Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene erklärt, was die Identität der Formel 1 ausmacht, was besser werden muss und wie er über Einheitsautos denkt
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Die Formel 1 hat dieser Tage ein Identitätsproblem. Will man in Zukunft Retroboliden, die an die 1980er-Jahre erinnern, oder futuristische Geschosse wie aus einem Computerspiel? Will man die Fans mit Gänsehaut-Sound bedienen oder die Autohersteller mit Flüster-Hybridmotoren? Und sollen die Boliden vereinheitlicht werden und Kundenautos eingesetzt werden, um die Kosten zu senken, oder benötigt der Sport die Vielfalt um jeden Preis?
Fragen, über die derzeit hinter den Kulissen heftig diskutiert wird. Keine einfache Angelegenheit, denn während in der Vergangenheit Formel-1-Boss Bernie Ecclestone die Richtung vorgab, wollen heute viele Interessensgruppen bedient werden, was den Entscheidungsprozess dementsprechend verkompliziert.
Kritiker sind der Ansicht, dass vor allem die Fans zu oft bei den Entscheidungen zu kurz kommen. Einer, der diesbezüglich einen unkonventionellen Weg geht, ist der neue Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene. Die Zuschauer bei den Formel-1-Tests in Jerez staunten nicht schlecht, als der Italiener und Ferrari-Ersatzpilot Esteban Gutierrez plötzlich auf der Tribüne auftauchten und den Kontakt zu den Fans suchten.
Die Identität der Formel 1
Kein Wunder, denn der Marketing-Fachmann, der jahrelang für den Tabakriesen Philip Morris arbeitete, ist der Ansicht, dass das Formel-1-Publikum deren Identität definiert. "Nicht wir entscheiden, was die DNS der Formel 1 ist, sondern die Leute, die die Zeitungen lesen, die Fernsehen schauen, die auf der Tribüne sitzen", sagt der Norditaliener im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.
Seiner Meinung nach funktioniert die Formel 1 diesbezüglich "wie jede Art der Unterhaltung. Es handelt sich um die Königsklasse des Motorsport, und das müssen wir aufrecht erhalten. Wenn uns die Zuschauer wegbrechen, dann weil wir unsere DNS verloren haben." Diese Gefahr besteht derzeit, denn die Formel 1 bedient die Fans laut Arrivabene "nicht wirklich".
Welche Maßnahmen nun notwendig sind, will er wegen der andauernden Gespräche nicht öffentlich diskutieren, für den Ferrari-Teamchef ist aber eines klar: "Die Formel 1 muss ein bisschen leistbarer werden."
Bessere Show: Arrivabene verspricht baldige Maßnahmen
Dass dies über einheitliche Boliden erreicht wird, hält er für "extrem", dennoch sei dies ein guter Anstoß für eine Debatte: "Standard-Teile in gewissen Bereichen des Autos könnten ein interessanter Weg sein, um Kosten zu sparen. Natürlich nicht in allen Bereichen, schließlich sind wir die Formel 1 und nicht eine weitere Serie, in der alle Autos gleich aussehen und es kein Spektakel gibt."
Trotz des schwierigen Entscheidungsprozesses sieht Arrivabene Licht am Ende des Tunnels: "Wir werden bald Schlüsse ziehen und dann Taten setzen. Es geht darum, die Kosten zu senken und die Show zu verbessern." Immer wieder werden die Top-Teams dafür kritisiert, dass sie bloß an ihre eigenen Interessen denken und dadurch Reformen blockieren. Arrivabene findet das nicht gerecht: "Es gibt auch die Rennpromoter, die FIA, Bernie und so weiter. Sie alle repräsentieren die Mehrheit."
Er hat aber das Gefühl, dass nun allen der Ernst der Lage bewusst wird: "Jetzt arbeiten alle zusammen, weil sie plötzlich erkennen, dass die Show verbessert werden muss." Für die Zukunft warnt er vor allem vor ständigen Richtungsänderungen, die sich langfristig negativ auf die Kosten auswirken könnten. "Es muss ein bisschen berechenbarer sein, wofür wir unser Geld ausgeben müssen", spielt er darauf an, dass Ferrari in den vergangenen Jahren den Windkanal renoviert hat und nun sogar ein Windkanal-Verbot im Raum steht. "Daran müssen wir arbeiten."