Ferrari erleidet in Silverstone eine Schlappe: Kimi Räikkönen kämpft gegen Force India, Zeitstrafe gegen Sebastian Vettel - Defizit bei Aerodynamik als Schwachstelle
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Mit 15 Siegen ist Ferrari die erfolgreichste Marke beim Grand Prix von Großbritannien, doch seit der erfolgreichen Schumacher-Ära konnte die Scuderia nur zweimal in Silverstone gewinnen. Kimi Räikkönen (2007) und Fernando Alonso (2011) holten die einzigen Ferrari-Siege in den vergangenen elf Jahren. Und auch diesmal ging beim berühmtesten Rennstall der Welt nicht viel. Räikkönen kämpfte sich in den letzten Runden noch am Force India von Sergio Perez vorbei und kam als Fünfter ins Ziel.
Ein durchwachsenes Rennen zeigte auch Sebastian Vettel. Durch den Getriebewechsel ging der Deutsche von Startplatz elf ins Rennen. Trotz frühem Boxenstopp von Intermediates auf Medium-Slicks in Runde 16 klappte keine Aufholjagd. "Ich glaube, der Boxenstopp war richtig, aber mit dem Dreher habe ich viel Zeit und den Vorteil verloren. Von da an wurde es schwierig, nach vorne zu kommen. Es war nicht unser Tag. Wir waren nicht schnell genug", seufzt Vettel.
Außerdem bekam der Deutsche von der Rennleitung eine Zeitstrafe von fünf Sekunden aufaddiert. Beim Überholmanöver mit Felipe Massa in der Village-Kurve drängte Vettel auf den ersten Blick Massa von der Strecke. Der Ferrari-Pilot bewertet die Situation aber als Zweikampf im Rennen und findet die Strafe übertrieben: "Ich finde es unnötig, denn ich bin ihn nicht absichtlich von der Strecke gefahren. Ich hatte keinen Grip. Als ich einlenken wollte, ist mir ständig das Heck weggerutscht. Für ihn sah es wohl so aus, dass ich ihn abgedrängt habe, aber ich konnte nichts machen."
Somit wurde Vettel am Ende als Neunter gewertet. Das Hoch von Montreal ist längst verflogen. Räikkönen hatte im Ziel mehr als eine Minute Rückstand auf Sieger Lewis Hamilton. "Das ganze Wochenende war schwierig", spricht der "Iceman" die bittere Ferrari-Realität an. "Ich denke, mehr war nicht drin. Uns fehlt auf einer Strecke wie dieser Anpressdruck. Bei diesem Wetter ist es auch nicht einfach. Wir brauchen mehr Abtrieb. Wenn das Wetter noch dazu wechselhaft ist und der Wind dreht, bestraft es dich noch mehr. Aber so war es diesmal."
Ferrari hinter Red Bull zurückgefallen
Mercedes ist für Ferrari in keinster Weise in Reichweite. Und auch Red Bull etabliert sich immer mehr als zweite Kraft hinter den Silberpfeilen. Der SF16-H offenbart immer deutlicher aerodynamische Defizite, die sich in schnellen Kurven zeigen. Im Gegensatz dazu hat Red Bull das aerodynamisch bessere Auto und ist trotz etwas weniger Antriebsleistung in Summe der erste Silberpfeil-Jäger.
"Grundsätzlich geht irgendwie nichts weiter", fasst Alex Wurz im 'ORF' die Ferrari-Situation zusammen. "Sie hatten in Österreich und hier einen Defekt, der sie in der Startaufstellung zurückgeworfen hat. Das Bild war vielleicht eine Spur verzerrt, aber sie sind nicht mehr die zweite Kraft. Red Bull ist vorbei. Es ist ähnlich wie bei Williams. Ohne Traktion kommen sie nicht weiter nach vorne. Das ist natürlich für die Italiener, für Vettel und Arrivabene ein Schlag ins Gesicht. Jetzt werden sie bald nervös werden."
Von Siegen ist Ferrari derzeit meilenweit entfernt, und auch in der WM werden wohl nur noch die kühnsten Ferraristi an den Titel denken. Vettels Rückstand ist auf 73 Punkte angewachsen. "Schwierig", findet auch Niki Lauda Vettels Situation. "Mit dem Dreher ist alles schiefgelaufen. Das Auto war sicher schwierig zu fahren bei diesen Bedingungen, da muss ich ihn etwas in Schutz nehmen. Er hat im Moment einfach keine gute Zeit. Er ist zu früh auf Trockenreifen gegangen, im Nachhinein ists natürlicher einfacher zu reden. Zu früh, dann zu langsam unterwegs gewesen, dann der Dreher noch dazu, weil er zu früh mit den Trockenreifen gefahren ist. Kein guter Tag für ihn."
Aerodynamik der Schwachpunkt des SF16-H
Vettel widerspricht Lauda allerdings und lobt die Strategie und den frühen Wechsel auf Medium-Slicks. "Ich habe am meisten gut gemacht, daher war es eine gute Entscheidung, zu diesem Zeitpunkt reinzukommen", verteidigt Vettel die Strategie. "Sich eineinhalb Runden später zu drehen hilft natürlich nicht. Es war noch etwas nass, da war noch eine Pfütze in der ersten Kurve . Auf der nassen Strecke habe ich dann das Auto verloren."
Doch selbst wenn der Dreher nicht passiert wäre, hätte Vettel maximal mit Force India um die Verfolgerplätze kämpfen können. "Im Idealfall hätte Platz sechs rausspringen können, im Endeffekt ist es der neunte Platz, daher können wir nicht zufrieden sein", so Vettel weiter. "Heute war nicht unser Tag, nicht unsere Bedingungen. Wir waren sehr viel im Verkehr. Wir hatten keine freie Fahrt und konnten unseren Rhythmus nicht finden." Dass es nicht Ferraris Anspruch ist, mit Force India um fünfte und sechste Plätze zu kämpfen, ist klar.
Klar ist auch, dass Ferrari vor allem bei der Aerodynamik nachlegen muss, um zumindest wieder gegen Red Bull kämpfen zu können. "Mehr Abtrieb würde uns auf jeder Strecke helfen. Das brauchen wir für jede Art von Strecke", nennt Räikkönen den Schwachpunkt des SF16-H. "Es gibt auch andere Bereiche, die wir verbessern müssen. Wenn wir mehr Anpressdruck hätten wie die Autos vor uns, dann wäre es eine andere Geschichte. Wir können uns in jedem Bereich verbessern, aber bei diesen Bedingungen und auf dieser Strecke ist der Anpressdruck unser größtes Problem."
Und auch Vettel spricht klar von einem schlechten Wochenende: "Am Samstag war die Performance in Ordnung, aber heute war es schwieriger. Ungarn ist eine ganz andere Strecke. Dort scheint in der Regel die Sonne. Bisher war es in der Saison nicht besonders warm. Wir müssen von diesem Wochenende viel lernen. Es gab die Getriebeschäden und zwischen Qualifying und Rennen haben wir viel Performance verloren. Für Red Bull war es ein starkes Wochenende, für uns nicht. Es war wahrscheinlich das einzige Rennen, wo wir nicht die Pace hatten. Wir müssen jetzt sicherstellen, dass wir alles verstehen und uns verbessern. Dieses Wochenende war für uns ein Rückschritt."