Die Chancen für ihn, auf dem Podium zu landen, standen 1:30. Schade, dass niemand gewettet hat", flachst der Brite, der beim Abendessen am Samstag gemeinsam mit Helmut Marko die Wettquoten gecheckt hatte. Auch der Red-Bull-Berater ist beeindruckt: "Nicht nur, dass er neun überholt hat, er bekommt alles mit."
Marko schwärmt von der Rennübersicht Verstappens, der die gefoppten Kontrahenten offenbar aus dem Cockpit heraus gezählt hatte: "Das ist noch viel bewundernswerter." Und sogar Lewis Hamilton zollt Hochachtung, wenn er dem Herausforderer einen "fantastischen Job" seit seiner Ankunft in der Formel 1 bescheinigt. "Toll, das jemand, der jünger ist, hier mitmischt. Er ist eine Brise Frischluft für jeden von uns. Deshalb wird er auch zum Fahrer des Tages gewählt", staunt Hamilton.
Der Niederländer selbst - er rechnete vor dem Start mit WM-Punkten als höchstem der Gefühle - bleibt auf dem Teppich und bemerkt, dass "einige gute Manöver" dabei gewesen wären - unter anderem gegen Teamkollege Daniel Ricciardo, der sich in Runde 26 im Duell um Platz zwei beugen musste und in der Schlussphase kein Mittel gegen Verstappen fand, als es um Rang drei ging.
Dazwischen hatten beide mit ihrem RB13 zu kämpfen. Sie wechselten beim ersten Stopp von den Intermediates auf Supersoft-Reifen, um eine von Beginn an geplante Zweistopp-Strategie durchzuziehen - während Mercedes und Ferrari sich für Soft und zunächst nur für einen Halt bei der Crew entschieden. Für Red Bull wurde die Sache gegen Ende des ersten Stints zum Problem, was Ricciardo und Verstappen zu spüren bekamen, als Sebastian Vettel sie nacheinander aufschnupfte.
Duell gegen Vettel: Verstappen kämpfte mit "stumpfen Waffen"
Marko beschreibt die Situation, in der es gegen den Ferrari-Star ging, als "ein bisschen haarig" und meint über Verstappen: "Wir haben gepokert. Seine Vorderreifen waren schon etwas hinüber. Das war mit stumpfen Waffen." Hinzu kam, dass Verstappen sich bei einem kleinen Fehler einen Bremsplatten eingefangen hatte. Dennoch ist Horner überzeugt, die richtige Strategie gewählt zu haben, weil zweimal Supersoft über die Distanz gesehen schneller gewesen wäre als zweimal Soft. Und es brachte Red Bull sogar die Aussicht, im Kampf um den Sieg ein Wörtchen mitzusprechen.
Der Teamchef staunt über Frühphase des Rennens: "Wir waren wundersamerweise auf den Plätzen zwei und drei mit Supersoft-Reifen - gegen Lewis auf Soft. Wir haben Druck auf ihn ausüben können." Zumindest solange, bis der Vorteil mit den Pneus zum Nachteil wurde. "Ich hatte auch Probleme mit der Balance, weil ich am Samstag nicht viel im Qualifyingtrimm gefahren bin und wir nach dem Abschlusstraining vieles am Auto verändert hatten", schildert Verstappen seine missliche Lage gegen Rennmitte: "Ich habe nur noch versucht, den linken Vorderreifen am Leben zu erhalten."
Ricciardo befand sich in ähnlichen Turbulenzen, die sich mit dem zweiten Satz Reifen entspannten. Er schloss auf Verstappen auf, es kam zum Duell in den Schlussrunden. "Ich hätte gerne für mehr Kampf gesorgt", bedauert der Australier, der das Schwesterauto nie ernsthaft attackieren konnte. "Ich hatte das Gefühl, dran zu sein, aber dann haben die Reifen gelitten. Sogar mit DRS war ich nie in guter Position. Ich dachte an die Innenseite, aber es war noch nass und ich wäre von weit hinten gekommen", bedauert er. Pech für ihn, Glück für seine Chefs, die über so viel Disziplin frohlocken.
Marko sagt erfreut: "Sie sind fair gegeneinander gefahren. Da gab es auch nichts im Vorfeld oder vom Kommandostand. Sie haben eine große Show geliefert." Horner stimmt zu: "Die Jungs sind hart und gut gefahren." Dass überhaupt zum Aufeinandertreffen kam, hatte auch mit Haas-Pilot Romain Grosjean zu tun, der als Überrundeter vor Verstappen herfuhr. Der Franzose hielt sich immer knapp außerhalb der DRS-Zone, störte mit seinem Luftverwirbelungen aber trotzdem und brachte ihn am Funk an den Rande der Verzweiflung. "Das stört einfach", stellt Verstappen klar.
Besonders, weil sein Auto zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon untersteuerte und die Reifen in der Situation weiter litten. "Dann ist es der Horror", moniert Verstappen und versteht nicht, warum Grosjean nicht aus eigenem Interesse aus dem Weg gegangen ist: "Da war niemand vor ihm und niemand hinter uns - er hätte hinter uns Tempo machen können." Letztlich hatte die Szene jedoch keinen Einfluss auf ein Resultat, dass nur einer aus Red-Bull-Reihen als "frustrierend" beschrieb: Ricciardo.