Viele Fahrer wollen innerhalb der Formel 1 keine persönlichen Beziehungen aufbauen, andere trotzen diesem Trend - die Formel 1 als freundschaftsfeindliche Zone
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Das Thema Freundschaft ist in der Formel 1 ein sensibles und fadenscheiniges. Zwar ist immer wieder zu hören, dass sich der eine Fahrer mit dem anderen besser verstehe, vertrauensvolle Beziehungen scheinen auf dem wettbewerbsorientierten Nährboden der Königsklasse jedoch eine Rarität darzustellen. Sauber-Pilot Nico Hülkenberg schätzt die Lage ähnlich ein und gibt zu, keinen wahren Freund im Fahrerfeld zu haben.
"Das ist schwierig. Ich denke, es gibt Fahrer, mit denen man gut kann und es gibt Fahrer, mit denen man weniger gut kann oder keinen Kontakt hat. Aber so richtige Freundschaften habe ich keine", schildert der Emmericher gegenüber 'RTL'. Das bedeute aber nicht, dass er sich nicht mit seinen Kollegen verstehe: "Mit den meisten Deutschen - mit Adrian (Sutil; Anm. d. Red.), mit dem anderen Nico (Rosberg; Anm. d. Red.)" habe er beispielsweise ein gute Verhältnis. Auf Nachfrage nennt Hülkenberg noch Sebastian Vettel: "Mit dem kann ich auch gut. Wir reden oft nicht so viel, der Sebastian ist ja oft bei Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.)."
Jene beiden könnten als positives Beispiel für eine freundschaftliche Beziehung innerhalb der Formel 1 herhalten. Sowohl Vettel als auch Räikkönen machen keinen Hehl daraus, sich zu gut verstehen: "Seit dem Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, mögen wir uns", hatte sich der Finne einst bei 'RTL' geäußert. Vettel kann das bestätigen: "Die Österreicher würden sagen, er ist ein 'gerader Michel'. Er ist so, wie er ist. Ich wurde in der Hinsicht, vor allem was die Wahrheit angeht, bei ihm noch nie enttäuscht."
Freundschaft existiert
Auf der Strecke sind sich beide bislang stets mit Respekt begegnet, was womöglich auch als Folge ihrer Freundschaft zu bewerten ist. Allerdings sind beide auch Weltmeister und sollten erfahren genug sein, um nicht unnötig zu kollidieren. Räikkönen schätzt an Vettel, dass ihm seine sportlichen Erfolge nicht zu Kopf gestiegen sind: "Er ist zwar immer noch mehr Deutscher als Finne, aber er ist normal und bodenständig geblieben", so der 33-Jährige, in dessen Augen Vettel einfach "ein netter Typ" ist.
Das nächste positive Beispiel für eine funktionierende Freundschaft offenbart Mercedes. Nico Rosberg und Lewis Hamilton kennen sich bereits seit frühster Kindheit und haben viele Entwicklungen zusammen durchgemacht. Anfang dieses Jahres hat sie das Schicksal einmal mehr zu Teamkollegen gemacht. "Zu Kartzeiten hatten wir nur Unsinn im Kopf. Wir sind mit Einrädern herumgefahren, haben Witze gerissen und die ganze Zeit Eis gegessen. Es ging immer nur darum, Spaß zu haben", erinnert sich Hamilton an die gemeinsamen Anfänge.
Rosberg bestätigt das gute Verhältnis der beiden: "Er wohnt in Monte Carlo im gleichen Haus unter mir. Wenn er aus Amerika kommt und sein Kühlschrank mal wieder leer ist, dann klingelt er schon mal bei mir", meint der gebürtige Wiesbadener. Selbst habe er den Stallgefährten aber noch nicht bekocht: "Meine Freundin hat für uns zuletzt schnell ein paar Frikadellen gemacht." Und wenn Hamilton dann sowieso gerade da sei, dann "hängen wir etwas ab".
