Ferraris rätselhafte Medienpolitik: Warum großes Schweigen?

, 02.06.2017

Erklärungsversuche des Teamchefs Arrivabene können den Ärger der Formel-1-Journalisten nicht besänftigen - Angeblich setzte man mehr auf soziale Medien

Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene hat kein Verständnis dafür, dass die Kritik an der Medienpolitik der Scuderia immer lauter wird. Er sei "überrascht" von den Beschwerden zahlreicher Formel-1-Journalisten über zu wenig Gelegenheiten, Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen Fragen stellen zu können, meint der Italiener. "Wir beteiligen uns doch in den sozialen Medien", betont ein schulterzuckender Arrivabene. "Und wir machen das weiter, was wir im vergangenen Jahr getan haben."

Das stimmt nicht ganz. An den Donnerstagen vor den Grands Prix - den sogenannten Medientagen - schickt Ferrari seine Piloten teilweise nur noch vor die TV-Kameras. Die Runden für Print- und Online-Journalisten entfallen, sofern nicht einer der Piloten in die offizielle Pressekonferenz beordert wird. Dort ist das Erscheinen obligatorisch, die Teilnehmer sucht die FIA aus. Auch die Zeit, die sich Vettel und Räikkönen nach dem Qualifying und nach dem Rennen nehmen, scheint verkürzt.

Arrivabene beruft sich darauf, in den sozialen Medien aktiv zu werden - schließlich sei auch eine größere Präsenz bei Facebook, Twitter und Co. eine Forderung des neuen Formel-1-Mehrheitseigners, der allgemein ein Plus an Öffentlichkeitsarbeit wünscht. "Klar, Liberty will mehr und mehr Interviews haben, aber sie reden auch von der digitalen Welt. Wir versuchen beides gleich zu gewichten", erklärt der Ex-Tabak-Manager die Strategie der Ferrari-PR-Abteilung - allerdings dürftig.

Denn was Ferrari auf seinen Plattformen veröffentlicht, sind Unmengen von Fotos, die offiziellen Pressemitteilungen und Videoformate, in denen zum Beispiel mit einem Blick hinter die Kulissen auf das Rennen eingestimmt werden soll. Wenn Fragen beantwortet werden, sind es solche, die zuvor selektiert wurden und über einen entsprechend angenehmen Charakter verfügen. Den Journalisten nützt das wenig - ganz zu schweigen davon, dass Exklusivinterviews zur Utopie geworden sind.

Arrivabene kann die Aufregung trotzdem nicht nachvollziehen. "Ihr habt doch alle eine gedruckte Zeitung, jedoch auch eine digitale Ausgabe. Ich erkenne das Problem nicht", ruft er klagenden Berichterstattern zu. Immerhin scheint Ferrari verstanden zu haben, dass es ein Affront war, als beim Australien-Grand-Prix Räikkönens dreiminütige Medienrunde per Livestream in den sozialen Medien übertragen wurde. Viele Kollegen fragten sich damals: Wozu soll ich für viel Geld um die halbe Erde reisen, wenn die Antworten auf meine Fragen am Ende jedem im Internet frei zugänglich sind?

Zynisch ließe sich formulieren: Immerhin gab es Antworten. Arrivabene selbst bleibt sie seit geraumer Zeit schuldig, da seine Interviewrunden nach den Rennen von Ferrari ersatzlos gestrichen wurden. "Wenn Sie unsere Pressemitteilungen erhalten, sehen Sie, dass ich immer ein Statement aufschreibe", bringt der Italiener eine fadenscheinige Entschuldigung vor. Denn für Ferraris Aussendungen gilt wie für die fast aller Teams, dass sie inhaltlich kaum verwertbar sind. Es reiht sich Phrase an Phrase. Antworten auf kritische Fragen bleiben aus. Wenn überhaupt wird beschönigt.

Hinzu kommt, dass kein Frage-Antwort-Spiel möglich ist und sich Arrivabene im Gespräch nicht "kitzeln" lässt, wie es zum Handwerk eines Journalisten gehört. Emotionen und non-verbale Kommunikation bleiben außen vor. "Wir forcieren, dass die Fahrer wieder die Helden der Show sind. Der Teamchef managt die Mannschaft, sucht die Piloten aus und macht seinen Job", erläutert Arrviabene, warum er 2017 schweigt. Vor den TV-Kameras allerdings tritt er unverändert auf.

"Im Moment sind wir sehr, sehr konzentriert. Das ganze Team versucht, seine Arbeit zu erledigen. Es ist ziemlich schwierig, ein Monster wie Mercedes zu bekämpfen", nennt der Teamchef weitere Gründe für die neue PR-Strategie.

Verwunderlich, dass die Silberpfeile regelmäßig ausführliche Medienrunden mit ihren Piloten und mit Sportchef Toto Wolff einrichten und es auch Red Bull schafft, seine Protagonisten mit den Journalisten zusammenzubringen. "Es ist eine Frage der Konzentration, wenn wir den Medien am Sonntag nach dem Rennen Auskunft geben. Es steckt nichts anderes dahinter", winkt Arrivabene ab. Also auch nicht, dass Boss Sergio Marchionne nach ausbleibenden Resultaten, harscher Kritik und manchem kontroversen Kommentar im vergangenen Jahr einen Maulkorb verhängt hat? Wir hätten gerne nachgefragt.

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