Teamchef Horner glaubt, dass Selbstkritik, Akribie und Erfahrung seinen Schützling fast unschlagbar machen - Surer spricht von "seltener Perfektion"
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Kreise um die Konkurrenz fahren, dann klappt es auch mit dem Chef. Christian Horner staunte nicht schlecht über die drückende Überlegenheit Sebastian Vettels, die den Heppenheimer zu einem scheinbar mühelosen Grand-Prix-Triumph am Sonntag in Singapur führte: "Eine der besten Fahrten überhaupt. Ich hätte nie gedacht, dass er 30 Sekunden herausholt", schwärmt der Teamchef im Gespräch mit 'Sky Sports F1' und kommt mitten in der Nacht zu einem traumhaften Fazit: "Das ist phänomenal."
Der Red-Bull-Verantwortliche wehrt sich gegen den Eindruck, dass sein Schützling von Erfolg zu Erfolg spazieren fährt. Horner nennt die Materialschlacht auf dem Marina Bay Circuit im subtropischem Klima eine Zerreißprobe für Mensch und Maschine: "Alles war am Limit: Bremsen, Temperaturen und für die Fahrer ist es sehr, sehr hart." Der Brite erinnert daran, dass Vettel seine besten Jahre vielleicht noch vor sich hat: "Man vergisst, wie jung er ist. Er ist erst 26 Jahre alt", sagt Horner. Umso älter der schon jetzt dreifache und wohl bald vierfache Champion werde, umso mehr Lebenserfahrung sammele er.
Das bliebe nicht ohne Auswirkung auf seine sportlichen Leistungen: "Sein Talent war schon immer vorhanden. Mit mehr Erfahrung wird er immer besser. Er arbeitet so hart und dreht jeden Stein um. Er ist selbstkritischer als jeder Fahrer, dem ich jemals begegnet bin", stimmt Horner eine Hymne an. Auch Marc Surer ist begeistert von der Vettel-Leistung und hält sich für einen Zeitzeugen eines seltenen Spektakels: "So etwas gibt es eigentlich nur, wenn alles harmoniert. Das Auto macht genau das, was der Fahrer will. Diese Perfektion gibt es ganz selten", weiß der 'Sky'-Experte.
"Wir wollten ihn entfesseln"
Einen passenden Vergleich findet er nur außerhalb der Formel 1: "Es ist vielleicht so erklärbar: Ein Reiter, der mit seinem Pferd eins wird und dann über jedes Hindernis springen kann." Horner hat für die perfekte Synthese, die Vettel und seine "Hungry Heidi" bilden, sofort einen Präzedenzfall parat: Der Start in Singapur, als der Pole-Position-Inhaber kurzzeitig von Nico Rosberg kassiert wurde. Seiner Meinung nach war es eine dieser Situationen, in denen sein Pilot die Routine ausspielt. "Es ging darum, kühlen Kopf zu bewahren und nicht in Panik zu geraten, nachdem Nico besser gestartet war."
Auch Surer wittert ein kleines Meisterstück: "Man spürt förmlich, dass Vettel wusste, was jetzt passiert", meint er über den geschickten Konter des Red-Bull-Stars. Dass Horner ihn nach der Safety-Car-Phase, die den kompletten herausgefahrenen Vorsprung eingedampft hatte, im Funk nochmals anpeitschte, erklärt der Teamchef so: "Wir wollten ihn entfesseln." Das gelang, schließlich war Vettel in der Folge zwei Sekunden pro Runde schneller als die Konkurrenz. Die Risiken waren auch mit einem Mammutvorsprung nicht ausgeschaltet.
Schließlich ist das Fahren am Limit oft etwas simpler als das bewusste Kontrollieren eines Vorsprungs, wie es Vettel zum wiederholten Male exerzierte. "Die Konzentration ist das Schwierigste", erinnert Surer an große Champions, die wie Ayrton Senna 1988 in Monaco mit luxuriösem Vorsprung verunfallten. "Wenn man nur einen halben Meter neben die perfekte Linie kommt, kommt man auf den Gummi und rutscht in die Mauer. Das ist schon großen Namen passiert", meint der Schweizer. Die für Red Bull unglückliche Safety-Car-Phase, die der 2014er Neuzugang Daniel Ricciardo ausgelöst hatte, barg übrigens einen angenehmen Nebeneffekt.
Unermüdlich: Red Bull will nicht nachlassen
Der Klassenprimus geriet nicht in den Verdacht, sich ein Singapur-Vorbild in Flavio Briatore gesucht zu haben: "Das war nicht strategisch", scherzt ein gut gelaunter Horner mit unausgesprochenem Verweis auf die Kontroverse um Nelson Piquet jun. Allerdings hat Vettel im Gegensatz zum damals subventionieren Fernando Alonso mit dem RB9 eine echte Wunderwaffe in der Box. Woher kommt nur all der Abtrieb, der den Wagen scheinbar unschlagbar macht? "So einfach ist es nicht, den zu finden", erklärt Adrian Newey gegenüber 'Sky Sports F1', ohne ein Geheimnis auszuplaudern.
Der Stardesigner macht der Konkurrenz nicht die Hoffnung, dass seine Farben bei den restlichen Grands Prix noch irgendwie nachlassen könnten, weil 2014 die Turboära vor der Tür steht: "Alle Teams müssen den Balanceakt wagen. Was wir am aktuellen Auto machen, ist auch wichtig für das kommende Jahr, schließlich sind die Wagen in vielerlei Hinsicht Cousins der kommenden", warnt Newey und kündigt an: "Wir machen weiter Druck. Der Vorteil kann ganz schnell weg sein." Auch die technische Klasse des Materials führt er auf Vettel zurück: "Wir haben Fühler und Sensoren am Auto, die uns sagen, was es macht. Aber nur der Fahrer kann sagen, wieso."