Luca di Montezemolo kritisiert die neue Teamführung von Ferrari und erklärt, was es braucht, damit die Roten wieder siegen können - Lob für Sebastian Vettel
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Luca di Montezemolo ist zwar seit Ende 2014 nicht mehr oberster Chef von Ferrari, trotzdem hat seine Stimme nach wie vor Gewicht. Der Italiener hat sich vor dem kommenden Rennwochenende in Austin in einem Interview bei 'RTL' über die aktuelle Lage seines ehemaligen Teams geäußert. Trotz all der Kritik, die auch der 69-Jährige übt, merkt er auch an: "Gemeinsam mit meiner Familie ist Ferrari das Wichtigste in meinem Leben."
Aus diesem Grund, weil er Ferrari fast als eigenes Kind ansieht, geht er besonders hart mit der neuen Führung des italienischen Traditionsteams ins Gericht. Montezemolo weiß: "In der Formel 1 brauchst du die Demut, zu wissen, dass man nicht von heute auf morgen zum Sieger wird. Man sollte keine Siege ankündigen, wenn man nicht die Gewissheit hat, dazu in der Lage zu sein." Diese Aussage richtet sich klar an Sergio Marchionne, seinem Nachfolger.
Der Italo-Kanadier forderte bereits vor der Saison weitere Siege von Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen. Man wollte auf den positiven Ergebnissen des Jahres 2015 (drei Siege, insgesamt 16 Podestplätze) aufbauen und vom ersten Mercedes-Verfolger zum ernstzunehmenden Gegner werden. Doch 2016 stockte die Weiterentwicklung und die Leistungskurve der Roten flachte ab - bisher holten beide Piloten insgesamt zehn Podestplätze. Red Bull etablierte sich als zweite Kraft und liegt in der Team-Wertung nun bereits 50 Punkte vorne. Ferrari konnte bisher kein weiteres Rennen gewinnen. Bereits im Mai gab Montezemolo zu: "Ich habe mir größere Fortschritte erwartet."
Montezemolo lobt Vettel & rät zu Geduld und Vertrauen
Außerdem ist der Scuderia in einer wichtigen Phase der Entwicklung des 2017er Boliden Technikchef James Allison abhanden gekommen, auch die Kritik an Teamchef Maurizio Arrivabene wird lauter. Ein ehemaliger Ferrari-Mitarbeiter spricht gar von einem "Terrorklima" in Maranello. Durch ausbleibende Erfolge seien die Mitarbeiter wie gelähmt von der Angst.
Erstmals kommt auch offene Kritik vom Teamchef an Vettels Person an die Öffentlichkeit, der Deutsche versucht jedoch jegliche Kritik von seinem Team abzuwenden. Diese sei "unfair". Von Montezemolo gibt es Lob für den Deutschen: "Bei Vettel sah man vom ersten Gespräch an, dass er Ferrari im Herzen trug." Heute sei es wichtig für die Scuderia, solch einen Piloten zu haben, der "auch in den schwierigen Momenten so positiv" ist.
Der ehemalige Ferrari-Boss, der das Team seit Beginn der 1970er-Jahre ebenfalls mit harter Hand geführt hatte, weiß, wie man mit den Italienern umgehen muss: "Man muss Geduld haben, man muss den Leuten helfen, es wieder besser zu machen. Und man muss Vertrauen haben in die Mitarbeiter, von denen man überzeugt ist, und für sie die besten Bedingungen schaffen, damit sie alles geben können." Bereits Ex-Ferrari Pilot Niki Lauda fordert: Weniger Druck, mehr Vertrauen.
Dass Ferrari bereits seit Beginn der Hybrid-Ära 2014 hinterherhinkt, gibt Montezemolo im Nachhinein zu. Auch meint er, dass viele Teams die Komplexität der neuen Antriebe unterschätzt hätten, wie eben auch Ferrari. Die Silberpfeile haben hingegen einen "außergewöhnlichen Job" gemacht. "Mercedes hat sich am frühesten damit beschäftigt und vorbildliche Arbeit geleistet", zollt er den Deutschen Respekt.