Auch wenn sich seit den Teenagerjahren einiges verändert hat, halten sich beide die Treue: "Heute fahren wir für einen Multi-Millionen-Dollar-Konzern. Wir müssen Ergebnisse abliefern. Das verändert einen", so Hamilton. Trotzdem bezeichnet er die Beziehung zu seinem Nachbarn weiterhin als Freundschaft. Auch Rosberg wird in ähnlicher Weise von der 'Welt am Sonntag' zitiert: "Die Freundschaft zwischen mir und Lewis ist geprägt von Respekt, Vertrauen und gegenseitiger Achtung. Das bedeutet, dass man auch sehr private Dinge offen bereden kann."
Die andere Seite der Medaille
Lange Zeit hatte Hamilton noch einen weiteren dicken Kumpel in der Königsklasse: Adrian Sutil. Seit einem Zwischenfall in China vor zwei Jahren ging die Beziehung der beiden jedoch in die Brüche. Nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung Sutils mit dem damaligen Lotus-Mitbesitzer Eric Lux in einem Nachtclub wurde der Fall an das Amtsgericht München übergeben, wo der Gräfelfinger später hatte erscheinen müssen.
Zu Sutils Entrüstung erschien Hamilton nicht vor Gericht, um seinen Freund zu entlasten. Der Deutsche wurde zu einer anderthalbjährigen Bewährungsstrafe und 200.000 Euro Geldstrafe verurteilt, zudem verlor er sein Formel-1-Cockpit bei Force India. Seitdem herrscht Eiszeit zwischen beiden Piloten, Sutil wartet bislang vergeblich auf eine Klärung der Differenzen mit Hamilton. Seit den Vorkommnissen stellt er sich die Frage, ob die vermeintliche Freundschaft wohl echt war.
Jenson Button ist mittlerweile ein alter Hase im Formel-1-Geschäft und hat besonders über teaminterne Freundschaften hat er eine klare Meinung: "Ich fand es schon immer schwierig, eine enge Beziehung zu Teamkollegen zu haben. Man möchte sie besiegen. Sicher könnte man zwei Gesichter haben, nett zu ihnen sein und es ihnen dann auf der Strecke besorgen, doch das ist nicht mein Stil", gesteht der Brite.
Drei Jahre lang fuhr er auch mit Hamilton bei McLaren, wirklich näher gekommen seien sich die Landsmänner jedoch nicht: "Ich habe mich nicht besonders oft mit Lewis unterhalten. Nur wenn wir aus dem Auto stiegen, haben wir darüber gesprochen, ob es gut oder schlecht lief. Wir waren nicht so eng miteinander verbunden", berichtet Button. An seiner Einstellung hat sich auch nach Hamiltons Abgang nichts geändert: "Mit Checo (Perez; Anm. d. Red.) schaue ich mir die Daten an, doch das war's. Wir stehen uns nicht nah. Kein Fahrer steht mir nah."
Intimfeinde
Das feindlichste Fahrerverhältnis der vergangenen Saisons dürfte aber ganz klar bei Red Bull herrschen. Vettel geriet mit seinem Teamkollegen Mark Webber in den gemeinsamen fünf Jahren (und auch schon vorher) immer wieder heftig aneinander. Beide machten kein Geheimnis daraus, nicht viel voneinander zu halten. Ende dieser Saison verlässt Webber die Formel 1, vermissen wird er seinen Teamkollegen aber nicht: "Wahrscheinlich nicht besonders, nein. Es gibt eine lange Geschichte zwischen uns beiden, es ist viel passiert", resümiert der 37-Jährige das alles andere als freundschaftliche Verhältnis der beiden.
Gute Verhältnisse zwischen den Hauptakteuren der Formel 1 scheinen durchaus zu existieren. Inwiefern es sich dabei aber um "echte" Freundschaften handelt, ist sicherlich auch immer eine Frage der Definition. Grundsätzlich müsse "jeder für sich entscheiden", ob er seine Konkurrenten in der Formel 1 auch als "Freunde" bezeichnen würde oder nicht, hatte Hülkenberg bereits im März gegenüber 'Bild' gesagt. Fakt ist: Die Königsklasse war, ist und bleibt kein optimaler Nährboden für Freundschaften - dafür wird der alles überschattende Wettbewerbscharakter wohl immer sorgen.